Es gibt ihn noch, den Versprecher, der dann alles offenbart. Zum Abschluss der Klausur der CDU sagte also Parteichef Friedrich Merz er wolle gleich von sich aus klarstellen: „Wir sprechen uns ausdrücklich nicht gegen den Bau neuer Kernkraftwerke aus.“ Erst als irritierte Journalisten später nachfragten, merkte Merz, dass er sich versprochen hatte und korrigierte: „Wir sprechen uns ausdrücklich nicht für den Neubau von Kernkraftwerken aus.“ Interessant war dabei aber die Frage, wieso Merz das überhaupt klarstellen wollte. In einem Entwurf einer „Weimarer Erklärung“ war nämlich der Satz gestanden (der dann kurzfristig daraus gestrichen wurde), dass „eine vorurteilsfreie Prüfung des Baus neuer Kernkraftwerke der modernsten Generation“ nötig sei. Aber wer hat diesen Satz ins Leben gerufen? Das war Merz selbst, meinen manche.
Die CDU-Klausurtagung hatte Parteichef Merz ja auch anderweitig belastet, als er kurz zuvor in der Talkshow „Markus Lanz“ in Bezug auf die Silvesterkrawalle in Berlin mal wieder seine populistischen Ansätze über Migration zum Besten gab. Friedrich Merz behauptete einfach, zwei Drittel der Gewalttäter kämen „grob nicht aus Deutschland“ – obwohl die Polizei angibt, dass zwei Drittel der Randalierer Deutsche sind. Merz macht daraus „Leute, die in Deutschland eigentlich nichts zu suchen haben. Die wir hier seit längerer Zeit dulden, die wir nicht abschieben“.
Die Stoßrichtung ist klar erkennbar. Ob bei seiner Äußerung über den „Sozialtourismus“ von ukrainischen Flüchtlingen, ob bei seinem Satz über „kleine Paschas“ – Merz zielt auf AfD-Wähler. Die mit Händen zu greifende Absicht hinter solchen Merz-Sätzen und die dumpfe Wortwahl stößt ja selbst Wähler ab, die beispielsweise bezüglich der Silvesterrandale in Berlin (und anderswo) selbst über die Krawalle erschüttert sind und ein härteres Durchgreifen des Staates fordern. Aber bitte nicht so doof für eigene Zwecke daher reden! Damit erreicht Friedrich Merz zwar innerhalb seiner eigenen Partei viele, die Beifall klatschen. Wählerpotenziale außerhalb der Stammklientel lässt er dabei aber außen vor.
Und das ist auch innerhalb der CDU nicht unumstritten. Generalsekretär Mario Czaja schlug vor: Um wieder eine Chance aufs Kanzleramt zu haben, sollte sich die CDU um drei Gruppen kümmern, bei denen die Partei derzeit „Akzeptanzprobleme“ habe: Frauen, junge Familien mit Kindern und Migranten. Denn es gibt in Deutschland fast acht Millionen Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund. Das ist ein gewaltiges Reservoir an möglichen Stimmen. Wenn aber der Parteivorsitzende Merz sich ständig nur um AfD-Wähler bemüht und sich die Berliner CDU die Vornamen der deutschen Verdächtigen geben lassen will, dann kommt das vermutlich bei den potenziellen Wählern in diesem Bereich nicht gut an.
Obwohl die Ampelkoalition ja so ihre Probleme hat, glauben laut Politbarometer lediglich 21 Prozent der Bürger, dass die Union besser regieren würde. Merz sagt, er wolle, dass die Partei ihre „wirtschaftspolitische Kompetenz zurückgewinnt.“ Dummerweise räumt er damit aber auch ein, dass die CDU diese verloren hat. „Wir hatten inhaltliche Leerstellen“, so der CDU-Generalsekretär Czaja nach der Klausur in Weimar. Und das war kein Versprechen.