Wenn der Berliner Bär mit dem Söder-Löwen kämpft

Die CDU hat sich auf ihrem Parteitag geschlossen gezeigt und Friedrich Merz als Chef wieder gewählt. Das heißt aber nicht, dass ihr Programm politische Realität werden wird.

Fotomontage: Adrian Kempf

Die CDU hat es gemacht, wie wir das aus dem Supermarkt kennen, nur umgekehrt. Nach der erneuten Wahl von Friedrich Merz zum Chef der Partei, wurde überall das Ergebnis als „mit knapp 90 Prozent“ beschrieben. Kam natürlich aus der Presseabteilung der CDU. Laut CDU-Zählung, in der Enthaltungen nicht berücksichtigt werden, lag die Zustimmung bei 89,81 Prozent. Vor zwei Jahren hatte Merz noch  95,33 Prozent der Stimmen bekommen. Jetzt also 89 und Äpfelbutzke. Da stand keine 90 vor dem Komma. Wenn trotzdem von „rund 90 Prozent“ die Rede war, dann wurde halt aufgerundet. Das Ziel der 90 Prozent plus X hat Friedrich Merz somit zwar verfehlt. Er sagte nach seiner Wiederwahl trotzdem, er bedanke sich „für das großartige Vertrauensvotum“. Wenn wir im Supermarkt vor unserem Lieblingsdings stehen, das nur 4,99 Euro kostet, im Superangebot, dann glauben wir ja auch eher der Vier und sagen uns nur sehr schleppend dass es knapp fünf Euro sind.

 
Das Ergebnis der Wiederwahl von Merz zum CDU-Chef war natürlich trotzdem ein gutes Ergebnis. Vielleicht sogar besser, als mancher es erwartet hatte. Vor allem die Merz-Unterstützer unter den Delegierten dürften das Ergebnis als Rückenwind für den CDU-Vorsitzenden in der K-Frage werten. Neben Merz werden nach wie vor CSU-Chef Markus Söder und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt. Und über diese Frage wurde ja nicht abgestimmt. Noch nicht.

Das Bild vom „Berliner Bären und dem Münchner Löwen“. 

Als Markus Söder gerade eine Dreiviertelstunde zu den Delegierten des CDU-Parteitags gesprochen hatte, Kritik an den Grünen, an der Ampel und am Kanzler, das übliche Blabla des CSU-Chefs, kam Friedrich Merz auf die Bühne mit einem Gastgeschenk und einer Geschichte. Er habe Söder einen Berliner Bären in der neuen CDU-Farbe mitgebracht, sagt Merz. Türkisblau – ähnlich, aber eben nur ähnlich dem bayerischen Blau. Und die dazugehörige Geschichte geht laut Merz so: Der Bayerische Löwe und der Berliner Bär, das seien bekanntermaßen beides Raubtiere. Der Löwe sei ein bisschen kleiner und leichter als der Bär. Die beiden hätten weitgehend unterschiedliche Lebensräume und würden sich in der Regel nicht miteinander anlegen. Das bekomme dem einen und dem anderen nicht. Deswegen gingen sie sich, wenn es um die Verteidigung von Jagdgebieten gehe, aus dem Weg. Aber es gebe eine Gemeinsamkeit von Löwe und Bär: „Allen anderen sei herzlich und dringend anempfohlen, sich weder mit dem einen noch mit dem anderen anzulegen.“ Zuvor hatte Söder in seiner Rede gesagt: Die CSU profitiere von der CDU. „Ohne einander geht es nicht.“ Aber es sei sicher auch für die CDU manchmal ein Vorteil, „eine überwiegend freundliche Schwester CSU“ zu haben. Wer bitte denkt da nicht an das Drama vor der letzten Bundestagswahl, als Söder den CDU-Chef Laschet ständig attackierte? Will er jetzt also „freundlicher“ sein? CDU und CSU seien sich nahe wie lange nicht, sagte Söder dazu. „Zwei Parteien, ein großes Team.“ Jetzt müsse man sich unterhaken. „Lassen Sie uns anfangen, den Deutschen zu sagen: Es kann alles wieder besser werden.“ Aber hallo! Das mit dem „unterhaken“ ist doch ein typischer Scholz-Satz, den dieser bei jeder Gelegenheit erzählt. Will Söder also doch in dessen Fußstapfen als Kanzler treten? 

Die Botschaft von CDU-Chef Merz.

Viele Menschen hätten Angst, sagte Merz in seiner Rede vor seiner Wiederwahl, und dieser Angst wolle die CDU ein Zeichen der Zuversicht und des Mutes entgegensetzen: „Wir sagen den Menschen: Die Probleme unserer Zeit sind lösbar.“ Als zentrale Aufgabe bezeichnete es Merz, für die Freiheit zu kämpfen und damit den Frieden auf dem europäischen Kontinent zu wahren und zu sichern. „Frieden entsteht aber nicht allein durch Friedfertigkeit“, sagte Merz vor allem in Richtung der SPD, Frieden erfordere mehr als 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr. Damit war sofort der Grundgedanke klar: Den teils verunsicherten Wählern zu versprechen, dass mit Merz als Kanzler (?) und der CDU eine Verlässlichkeit einkehre. Wie genau in diesen Zeiten? Keine klaren Aussagen dazu. Woher kommt das Geld, das laut Merz die Bundeswehr dauerhaft mehr benötige? Wo doch Merz bisher die Schuldenbremse nicht reformieren mochte (natürlich um Scholz und seiner Ampel zu schaden). 

Nun ja, im Zweifelsfall soll das Geld bei den Sozialleistungen eingespart werden. Merz bekräftigte das Ziel seiner Partei, das von der Ampelkoalition reformierte „Bürgergeld“ in der bestehenden Form wieder abzuschaffen. Stattdessen forderte er eine „Agenda für die Fleißigen in Deutschland“. Die CDU wolle eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, „die verlässlich ist und die vor allem die Fleißigen nicht bestraft, sondern belohnt“. Nun ja, das zielt darauf ab, Arbeitnehmer (vor allem im unteren Lohnbereich) gegen Arbeitslose auszuspielen. Verlässlich an dieser Wirtschaftspolitik wäre in jedem Fall, dass beide Gruppen unter Druck genommen werden. Dabei werden auch „die Fleißigen“ nicht wirklich belohnt. Die CDU widerspreche allen, die „von einem Schlaraffenland träumen, in dem höhere Löhne, mehr Freizeit und mehr Sicherheit gleichzeitig zu haben sind,“ so Merz.  Sprich: Alle sollen mal strampeln, die Geringverdiener wohl noch mehr als andere. Ja okay, ist wenigstens ein klarer Plan.
 
Was sieht das Grundsatzprogramm der CDU vor?

Das Grundsatzprogramm der CDU umfasst so ziemlich alle Politikfelder. Die CDU will auf die Atomkraft als Option nicht verzichten, schnellere Gerichtsverfahren durchsetzen, Überstunden steuerfrei stellen oder ein verpflichtendes Vorschulprogramm für Kinder mit Förderbedarf einführen. Lange umstritten war auch innerhalb der Partei die Positionierung der CDU zum Islam. Im ursprünglichen Entwurf für das Grundsatzprogramm stand noch: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Das war vielen CDU-Politikern zu absolutistisch. Im Grundsatzprogramm heißt es jetzt: „Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft. Viele von ihnen haben in Deutschland schon seit Jahrzehnten eine neue Heimat gefunden.“ Und weiter: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

Der Parteitag hat sich außerdem in der Migrationspolitik für das sogenannte „Konzept der sicheren Drittstaaten“ ausgesprochen. „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen“, heißt es jetzt im Grundsatzprogramm. Wird der Asylantrag positiv beschieden, soll besagter Drittstaat „dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren“. Das heißt: Die Asylberechtigten sollen auch in diesem Fall nicht nach Europa einreisen dürfen.

Als drittes Ausrufezeichen will die CDU die Wehrpflicht wieder einführen. Im Grundsatzprogramm heißt es nun: „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen. Bis zu dieser Umsetzung fordern wir zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr die Einführung einer Kontingentwehrpflicht.“ Letzteres bedeutet, dass die Bundeswehr jedes Jahr ermitteln soll, wie viel Personal sie braucht. Dann soll der jeweilige Jahrgang entsprechend dieser Zielgröße gemustert werden.

Insgesamt hat sich die CDU auf dem Parteitag geschlossen gezeigt. Das heißt aber nicht, dass ihr Programm Realität wird. (Siehe: „Das „nerven“ wird länger bleiben).