Es gibt ja das Sprichwort über jene, die „das Fell des Bären verteilen, bevor er erlegt wurde.“ Und genau so mutet die jüngste Diskussion über die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch an. Denn ständig ist davon die Rede, wer denn das Geld bekommen soll – Landwirte, um ihre Ställe für mehr Tierwohl umzubauen –, noch bevor überhaupt klar ist, ob es durch die Erhöhung der Steuer überhaupt zu nennenswerten Mehreinnahmen kommen würde. Schließlich ist auch möglich, dass Verbraucher dann deutlich weniger Fleisch kaufen, ganz einfach weil es zu teuer ist. Ganz schräg ist dabei auch, dass gerade jene Bio-Betriebe unter einer erhöhten Mehrwertsteuer zu leiden hätten, die heute schon Kosten und Mühe in Kauf genommen haben, um jene Standards zu verwirklichen, die bei anderen dann bezuschusst werden sollen. Denn die Bio-Produkte, die ja heute schon echt teuer sind, würden durch eine Erhöhung der Steuer prozentual am meisten verteuert.
Mal ganz davon abgesehen, dass es ja immer hieß, dass es keine Steuererhöhungen geben werde, in der insgesamt ohnehin eher angespannten Situation in Deutschland. Aber klar kann man sich um diesen Punkt herum mogeln und sagen, dass es ja nicht der Steuerzahler, sondern der Verbraucher sei, der die Mehrkosten zu tragen hat. Wird ja schließlich keiner gezwungen, Fleisch zu verbrauchen. Und wer nur Gemüse isst, hat dann auch keine Steuer zu tragen – im Gegenteil gibt es sogar die Idee, die Mehrwertsteuer auf Gemüse zu reduzieren oder ganz fallen zu lassen, quasi als Ausgleich für die geplante Erhöhung beim Fleisch. Da nun aber mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein Grüner die Verantwortung trägt, kann man sich denken, was daraus die Opposition wieder macht. Bevormundung durch die Grünen, Veggie Day und so.
Das wird den eher komplexen Fakten in der Debatte allerdings gar nicht gerecht. Denn der Vorschlag zu einer Mehrwertsteuer-Erhöhung auf Fleischprodukte kam von der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ (ZKL). Dieses Gremium, dem zum Beispiel der Deutsche Bauernverband, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Tierschutzbund angehören, hat seine Vorschläge bei einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) vorgetragen. Eingesetzt wurde die Zukunftskommission erstmals von Angela Merkel, ohne dass sich seit damals in der Politik etwas bewegt hätte.
Im positiven Sinne, durch die berühmte rosarote Brille betrachtet, könnte man also die ZKL als Vorbild dafür ansehen, wie man in einem freien, demokratisch verfassten Staat Kompromisse finden kann. Sie könnte einen großen gesellschaftlichen Konflikt befrieden. Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes sei einfacher als eine neue Verbrauchssteuer einzuführen, schreiben die Experten: „Die Umsetzung wäre vergleichsweise einfach, weil kein neues Politikinstrument geschaffen, sondern lediglich ein Steuersatz einer bestehenden Steuer angepasst werden muss.“
Nun ja, die Probleme folgen auf dem Fuße. Bauern-Verbandspräsident Joachim Rukwied erklärte: „Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab. Das Geld für den Tierwohlumbau muss aus dem Bundeshaushalt kommen.“ Er sagte dies, obwohl sein Verband ja in der ZKL mit am Tisch sitzt. Denn klar: Geld vom Bund, ohne die Verbraucher zur Kasse zu bitten, wäre den Bauern recht. Nennt man bauernschlau. Cem Özdemir kritisierte diese Haltung: „Was nicht geht, ist, jeden machbaren Vorschlag abzulehnen und keine konsensfähige Alternative vorzulegen.“ Und diese Aussage des grünen Bundeslandwirtschaftsministers lässt sich auch als Botschaft an den Koalitionspartner FDP verstehen. Denn diese beharrt ja besonders in Person von Finanzminister Christian Lindner nicht nur auf die rigide Einhaltung der starren Schuldenbremse (was dem Bund finanzielle Spielräume verwehrt), sondern will auch keine Steuererhöhungen akzeptieren. Ob dies auch für eine Verbrauchersteuer auf Fleisch gilt, war zuletzt noch offen.
Es kann also durchaus sein, dass die aktuellen Vorschläge der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ keineswegs in der Gegenwart zur Umsetzung kommen, sondern nur dem politischen Schaulaufen aller Parteien mit Blick auf neue Wahlen dienen. Der Kulturkampf ums Essen lässt grüßen und der Preis für Schweinebraten und Bratwürste kann mehr Wählerstimmen einbringen als der Kampf um Tierwohl. Und dabei ist dieses Wort schon fast ein Euphemismus. Und beim Sprichwort des Bären, der erst mal erlegt sein will, schwingt ja immerhin mit, dass er in Freiheit lebte und sich zu wehren weiß. Rette sich, wer kann.