Wo das „Fallbeil“ droht

Kann FDP-Chef Christian Lindner noch verhindern, dass seine Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert? CDU-Chef Merz warnt Wähler, dass „vier Prozent FDP vier Prozent zu viel“ sind.

Fotomontage: Adrian Kempf

Wie will Christian Lindner jetzt noch verhindern, dass die FDP bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert? Einst hatte er seiner Partei ein modernes, frisch nach vorne gerichtetes Image verpasst, das noch bei der letzten Bundestagswahl vor allem bei jüngeren Wählern im urbanen Umfeld viel Anklang fand. Wer Bock auf Zukunft hat, wählt die Liberalen, das war die Botschaft. Die Partei traf ein Lebensgefühl und war damit erfolgreich. Allerdings bleibt nach den Ampeljahren von liberalen Visionen nicht viel übrig. Statt Digital First gilt in Deutschland leider weiter Digital-Frust, obwohl die FDP ja das Verkehrs- und Digitalministerium besetzte. Die FDP griff sich symbolisch in der Ampel ja auch das Bundesbildungsministerium, aber ein bundesweiter Masterplan für erstklassige frühkindliche Bildung ist nicht in Sicht. Dann hat Christian Lindner sich an Elon Musk rangeschmissen. Auch in der FDP wurde gerätselt, was hinter dem Musk-Manöver des Parteichefs steckt. Vielleicht Ablenken vom „D-Day“-Debakel? Beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in der Stuttgarter Oper hat Lindner es schließlich verraten. Der Parteichef wollte so Wähler von der AfD zurückholen. Ein paar Prozentpunkte, so die Hoffnung, seien hier zu holen. Blöd natürlich, dass Musk dann offen Wahlwerbung für die AfD betrieb. Das allerdings war bald überlagert von der Migrations-Offensive von CDU-Chef Merz, der Lindner zustimmen lassen wollte – sehenden Auges mit Hilfe der AfD-Stimmen im Bundestag. Lindner wurde intern früh gewarnt: Das wird uns Probleme bereiten. Nur 67 von 90 FDP-Abgeordneten stimmten zusammen mit der AfD und der Union. Merz scheiterte.

Und die Retourkutsche des CDU-Chefs ließ nicht lange auf sich warten. Friedrich Merz hat potenzielle FDP-Wähler davor gewarnt, dass ihre Stimme am Ende keinen Einfluss auf den neuen Bundestag haben könnte. „Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP und vier Prozent zu wenig für die Union“, sagte Merz der Funke-Mediengruppe und der französischen Zeitung Ouest France. „Die Wählerinnen und Wähler müssen sich überlegen, ob Stimmen für die FDP am Ende verlorene Stimmen sind“, fügte er in Anspielung auf die Umfragen und die Möglichkeit hinzu, dass die Liberalen den Einzug in den Bundestag verfehlen könnten. Auf die Frage, ob er auf die FDP hoffe, antwortete der CDU-Chef: „Ich habe mit einiger Besorgnis gesehen, wie die FDP-Fraktion im Bundestag bei der Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz auseinandergefallen ist. Das dürfte Auswirkungen auf die Wahlen haben.“

Rache ist süß, auch wenn sie – wie bei Heißsporn Merz üblich – hier nicht gerade kalt serviert wurde. Denn Merz befeuert mit seiner Aussage bewusst eine wissenschaftlich erwiesene These, nach der Umfragen einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie die Bürger sich dann in den Wahlkabinen entscheiden. Eine Studie hat zuletzt hunderte Umfragen und Wahlergebnisse aus 19 Ländern ausgewertet. Klares Ergebnis: Liegt eine Partei direkt vor der Wahl in Umfragen unter der Sperrklausel von fünf Prozent, schafft sie es nicht mehr, über diese Hürde zu springen. Die Politikwissenschaflter nennen diesen Vorgang brachial die „Fallbeil-Hypothese“: Wenn die Menschen denken, dass eine Partei abstürzt, geht es dann auch besonders weit nach unten. Quasi Kopf ab.

Der Grund für den Absturz der FDP in den Umfragen liegt allerdings in ihrem Auftritt in der Ampel-Regierung begründet, und am Ende natürlich auch in ihrem „D-Day“-Plan, wie sie die Ampel zum eigenen Vorteil verlassen wollte. Vor allem aber ein Thema zeigt besonders, wie kraftlos ausgerechnet die Zukunftspartei FDP in der Ampel war: die Schuldenbremse. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt hatten die Liberalen nicht die Stärke, ein smartes Update der Schuldenbremse mitzutragen. Somit mussten sie ihre gesamte Energie dafür verschwenden, Ausgabenwünsche von SPD und Grünen abzuwehren, anstatt selbst die Initiative zu ergreifen. Statt dieses Strukturproblem liberal anzupacken, schaffte die FDP nur noch das Minimale: Nein zu allem zu sagen, bis das Nein dann auch die Koalition als solche einschloss.

Und im Grunde zeigt auch der aktuelle Wahlkampf, dass die Lindner-FDP weiter auf ihre Rolle als Begrenzer setzt („Auch guter Wille muss Grenzen setzen“), statt Visionen aufzuzeigen. Selbst der Hauptslogan der FDP – „Alles lässt sich ändern“ – lässt offen, wohin sich bitteschön alles ändern soll. Christian Lindner setzt alles auf eine wirtschaftsliberale Koalition mit der Union. Er bewirbt sich als Juniorpartner von Friedrich Merz, um dann aufpassen zu können, dass dieser nicht vom libertären Kurs abweicht. Auf diesen Aufpasser hat Merz keine Lust und macht Stimmung gegen die FDP.