Ein dümmeres Beispiel hätte sich Friedrich Merz nicht aussuchen können, um seinem Populismus zu frönen. Im Fußball würde man von einem klassischen Eigentor sprechen, quasi mit rechts versenkt. Wie kam der Mann denn ausgerechnet auf Zahnärzte? „Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300 000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen. Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“, behauptete Merz in der Talkshow des Fernsehsenders „Welt“. Die plumpe Idee dahinter, die jedem AfD-Politiker würdig sein könnte, ist klar: Die gegen uns, Ausländer gegen Deutsche. Keine Differenzierung, keine Fakten, nur plumpe Zuspitzung. Da ist dem CDU-Chef mal wieder eine Blombe rausgefallen. Das tut weh beim Zuhören.
Die Bundeszahnärztekammer ging auf Distanz. „Ich kann die Aussagen von Friedrich Merz ehrlich gesagt nicht nachvollziehen“, sagte der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Christoph Benz, der Wirtschaftswoche. „Dass sich Geflüchtete massenhaft in Deutschland die Zähne machen lassen, wie Friedrich Merz gesagt hat, das geht im Regelfall nicht.“ Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolge nur, „soweit dies im Einzelfall unaufschiebbar ist.“ Sagt die Bundeszahnärztekammer und so steht es auch wörtlich im Asylbewerberleistungsgesetz, Paragraf 4.
Aber auch wenn Asylbewerberinnen und geduldete Flüchtlinge (nach 18 Monaten Wartezeit) in die Krankenversicherung aufgenommen werden, bedeutet das alles andere als eine tolle Rundumversorgung. Das wissen ja auch alle Deutschen, die gesetzlich versichert sind. Denn gerade beim Zahnersatz, aber auch bei vielen Standardleistungen bei den Zahnärzten gibt es massive private Zuzahlungen. Sprich: Da muss der Patient tief in die eigene Tasche greifen.
Weil Friedrich Merz sich mit seinem Beispiel der „schönen Zähne“ so massiv vertan hat, wird sein dahinter steckendes Gedankengut umso deutlicher. Er greift einfach nur das Geschwätz an diversen Stammtischen auf, weil er glaubt, dass er so bei den Stammtischbrüdern Eindruck schinden kann. Fehlt nur noch, dass es aus der Union heißt: Was Merz sagt ist das, was „das Volk“ denkt. Dann sind CDU/CSU und AfD in ihren Verlautbarungen identisch. Aber jeder „im Volk“ weiß aus seinem Alltag, dass sein Problem nicht ist, dass Flüchtlinge ihm die Termine beim Zahnarzt wegnehmen. Sondern dass es oft gar nicht bezahlbar ist, zum Zahnarzt zu gehen. Weil die Kassen – für Deutsche wie Flüchtlinge – hier wenig Kosten übernehmen. Weil hierzulande die „schönen Zähne“ immer noch vorrangig als kosmetische Korrektur angesehen werden und dies dann jeder selber zahlen soll. Deshalb weiß jeder „im Volk“, dass man hier Flüchtlinge und Deutsche gar nicht gegeneinander ausspielen kann – weil es beiden identisch ergeht. Sprich: Rhetorisches Eigentor von Merz, der wohl keine zwei Minuten den Kopf eingeschaltet hat, bevor er ausgerechnet dieses Beispiel für sein Aufwiegeln wählte.
Und die Logik des Aufwiegelns von Merz geht ja immer so, dass er möglichst wuchtige Beispiele wählt (oder eher erfindet), um dann die Ampel-Regierung und Kanzler Scholz als „Katastrophe für unser Land“ hinzustellen. Er schielt auf die Zustimmung der „deutschen Bürger nebendran“, die angeblich keine Termine beim Zahnarzt kriegen, weil er aus allen Poren die eine Botschaft ausschwitzt: „Ich wäre der bessere Kanzler!“
Es ist inzwischen eine ganze Kette von Merz-Aussagen, etwa zum „Sozialtourismus“ ukrainischer Flüchtlinge, oder zu den „kleinen Paschas“, wie auch zum Umgang mit der AfD in den Kommunen oder zur CDU als „Alternative für Deutschland mit Substanz.“ Aber weil Merz es eben an „Substanz“ fehlen lässt, ist es längst ein offenes Geheimnis, dass Merz in der CDU umstritten ist. Viele fragen sich in seiner Partei, ob man Merz überhaupt als Kanzlerkandidaten aufstellen kann. Zähneknirschen vorhersehbar!