Keine Windmühlen

Die AfD-Frontfrau Alice Weidel konnte zuletzt ihr Glück wohl kaum fassen: Von Elon Musk gefördert, von Friedrich Merz in den Mittelpunkt gestellt und viel Sendeplatz bei ARD und ZDF.

Fotomontage: Adrian Kempf

Wie soll man es eigentlich halten mit den Sendeplätzen für die AfD-Frontfrau Alice Weidel? Diese konnte ja zuletzt ihr Glück kaum fassen, als sie zuerst von Elon Musk auf „X“ zur einzigen Rettung Deutschlands erklärt wurde (inklusive einem für sie sehr schmeichelhaften Interview auf dessen Plattform) und kurz darauf durch die Migrationsdebatte im Bundestag durch CDU-Chef Friedrich Merz zuerst zur Mehrheitsbeschafferin eines (rechtlich unbedeutenden) Antrags in den Mittelpunkt gerückt wurde, bevor sie dann sogar die Gelegenheit bekam, nach einer weiteren, dann gescheiterten, Abstimmung im Bundestag frontal über Merz und die Union herzufallen. „Friedrich Merz ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“, höhnte sie. Dann wurde sie zur besten Sendezeit bei Caren Miosga befragt und hatte dort also Gelegenheit, das altbewährte Muster in Vollendung zu präsentieren: Alice gegen alle, die AfD als Opfer der Mainstream-Medien. Und ja, das beherrscht Alice Weidel perfekt. Sie bleibt unbeeindruckt von allen provozierenden Nachfragen immer im AfD-Text. Sie ist das gesittete Gesicht einer Partie, die aggressiv das Land unterwerfen will. Nur wenn ihr mal eine Rede wütend entgleist, „Abreißen, abreißen“, dann verwechselt sie „Windmühlen“ mit „Windrädern“, worauf Caren Miosga sie sanft hinweist, wofür sich Alice Weidel mit eiseskalter Stimme bei Miosga dafür bedankt, „dass Sie das kontextualisiert haben.“ Mit Alice Weidel auf den Sendeplätzen von ARD und ZDF ist es, wie beim Slogan der AfD: „Alice für Deutschland.“ Denn der erinnert an die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“, wenn er laut und lange genug skandiert wird.

Ja klar kann man dann daraus auch den Witz machen, dass Weidel in ihrer eingespielten Wahlkampfrede von den „Windmühlen der Schande“ spricht, also quasi Don Quijote ist. Doch womöglich geht dieser Joke an der viel entscheidenderen Wahrheit vorbei. Denn Alice Weidel hat mitnichten wie Don Quijote völlig lächerliche, geradezu bedauernswerte Phantasien, der sich ja im Roman für einen edlen Ritter hält und glaubt, die Welt vor Unrecht retten zu müssen, der Windmühlen mit gefährlichen Riesen verwechselt und sie mit einer Lanze angreift. Denn die Lanze der AfD, die sich hinter der eiskalten Frontfrau Weidel als ein bisschen bürgerlich tarnt, hat in Deutschland bereits das Herz von rund 20 Prozent der Wähler durchbohrt.

Die AfD-Basis hatte zuvor Alice Weidel fast einhellig als Kanzlerkandidatin der Partei bestätigt. Der Bundesparteitag im sächsischen Riesa votierte in offener Abstimmung für die Vorsitzende von Partei und AfD-Bundestagsfraktion als Vorschlag für das Kanzleramt. In ihrer anschließenden Rede breitete Weidel die AfD-Pläne mit scharfen Formulierungen aus. Man werde die Grenzen „lückenlos schließen“ und „Rückführungen im ganz großen Stil durchführen“. Weidel trotze der Kritik an dem Begriff „Remigration“, der als Massenvertreibungen von Migranten scharf kritisiert worden war, verbunden mit der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bestimmter Zuwanderer. „Und wenn es Remigration heißen soll, dann heißt es eben Re-mi-gration“, rief Weidel. Zudem werde die Partei, wenn sie Regierungsmacht erlange, das Ende der Energiewende einleiten: „Nieder“ mit Windkraftanlagen. Institute, die sich mit Genderfragen beschäftigen, werden man schließen und deren Professoren entlassen. Diese Rede zeigte auch, wie stark sich die AfD derzeit fühlt

Die Rechtsaußen-Partei glaubt, sich das erlauben zu können in einer turbulenten Zeit, in der Donald Trump in den USA und FPÖ-Chef Herbert Kickl in Österreich mit ihren Krawallreden politische Erfolge feiern. Und diesen Beispielen folgt man nun, insbesondere den Freunden von der FPÖ, zu denen die Kontakte seit vielen Jahren dicht geknüpft sind. Kickl hatte „Remigration“ in seinem Wahlkampf ebenfalls offen vertreten, seine Rechtsaußen-Partei war auch mit solchen Vorstellungen vergangenen September im Nationalrat Österreichs stärkste Partei geworden.

Wenn es eng wird mit den Argumenten, dann zieht Weidel gerne die Karte, dass alle anderen (vor allem der Interviewpartner, erst recht wenn er den Mainstream-Medien angehört)  ihr halt nicht folgen könnten. Caren Miosga wies  Weidel darauf hin, dass die Windmühlen/-räder, die sie „niederreißen“ lassen wolle, „jemandem gehören“, also nicht in Besitz der Regierung, sondern von Firmen oder Einzelpersonen seien, und fragt: „Seit wann sind Sie für Enteignung?“ Typische Antwort von Weidel: „Das sind diese plakativen Fragen. Weil Sie nicht verstehen, worum es geht.“ Tja, ist das so? Kann man damit mehr Wähler gewinnen, indem man suggeriert, allein im Besitz der Weisheit zu sein? Sind wir alle schon Trump?