Kippt das Klima schon 2030?

Jahr für Jahr Temperatur-Rekorde. Jedes Jahr mehr Waldbrände. Und immer brennender die Frage: Wieviel Zeit bleibt uns noch? Schaffen wir den gesellschaftlichen Wandel?

Bild: SaskiaUppenkamp

Während manche in den Debatten um das Heizungsgesetz oder um die Verkehrswende ein langsameres Vorgehen fordern, schlagen Wissenschaftler:innen Alarm: Schon 2030 kann zum Klima-Schicksalsjahr werden!

Heizungstausch zu den klimafreundlichen Wärmepumpen? Zu schnell! Umstieg auf Elektrofahrzeuge und Öffentlichen Personennahverkehr? Nichts überstürzen! Ausbau der Erneuerbaren Energien? Erst einmal prüfen! Die Gelassenheit im gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland wird scharf konterkariert durch wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen schon in sechseinhalb Jahren einige Folgen des Klimawandels nicht mehr aufzuhalten sein werden. Denn im Jahr 2030 – wenn die globalen Durchschnittstemperaturen um 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gestiegen sein werden – drohen die ersten vier Kipppunkte erreicht zu sein: das teilweise Abschmelzen der grönländischen und westantarktischen Eisschilder, das Absterben der tropischen Korallenriffe sowie das Tauen des Permafrost-Bodens. Jenseits solcher Kipppunkte entwickelt der Klimawandel eine Eigendynamik durch Rückkopplungsprozesse, wodurch eine Entwicklung unaufhaltsam wird. 

Wenn etwa die Böden Sibiriens, Nordeuropas und Nordamerikas auftauen, entweichen große Mengen an in den Böden eingeschlossenen klimaschädlichen Methan und Kohlendioxid. Dies verstärkt den Klimawandel und führt – selbst wenn der Ausstoß an Klimagasen durch den Menschen nicht weiter steigen sollte – zu einer weiteren Beschleunigung der globalen Erwärmung. Und: Durch das Tauen des Eises entstehen neue Seen, die wiederum Wärme speichern – und diese führt zum Auftauen weiterer Bodenschichten. Dieser Kipppunkt ist bereits jetzt sichtbar.

Die bislang eingeführten Maßnahmen zum Klimaschutz würden die Erwärmung bestenfalls auf 2,6 Grad begrenzen. „Wir haben das Steuer der Titanic ein bisschen bewegt und das Schiff ändert den Kurs – ist aber noch immer auf Kollisionskurs mit dem Eisberg. Wir müssen das Steuer deutlich schneller umlegen, jetzt – weil Jahrzehnte verspielt worden sind“, warnt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in einem ZDF-Interview. Es braucht also deutlich mehr Tempo bei Klimaschutz und Energiewende.

Insbesondere wegen der Gefahren, die das Erreichen der Kipppunkte mit sich bringen, ist das Jahr 2030 für die deutsche und internationale Politik wie auch für die Klimaforschung ein wesentlicher Gradmesser zur Erreichung der Klimaschutzziele. Dazu müsste Deutschland die Geschwindigkeit der CO2-Reduktion insgesamt mehr als verdoppeln. Im Verkehrssektor müssten die Emissionen gar 14-fach so schnell sinken wie bisher. Für den gesellschaftlichen Transformationsprozess bedeutet dies auch, dass die Strategien zur Emissionsminderung bis 2030 stehen müssen, um einen konsequenten Klimaschutz im Sinne der Pariser Verträge umsetzen zu können.

Beim Schönauer Stromseminar (1. und 2. Juli) geht es am Sonntag um dieses Schicksalsjahr 2030. Das Panel „Schaffen wir den gesellschaftlichen Wandel?“ will ergründen, warum die sich schließenden Zeitfenster bislang ignoriert wurden, und will die verbleibenden politischen und gesellschaftlichen Handlungsoptionen beleuchten: Reichen die Marktkräfte und der Emissionshandel, führt uns grünes Wachstum zum Ziel oder müssen wir uns auf eine Welt mit weniger Wachstum und Komfort einstellen? Wie stark muss der gesellschaftliche Druck werden und wie können wir ein atemberaubend hohes Transformationstempo gehen, ohne dass unsere Demokratie zerbricht?

Schönauer Stromseminar
Samstag, 01.07.2023 und
Sonntag, 02.07.2023

Mehr Infos unter: www.ews-schoenau.de/stromseminar