Zorn und Gegenzorn

In mehreren Stadtteilen wurde die Luft aus den Reifen von SUVs gelassen. Bekannt zu dieser Aktion haben sich die Klimaaktivisten des Anti-Luxus-Kollektivs.

Bild: GrayFrog

Es ist eine kurze Nachricht, die vom Polizeipräsidium Freiburg als Pressemitteilung hinausging. „Im Freiburger Stadtgebiet, vorrangig in den Stadtteilen Herdern und Littenweiler, wurden in der Nacht auf den 27.06.2024 an mindestens 26 vermeintlich hochwertigen Fahrzeugen die Luft aus den Reifen gelassen.“

Knapp sechs Stunden später kam das Bekennerschreiben des Anti-Luxus-Kollektivs. „SUV-Besitzer*innen in den Stadtteilen Wiehre, Ebnet, Littenweiler und Herdern  mussten heute Morgen kurzfristig auf ihr Auto verzichten. Klimaaktivist*innen des Anti-Luxus-Kollektivs hatten in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag mithilfe von Hülsenfrüchten die Luft aus den Reifen von ca. 160  SUVs  gelassen.“ Die Gruppe kritisiert die Präsenz von SUVs in der Stadt und verweist auf die Notwendigkeit einer sofortigen Mobilitätswende. 

Stadt-Geländewagen, so die Kritik, verbrauchen unnötig viel Kraftstoff und Platz im öffentlichen Raum. Die Aktionen richten sich auch gegen E-SUVs. Die Begründung des Kollektivs: „Für den Bau von E-Autos werden viele seltene Rohstoffe wie beispielsweise Kobalt oder Lithium benötigt, die in vielen Fällen unter menschenrechtswidrigen Bedingungen abgebaut werden. Kobalt kommt beispielsweise vor allem aus dem Kongo, wo Menschen (…) darauf angewiesen sind, für einen Hungerlohn nach dem Metall zu schürfen. (…) Das Waschen der Kobalterze verseucht zudem in großem Ausmaß Gewässer und Ökosysteme und macht Ackerböden unfruchtbar. Das grüne Image von E-Autos als zukunftsfähige Alternative zum Verbrenner bröckelt also bei Betrachtung der ganzen Produktionskette.“ „Tyre Extinguisher“, Reifen-Auslöscher,  nennt sich die Bewegung, die ihren Anfang in Großbritannien nahm.  Wobei den Autos kein Sachschaden zugefügt wird. Die Klimaaktivisten klemmen lediglich eine Hülsenfrucht, zum Beispiel eine Berglinse, ins Ventil, woraufhin die Luft entweicht.

Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden 2023 in Deutschland rund 3,7 Millionen Fahrzeuge neu zugelassen. Dies entspricht einer Zunahme um  mehr als 5,5 Prozent. Davon waren etwa 855.700 SUVs. Somit war fast jeder dritte neu zugelassene Pkw ein sogenannter Sports Utility Vehicle. Laut dem Freiburger Amt für Bürgerservice und Informationsmanagement ist der Anteil der SUV-Fahrzeuge rasant gewachsen und betrug im Oktober 2023 in Freiburg 20,1 Prozent.

Eine repräsentative Ipsos-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands ergab, dass 51 Prozent der Großstadtbewohner für Fahrverbote für SUVs sind, 45 Prozent dagegen. Ein Beispiel für mögliche Maßnahmen bietet Tübingen, wo höhere Anwohnerparkgebühren für schwere Fahrzeuge eingeführt wurden. Für SUVs ab 1,8 Tonnen steigt die Jahresgebühr dort um 50 Prozent. In Koblenz richtet sich die Gebührenhöhe für Parkausweise nach der Autogröße. Seit März 2024 gibt es dort einen Jahresgrundbetrag von 23,40 Euro, multipliziert mit der jeweiligen Länge und Breite des Fahrzeugs.

Auch Freiburg hatte im April 2022 versucht, an Autolänge gekoppelten Anwohnerparkgebühren einzuführen, scheiterte jedoch im Juni vergangenen Jahres am Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Freiburg wollte einen Stufentarif einführen, dagegen klagte ein Anwohner, das Bundesgericht gab ihm in der Revision recht. Der juristische Haken war eine soziale Komponente für untere Einkommensgruppen und Familien mit Kindern, für die Freiburg niedrigere Gebühren erheben wollte. Dies, so das Gericht, verstoße aber gegen den Grundsatz der Gleichheit. Nicht beanstandet wurde indes die grundsätzliche Höhe der Regelgebühr in Höhe von 360 Euro.  Koblenz hat deshalb gleich folgerichtig (aber bedauernd) keine soziale Satzung bei den Anwohnerparkgebühren mit aufgenommen. 

Paris hat per Bürgerentscheid beschlossen, dass die Parkgebühren für SUVs  ab September 2024 drastisch erhöht werden – allerdings nicht für Anwohnende, Handwerker und Pflegedienste. Alle Verbrenner-Autos oder Hybridfahrzeuge, die schwerer sind als 1,6 Tonnen (Elektroautos schwerer als zwei Tonnen) zahlen dann 18 Euro Parkgebühren pro Stunde – überproportional steigend bei längeren Aufenthalten. Für sechs Stunden Parken im Zentrum werden dann beispielsweise 225 Euro fällig. 

Neben Gesetzen und Vorgaben brauchen wir vor allem Anreize, um dem Klimawandel zu begegnen, ihn im besten Falle zu begrenzen. Kostenloser und verlässlicher ÖPNV sowie mehr Fahrradinfrastruktur wären starke Anreize für eine Mobilitätswende. Letztendlich brauchen wir das, was die Psychologie „positive Verstärkung“ nennt, um die Menschen zu überzeugen und mitzunehmen auf dem Weg des Umdenkens – finanzielle Anreize (staatliche und wirtschaftliche) ebenso wie emotionale Belohnungen. Platte Reifen haben diesen positiven Effekt nicht. Die Aktion des Anti-Luxus-Kollektivs ist deshalb nur Protest, aber ohne Mitnahme- und Überzeugungseffekt. Und gerade den gilt es doch  zu entwickeln, um eben die mitzunehmen, die bislang noch zögern oder ignorant sind.