Die FDP hat geistreiche Leute in ihren Reihen. Etwa den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler, der sagte, dass „die Ampel wie ein Mühlstein um unseren Hals“ hänge. Das gibt gleich geradezu philosophische Rätsel auf (sprich: so ein Satz könnte auch vom grünen Welterklärer Robert Habeck stammen, aber der hat ja keinen Mühlstein am Hals, sondern Aufwind), wie etwa folgende: Wie kann die Ampel um den Hals der FDP hängen, wo die FDP doch selbst ein Teil der Ampel ist? Weil ohne FDP wäre die Ampel ja gar keine Ampel, sondern Rot-Grün. Und genau so wird es nach der Landtagswahl in Niedersachsen kommen, bei der die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Der FDP-Mann Schäffler wollte wohl sagen: Die FDP ist abgesoffen, mit Mühlstein um den Hals.
Aber warum war das so? Gretchenfrage! War es, weil die FDP im Bund nicht entschieden auf die Bremse trat und stattdessen das neue Doppelwumms-Paket mit absegnete, quasi unter Umgehung der Schuldenbremse, die da nur ausgetrickst wurde? Oder kostete es umgekehrt viele Wählerstimmen, weil die Menschen in Zeiten der existenziellen Krise (mindestens gefühlt) es der FDP und Lindner übel nahmen, dass die lange auf die knappe Haushaltslage verwiesen, statt klare Zeichen der Unterstützung zu senden?
Bei der FDP selbst überwogen nach der Mühlstein-Pleite in Niedersachsen jene Stimmen, die die Schuld bei den anderen suchten. Etwa der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, der ein anhaltendes Unbehagen unter den FDP-Anhängern mit der Koalition im Bund konstatierte. „Meine Partei hat nach wie vor große Probleme mit dieser Koalition“, sagte Djir-Sarai. Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte, ein großer Teil der FDP-Wähler „fremdelt mit der ‚Ampel‘ in Berlin“. FDP-Chef Christian Lindner blies ins gleiche Horn, wollte aber gleichzeitig staatsmännisch sein: „Wir sind in der Ampel-Koalition aus staatspolitischer Verantwortung, nicht weil SPD und Grüne uns von den inhaltlichen Überzeugungen so nahe stünden“, so Lindner. Ihm missfiel auch, dass die CDU in Niedersachsen „die FDP statt linker Politik bekämpft“ habe. Das müsse zu denken geben, twitterte Lindner.
Nun ja, aber wie Helmut Kohl schon sagte: Entscheidend ist immer, was hinten rauskommt. Wenn Lindner nun also nach vier Pleiten bei Landtagswahlen in Folge etwas „zu denken“ hat, sind alle gespannt, was denn die Konsequenzen seines Denkprozesses sind. Es gibt da althergebrachte Muster: Als die FDP im März den Einzug in den saarländischen Landtag verpasste, hieß es, die Aufgabe sei es nun, schleunigst das „liberale Profil“ zu schärfen. Als die FDP im Mai dann in NRW und Schleswig-Holstein aus der Regierung flog, erklärten die Führungskräfte, dies sei ein klares Signal, dass die „liberale Handschrift“ in der Koalition erkennbarer werden müsse. Und nun, nach dem Absaufen in Niedersachsen? Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte noch am Sonntagabend nach der Wahlschlappe: „Die Stimme der FDP in dieser Koalition muss noch deutlicher zu erkennen sein.“ Heißt für ihn: „Wir müssen verhindern, dass linke Projekte in dieser Koalition umgesetzt werden.“ FDP-Chef Lindner erklärte: „Wir sind in der Mitte. Deshalb werden wir uns die Frage vorlegen müssen in der nächsten Zeit, wie wir die entscheidenden Lösungsbeiträge der FDP, die Rolle der FDP in der Ampelkoalition so auch profilieren, dass die Wählerinnen und Wähler, die eine liberale Partei der Mitte unterstützen wollen, die FDP genau auch als diese Partei erkennen.“
Ist das wirklich des Rätsels Lösung? Schnell landet man da nämlich wieder bei der verqueren Logik des Mühlsteins. Wenn die FDP stets nur die Lehren zieht, ihr eigenes Profil mehr in den Vordergrund rücken zu wollen, diskreditiert sie gleichzeitig die Ampel-Koalition, deren Teil sie ja ist. Damit zieht sie sich automatisch selbst mit runter. Denn gerade in den extremen Krisenzeiten, die derzeit ohne Frage herrschen, braucht kein Mensch noch zusätzliche Mühlsteine. Und die Regierung, der man selbst angehört ständig als „links“ (igitt igitt) zu brandmarken, geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Die wollen Hilfe und Zusammenhalt.