Wuschelige Wünsche

Ja, es wäre schön, wenn Robert Habeck eine grüner Wuschelbär bliebe und nun nicht auch noch in der Migrationsdebatte der Union Avancen machte und damit auch der AfD hinterher liefe.

Fotomontage: Adrian Kempf

Ein Schelm ist, wer Schlechtes über Robert Habeck denkt. Denn das Schelmische hat sich der „Bündniskanzler“ (kein schlechter Scherz!)  ja in diesem Wahlkampf selbst zugelegt. Beispielsweise wenn er im SZ-Magazin (im „Interview ohne Worte“, also nur mit Fotos) auf die Frage, wer der beste Kanzler für Deutschland sei, verschmitzt selbstbewusst den Zeigefinger hebt: „Ich halt, aber ich weiß auch, dass das wohl im Moment (noch) nicht klappen wird“, drückt die Geste gleichzeitig aus. Vielleicht deshalb hat kürzlich CDU-Chef (und potentieller Koalitionspartner) Friedrich Merz ja auch in einem Interview gesagt, dass Robert Habeck „nicht nur ein Wuschelbär“ sei, sondern auch „wuschelige Gedanken“ habe. Doch gemach. Man darf Robert Habeck auf jeden Fall attestieren, dass er von allen prominenten Kandidaten dieser Bundestagswahl wohl der Einzige ist, der auf Beschimpfungen seiner Mitbewerber verzichtet.  Für seine Verhältnisse ist es ja schon aggressiv, wenn er nach dem Schaulaufen von Merz in der Migrationsdebatte, als dieser mit Hilfe der AfD einen (rechtlich nicht bindenden) Entschließungsantrag verabschiedete, sagte: Es sei ein „schwerer, politischer Fehler“ von Merz, mit der Unterstützung der AfD  zu rechnen.  Um nachzuschieben: Fehler könne man „heilen“. „Nur das würde voraussetzen, dass man sie als Fehler sieht.“ Dazu passte auch, dass Habeck die Aussage von Merz, „nicht nach links, nicht rechts“ zu schauen, sondern „nur geradeaus“, eine „Erpressungsdrohung“ nannte. Auf den Wunsch der Grünen für Koalitionsverhandlungen, so Habeck, würde Merz wohl sagen: „Hier wird überhaupt nicht verhandelt. Ich krieg meinen Willen oder ich geh zur AfD.“
Wer nun allerdings meint, dass Habeck mit seiner Kritik an Merz auf Abstand gehen wollte, gar eine Koalition der Grünen mit der Union nahezu ausschließen wollte, der irrt gewaltig. Im Gegenteil tritt man Habeck wohl nicht zu nahe, wenn man annimmt, dass er keinen Bock auf Opposition hat. Er will weiter Macht ausüben. Und die einzige realistische Option dafür ist wenige Wochen vor der Wahl jene des Juniorpartners der Union.

Also fordert der grüne Spitzenkandidat nun ebenfalls eine schärfere Asylpolitik. So hat der Kanzlerkandidat Robert Habeck ein Zehn-Punkte-Papier für eine „Sicherheitsoffensive“ verschickt. Neben diversen Forderungen aus dem Bereich der inneren Sicherheit enthält es auch Verschärfungen in der Migrationspolitik. Zu seiner Sicherheitsoffensive gehörten Schritte, die „die irreguläre Migration weiter reduzieren und begrenzen“, erläutert Habeck in seinem Konzept. Er fordert, nichtdeutsche Gefährder und Schwerkriminelle „konsequent“ abzuschieben, Asylverfahren „drastisch“ zu beschleunigen und die Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) „umgehend“ umzusetzen.

Doch das stößt innerhalb der eigenen Partei auf Widerstand. Was als Reaktion auf den Fünf-Punkte-Plan der Union gedacht war, löst in den eigenen Reihen Unmut aus. „Dieses Papier ist eine Avance in Richtung Friedrich Merz, nichts anderes“, heißt es, und weiter: Das Papier sei mitnichten Grünen-Position, sondern Habeck-Position, brodelt es aus allen Ecken der Partei. Die Grünen sind als Partei  in Asylfragen tief gespalten. Für viele Grüne war schon die Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems (Geas) eine Zumutung. Dass Habeck nun jedoch schwarz auf weiß festhält, „die irreguläre Migration weiter reduzieren und begrenzen“ sowie nichtdeutsche Gefährder „konsequent“ abschieben zu wollen, macht viele fassungslos. Zumal Teile des linken Parteiflügels ihm insgeheim misstrauen: Sie glauben, der Machtmensch Habeck würde im Zweifel auch den Parteikonsens über Bord werfen, um eine Rest-Chance auf Schwarz-Grün zu erhalten.

Problematischer als die reinen Inhalte ist bei Habecks Zehn-Punkte-Papier jedoch die Tatsache, dass der grüne Kanzlerkandidat damit erkennbar Union und AfD hinterherläuft. Dabei haben die Grünen in der Migrationsdebatte sowieso nichts zu gewinnen. Wähler, die schärfere Asylregeln wollen, werden ihre politische Heimat ohnehin nicht bei den Grünen finden. Im Gegenteil: Viele Menschen wählen die Grünen eben deshalb, weil sie sich mit Asylrechtsverschärfungen schwertun.

Wenn Habeck nun also der Union leichtfertige Avancen macht, spielt er mit dem Feuer. Er droht nicht nur den Rückhalt in den eigenen Reihen zu verlieren, auch wenn sich außer der Grünen Jugend bislang niemand traut, das öffentlich zu artikulieren. Er läuft auch Gefahr, den Blick für den progressiven Teil der Basis zu verlieren. Und es ist ja nun wirklich seltsam, dass plötzlich alle nur noch den ausgrenzenden Blick auf die Migration werfen. Wuschelige Gedanken wären schön!