Wie wird die Welt danach?

Erst nix sagen. Überraschend hat dann aber Bundeskanzler Olaf Scholz viele langjährige Grundsätze der deutschen Politik über Bord geworfen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine Kehrtwende hingelegt, die jener von Angela Merkel nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima gleicht. Damals hatte die zuvor eher dem Atomstrom zugewandte Kanzlerin überraschend den Ausstieg Deutschlands aus dieser Technologie verkündet. Und der erst seit zweieinhalb Monaten im Amt befindliche Scholz hat nun angesichts des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine die langjährigen Grundsätze Deutschlands und vor allem seiner SPD über den Haufen geworfen. Es wurden Waffen an die Ukraine geliefert. Und es wird massiv aufgerüstet in Deutschland. Wie Scholz halt so ist, hat er den Paukenschlag in einer Zahl ausgedrückt: 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ soll im laufenden Jahr 2022 dafür ausgewiesen werden, die Bundeswehr zu stärken. Deutschland werde außerdem „von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“, so Scholz.

Diese Umkehr in der Sicherheitspolitik hat Scholz in einer Regierungserklärung mit einer „Zeitenwende“ begründet. „Das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor“, erklärte der Bundeskanzler in Hinblick auf „Putins Krieg“, wie Scholz diesen nennt. Im Kern gehe es um die Frage, ob Macht das Recht brechen dürfe und ob es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gestattet werden könne, die Uhren in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts zurückzudrehen. „Oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen“, sagte Scholz. „Wir müssen Putin von seinem Kriegskurs abbringen.“

Die Bundeswehr brauche angesichts dieser Zeitenwende „neue, starke Fähigkeiten“, sagte Scholz weiter. „Klar ist: Wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen“, erklärte Scholz.   

Das ist eine radikale Kehrtwende in der Sicherheitspolitik. In den letzten Jahren hieß es vonseiten des damaligen Finanzministers Scholz und schon gar von seiner Partei SPD, dass es kaum machbar sei, mehr als 1,5 Prozent des  Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufzubringen. Die Bundeswehr wurde auch sonst eher wie das fünfte Rad am Wagen behandelt. 

Der Schock über Putins Angriffskrieg in der Ukraine hat alte Gewissheiten obsolet gemacht. Was zuvor unvorstellbar war, schien plötzlich ganz real. Was wäre, wenn Putin Deutschland angreifen würde? Was wäre, wenn er dies zu einem Zeitpunkt täte, wo die USA wieder von einem America-first-Trump regiert würde? Was wäre, wenn man in Europa weitgehend auf sich allein gestellt wäre? Diese Fragen hat Frankreichs Präsident Macron schon in den letzten Jahren gestellt, als er die Nato „hirntot“ nannte, weil die USA unter Donald Trump nicht mehr zuverlässig war. Aber erst durch den Krieg mitten in Europa hat das nun auch der neue deutsche Bundeskanzler realisiert. Angela Merkel hatte davor keine offenen Ohren für Macrons Vorstellungen einer europäischen Wehrhaftigkeit.

Bevor Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung dem staunenden Bundestag nun also den 100-Milliarden-Hammer  verkündete, hatte er sich offensichtlich eng mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) abgestimmt, der von „Investitionen in die Freiheit“ sprach.

Sogar Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sagte Scholz seine Unterstützung zu. Er begann seine Rede mit einem Versprecher: „Der 24. September“ werde jedem in Erinnerung bleiben. So hat der 24. Februar 2022, den Merz meinte, den 11. September 2001 als Datum des Schreckens abgelöst. Wie die Welt aber nach der Zeitenwende sein wird, weiß keiner.

Das Wagnis einer Kehrtwende in der deutschen Politik verleiht Olaf Scholz neues Profil. Er hat sich in kürzester Zeit zum deutschen Kanzler gemausert, der ernst genommen wird. Fast schon vergessen, dass er zuvor lange schwieg.