Der Mann wurde erstmals und vielleicht auch letztmals positiv auffällig, als er auf einem Selfie von Grünen und Liberalen mit drauf war, als diese sich an einem unbekannten Ort trafen, um die Grundlagen für eine mögliche Ampelkoalition zu legen. Volker Wissing war mit Christian Lindner da auf Annalena Baerbock und Robert Habeck getroffen. Das Vierer-Foto wurde berühmt. Es sollte für Aufbruch und Zuversicht stehen. Es erweckte sogar den Eindruck, dass die FDP und die Grünen der eigentliche Motor einer möglichen Ampel seien, während Wahlsieger Scholz und seine SPD halt zu ihrem Glück gezwungen werden mussten. Man versicherte sich gegenseitig, dass eine Modernisierung Deutschlands nur von FDP und Grünen ausgehen könne. Volker Wissing wurde dann Verkehrsminister in der Ampel und die Grünen bezichtigen ihn jetzt sogar des „Gesetzesbruches.“
Der Grünenpolitiker Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünenbundestagsfraktion wirft Wissing einen Bruch des Klimaschutzgesetzes vor. „Verkehrsminister Wissing rutscht immer tiefer in die Gesetzeswidrigkeit, wenn sein Ministerium nicht endlich ernsthaft an der Umsetzung der Klimagesetze arbeitet“, sagte der Grünenpolitiker.
Aktueller Hintergrund ist Wissings neuste Drohung, das EU-Verbrenneraus abzulehnen. Kurz vor dem formalen Beschluss zum Verbrenner-Aus in der EU stellte Bundesverkehrsminister Wissing die Einigung und die deutsche Zustimmung infrage. Für ein Ja Deutschlands erhob der FDP-Politiker plötzlich Forderungen. Dabei ist es allerdings so, dass in der EU die Entscheidung eigentlich längst gefallen ist, dass von 2035 an Schluss sein soll mit dieser Antriebsart in Europa, zumindest was Neuwagen angeht. Tatsächlich hatten sich sowohl die Europäische Kommission, als auch alle 27 Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament auf diesen Schritt verständigt. Und zwar bereits im Herbst vergangenen Jahres. Schließlich will die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden.
Wissing kam also reichlich spät um die Ecke, wenn er nun mit einem Veto drohte. Er führte dabei Argumente an, die auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) teilt. „Wir brauchen jede technologische Lösung. Die batteriebetriebenen Antriebe, Wasserstoff-Brennstoff-Zellen, aber eben auch synthetische Kraftstoffe“, sagte Wissing. Nur so könnten die ambitionierten Klimaschutzziele erreicht und die Gesellschaft mobil gehalten werden. „Die EU Kommission soll eine Regulierung vorlegen, die es ermöglicht, dass Verbrennungsmotoren in Europa nach 2035 zugelassen werden können, wenn sie nachweislich nur mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden können“, forderte Wissing, weshalb die Abstimmung in der EU verschoben wurde. Das brachte ihm scharfe Proteste von der grünen Bundesumweltministerin Steffi Lemke ein. „Die Bundesrepublik sollte auf europäischer Ebene verlässlich agieren und sich an bereits getroffene Zusagen halten“, sagte Lemke. Sie wies darauf hin, dass die geplanten Regelungen der EU „in langen Verhandlungen abgestimmt und beschlossen“ worden seien. Man sollte „nicht in letzter Minute davon abrücken“, so Lemke weiter.
War Wissings später Vorstoß womöglich eine politische Nebelkerze, die vor allem in der Auseinandersetzung der Ampel in Deutschland zünden sollte? Diese Version verbreitet – selbstredend mit Hochgenuss – die Union. „Volker Wissings Veto-Drohung soll nur davon ablenken, dass die FDP beim Verbrennerverbot von ihren Ampelpartnern über den Tisch gezogen wurde: Schon mit dem Ampel-Koalitionsvertrag hat die FDP das Verbrennerverbot nämlich de facto mit beschlossen“, sagte der CDU-Europaparlamentarier Jens Gieseke.
Jedenfalls düst Verkehrsminister Volker Wissing mit Höchstgeschwindigkeit zurück in die 1960er-Jahre. Er will nun den Autobahnbau sogar wieder beschleunigen, etwa rund um Frankfurt alles fünfspurig machen. Der Mann versteht unter „Verkehr“ nur „Verbrenner“ und den neu zu legenden Asphalt. Ein Aufbruch in eine Zukunft der FDP wird das kaum sein.