Wer hat denn nun das Baby gefragt?

Im „Polizeiruf - Du gehörst mir“ spielt ein Kleinkind mit. Das heißt, es wurde vermarktet.

bild: stock adobe, beast01

Die Idee ist nicht besonders originell. Eine Frau, die ihr eigenes Kind verloren hat, klaut ein anderes Baby, als sich die Gelegenheit ergibt. Wurde schon oft verfilmt. Zuletzt wieder im Polizeiruf „Du gehörst mir“. Dramaturgie: Ein Kind ist weg. Sieben Wochen alt. Doch was dich stört, ist etwas anderes. In dem Krimi soll Spannung erzeugt werden, indem die falsche Mutter mit dem Neugeborenen in diversen, meist emotional verzweifelten Szenen gezeigt wird. Beim Versuch, es zu stillen. Beim Versuch, es zu beruhigen. Ständig lauert in diesen Szenen im Hintergrund die Gefahr, dass dem Baby etwas passieren könnte. Und du fragst dich: Wer hat denn eigentlich das Baby gefragt, ob es zum Nervenkitzel des TV-Publikums in Millionen deutschen Haushalten in diesem Streifen mitspielen will?

Natürlich niemand. Es gibt aber gesetzliche Regelungen bezüglich eines Drehs mit Kindern. Eine Beschäftigung von Kindern unter 3 Jahren ist grundsätzlich verboten. Für Kinder unter 3 Jahren gilt das Jugendarbeitsschutzgesetz nicht, da man hier im Allgemeinen nicht von einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung ausgeht. Kinder können allenfalls in ihren natürlichen Lebensäußerungen fotografiert oder gefilmt werden, dies liegt im Verantwortungsbereich der Eltern. Aber was heißt das? Gehört es zu den „natürlichen Lebensäußerungen“ eines Kleinkindes, wenn es zum „Polizeiruf“-Thrill eingesetzt wird und in den Armen der Schauspielerin zu imaginären, vom Drehbuch vorgeschriebenen Szenen meist schreiend abgelichtet wird Als Zuschauer kann man klar erkennen, dass in machen Szenen eine Puppe verwendet wurde. Aber es gibt dann eben auch diese Szenen, in denen das neugeborene Kind ein ganz unverwechselbares Gesicht hat. Du fragst dich, wie das wohl wäre, wenn du dieses Kind gewesen wärst und dann später irgendwann den Film sehen würdest, in dem du unwissentlich „mitgespielt“ hast. Kann sein, dass du dir dann verkauft vorkommst.

Denn so ist es ja auch. Der „Verantwortungsbereich der Eltern“ ist ja nicht ganz passiv. Es wird wohl nicht zufällig ein TV-Macher an der Haustür geklopft haben, um zu fragen, ob man nicht das frisch geborene Baby mal für den Krimi in der ARD filmen dürfe. Umgekehrt gesagt: Die Eltern werden sich vermutlich darum beworben haben, dass ihr Baby im Krimi eine Rolle bekam. Das ist dann Casting im zartesten Alter. Und es wird Geld bezahlt, an die Eltern. Wenn du das Kind gewesen wärst, würdest du später nachfragen, ob die Kohle auf einem Sparbuch zu deinen Gunsten einbezahlt wurde. Aber selbst dann wäre noch die Frage, was damals mit dir passierte. Im „Polizeiruf“ hatten ja Drehbuch und Dramaturgie vorgesehen, dass das Baby dauernd schreit. Wie geht das?  

Rebecca Bearman, die im Alter von zehn Monaten im 80er-Kultfilm „Willow“ spielte, erinnert sich: „Ich war allgemein ein braves Kind und habe nicht geweint. Sie wollten, dass ich weine, als ich auf einem Karren saß, weil ich ängstlich wirken sollte, aber ich lachte die ganze Zeit. Sie mussten mir Fläschchen geben und wieder wegnehmen, um mich zum Weinen zu bringen.“