Dieses Geschenk hatte es in sich. Wenn Olaf Scholz nun also der Spielmacher beim SC Freiburg ist, dann muss man ihn sich – allein schon wegen seiner Körpergröße, sprich niedriger Schwerpunkt – als einen Dribbler vorstellen. Böse Zungen mögen behaupten, dass die neue Nummer Zehn des SC dafür allerdings beim Torabschluss etwas zögerlich sein könnte. Wie passend, dass der Kanzler beim anschließenden Bürgergespräch im SC-Stadion direkt unter einem Foto von SC-Dribbel-Legende Alexander Iashvili saß, der immerhin 1,75 Meter groß war, während der Olaf es nur auf 1,70 Körpergröße bringt. Tatsache ist jedenfalls, dass der SC Freiburg die Rückennummer 10 schon ewig nicht mehr vergeben hat, vermutlich weil man nicht an den einen Spielmacher glaubt, der alles steuern könnte. So gesehen war das Geschenk doch sehr passend für den Kanzler. Und es sollte nicht das letzte „Scherzle gmacht“ sein, das Scholz in Freiburg begegnete. Dafür sorgte allein schon Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn.
In dessen Rede zum symbolischen Spatenstich des neuen Freiburger Stadtteils Dietenbach sagte Horn: „Für ganz Deutschland kann man sagen: Wir brauchen wahrscheinlich 20 neue Stadtteile in den meist gefragten Städten und Regionen – so wie in den 70-er Jahren.“ Das sagte unser Bundeskanzler, das sagten Sie, sehr geehrter Herr Scholz, vor einigen Wochen. Und genau das haben wir hier in Dietenbach vor! Wir bauen einen neuen Stadtteil, in einer sehr gefragten Stadt. Wir bauen einen neuen Stadtteil mit rund 7.000 Wohnungen für etwa 16.000 Menschen. Herr Scholz, Sie sehen: Wir haben Sie gehört!“ Nach kurzer Pause, mit Augenzwinkern, fuhr Martin Horn fort: „Aber Spaß beiseite, den Stadtteil planen wir natürlich schon viel länger.“
Der Spatenstich zu Dietenbach als politisches Signal
Der Grund für den ja eher seltenen Besuch des Kanzlers in Freiburg und anschließend Emmendingen war natürlich das politische Signal, das vom Spatenstich des neuen Freiburger Stadtteils ausgehen sollte. Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn lieferte in seiner Rede eine hübsche Vorlage für Kanzler Scholz, indem er das ja lange umstrittene Dietenbach-Projekt in den modernsten Tönen lobte: „Mit Dietenbach bauen wir einen Stadtteil, der zu uns passt, mit unverkennbarem Gesicht und Freiburger Charakter. Wir bauen einen Stadtteil, der Vorbild werden soll. Vorbild für Umweltschutz und nachhaltige Mobilität. Vorbild für soziale Infrastruktur. Und vor allem: Vorbild für bezahlbares Wohnen. (…)
Auch der Umwelt- und Klimaschutz wird in Dietenbach eine zentrale Rolle spielen. Konkret bedeutet das: Unser neuer Stadtteil soll klimaneutral werden. Ein ganzer Stadtteil für rund 16.000 Menschen soll klimaneutral werden! Und wie wollen wir das schaffen? Mit innovativen Ideen, mit energieeffizienten Gebäuden, mit Photovoltaik auf nahezu allen Dächern und vielen Fassaden und mit einem Wärmenetz, das mit erneuerbaren Energien und Abwärme gespeist wird“, so Horn.
Ja wenn da des Kanzlers Herz nicht höher schlug! Wenn es nur überall in Deutschland so wäre und man dann auch noch so tun könnte, dass dies das „neue Deutschland-Tempo“ sei, das von der Ampelregierung unter Scholz ausgeht. Aber als Horn fortfuhr, was die Vorzüge des neuen Stadtteils angehe, wird der Kanzler schon gemerkt haben, dass Freiburg nicht überall ist. „Ein wichtiger Fokus liegt außerdem auf nachhaltiger Mobilität: Dietenbach bekommt mit dem 1. Bauabschnitt einen Straßenbahnanschluss. Und Freiburg-Style: Wir bauen 15 Kilometer Radwege. Und gestalten die Wohnstraßen weitgehend autofrei“, so Martin Horn. Da wird Scholz wohl kurz an seinen Koalitionspartner FDP gedacht haben. Freiburg ist halt Freiburg, und nicht Berlin.
Diesen Gedanken griff Horn ebenfalls auf: „Meine Damen und Herren, Freiburg ist deutschlandweit bekannt für Sonnenschein, für Lebensqualität, für Nachhaltigkeit. Aber Freiburg hat noch sehr viel mehr zu bieten: Freiburg ist eine der jüngsten Städte in ganz Deutschland. Und Freiburg ist ein starker Wissenschaftsstandort. Wir haben hier eine der ältesten Universitäten, wir haben mit mehr als 15.000 Mitarbeitenden eine der größten Unikliniken in ganz Deutschland und wir sind – mit fünf Instituten – der größte Fraunhofer-Standort in Deutschland. (…) Und für alle diese Menschen, die bei uns arbeiten, und auch für die, die studieren und in Ausbildung sind, für die, die gerade geboren werden und aufwachsen, für die, die schon im Ruhestand sind, für die Menschen, die bei uns leben – bauen wir unseren neuen Stadtteil“, so Horn.
In seiner Rede betonte Olaf Scholz vor allem das Signal, das hier von Freiburg ausgeht. „Es sollte jetzt auch losgehen, und es sollte deshalb auch eine Ermutigung sein, dass das heute hier mit dem Spatenstich beginnt, eine Ermutigung, es nachzumachen und sich auf die langen Wege und langen Reisen zu begeben, die dazu notwendig sind. Denn auch wenn wir mit dem Baurecht alles einfacher machen, wird es so sein, dass solche Projekte lange geplant werden müssen, dass viele mitreden und mitgestalten, und wird es so sein, dass man die Bürgerinnen und Bürger überzeugen muss. Das ist das ganz Besondere an diesem Projekt, dass es die Entscheidung der Bürger schon gegeben hat, dass es eine Mehrheit gewesen ist, die gesagt hat: Wir wollen das. Das zeigt, dass unsere Demokratie nicht nur von denjenigen getragen wird, die immer auf ihre eigenen Interessen schauen, sondern von einem Gemeinschaftsverständnis, von einem Verständnis für künftige Generationen. Darum ist das heute ein guter Tag für Deutschland. Nicht meckern, sondern machen!“
Wie kam Scholz an?
Na ja, er kam mit dem Helikopter geflogen, ins idyllische Tierreich Mundenhof. Das ist irgendwie schon im Widerspruch zu den geplanten15 Kilometern Radwege in Dietenbach. Sagen wir so: Der Fußabdruck des Kanzler-Besuchs wird nicht gerade ideal gewesen sein, in Bezug auf Klima und Umwelt. So gesehen habe vielfältige Proteste von Gegnern des Dietenbach-Projektes indirekt neue Nahrung erhalten. Aber es ist halt auch so, dass die Sicherheitsvorkehrungen für solch einen Abstecher des Kanzlers nach Südbaden unbeschreiblich sind, und dies wohl leider aus gutem Grunde.
In Emmendingen, auf Einladung des Emmendinger Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner (SPD) zuerst im Deutschen Tagebucharchiv und dann zwei Stunden lang in einem Bürger-Dialog im alten Rathaus schien sich Scholz recht wohl gefühlt zu haben. Wer weiß, ob ihn da jemand gefragt hat, wie er sich als Spielmacher so fühlt? Und wenn er dann an Christian Lindner gedacht hat, ist das ja gar nix gegen SC-Trainer Christian Streich, der ihm die unmögliche Sache mit der Zehn wahrscheinlich noch erklären wird.