Vier junge Männer zwischen 19 und 23 Jahren sind dabei in Freiburg in einem Neubau an der Kronenbrücke einen veganen Laden zu eröffnen. Venoi soll ihr Geschäft heißen, dessen Finanzierung zum Teil auch über eine Crowdfunding-Kampagne lief, bei der 16.000 Euro zusammen kamen. Im Gespräch erläutert Gabriel Langholf, einer der Geschäftsführer, wieso er auf sein Abitur verzichtet hat, um stattdessen einen Laden für vegane Ernährung zu eröffnen.
Ihr seid dabei einen rein vegetarischen Laden in Freiburg zu eröffnen, ohne Investoren als Rückhalt. Ihr seid alle noch sehr jung, wie könnt ihr das finanziell stemmen?
Gabriel Langholf: Das war uns ganz wichtig, das selbst hinzubekommen. Wir konnten einen Förderkredit bei einer Bank beantragen, der extra für Firmengründer ausgelegt ist, zu noch recht angenehmen Konditionen. Zum anderen hat uns eine Crowdfunding-Kampagne vergangenen Sommer geholfen. Dadurch haben wir unser Eigenkapital zusammen bekommen. Außerdem haben wir damit gesehen, es gibt über 150 Menschen, die uns finanziell unterstützen, es ist also eine Nachfrage da nach einem veganen Laden.
War es von Anfang an euer Wunsch euren Laden in einem Neubau, wie den an der Kronenstraße, zu eröffnen oder habt ihr ursprünglich mit einem Altbau geliebäugelt?
Gabriel Langholf: Tatsächlich hatten wir erst eine andere Ladenfläche in Aussicht, an der Johanneskirche. Dort ist aber jetzt ein Café rein gekommen. Wir mussten uns dann neu umschauen. Im Februar diesen Jahres hatten wir dann die neue Ladenfläche gefunden. Die Lage an der Kronenstraße 1, direkt gegenüber des Angell Zentrums, hat uns total gut gefallen. Als wir den Ort zum ersten Mal besichtigt haben, war das natürlich noch kompletter Rohbau. Ursprünglich sollte es bis Anfang des Sommers 2022 fertig gestellt sein, wir wollten im Juli eröffnen. In unserem Konzept gibt es ja freitags und samstags den Späti mit verlängerten Öffnungszeiten und mit gekühlten Getränken. So wollen wir einen Treffpunkt schaffen. Aber es gab massive Bauverzögerungen, auf die wir keinen Einfluss hatten.
Werdet ihr selbst im Laden stehen und verkaufen?
Gabriel Langholf: Auf jeden Fall. Wir drei Geschäftsführer werden von morgens bis abends im Laden stehen und erst mal die Aufgaben bewältigen, die auf uns zukommen. Wir haben das ja alle noch nie gemacht. Wir sind wirklich gespannt. Wenn wir dann mal das Tagesgeschäft besser abschätzen können nach einiger Zeit, wollen wir auch schauen, ob wir das Team ein bisschen vergrößern und damit auch anderen jungen Menschen die Möglichkeit geben können, da zu arbeiten.
Gibt es inzwischen einen fixen Termin für die Geschäftseröffnung?
Gabriel Langholf: Fest steht, dass der Laden im Dezember eröffnen soll. Aber welcher Tag genau das sein wird, das können wir leider noch nicht sagen. Das wüssten wir selbst auch unfassbar gerne. Das ist leider auch von Seiten des Vermieters noch nicht ganz klar.
Abgesehen davon, dass Ihr alle überzeugte Veganer seid, was macht Euch so sicher, dass Euer Konzept aufgehen wird?
Gabriel Langholf: Zum einen haben wir uns enorm viele Gedanken gemacht. Wir haben zwei Jahre lang an dem Konzept gearbeitet. Und gleichzeitig haben wir uns mit erfahrenen Menschen aus der Branche ausgetauscht und uns Feedback geholt. Wir haben geschaut, dass wir realistisch planen und haben uns von einem Unternehmensberater vom Handelsverband Südbaden beraten lassen. Er hat uns auch beim Businessplan Tipps gegeben. Hinzu kommt, wir haben Erfahrung aus der Gastroszene, was in unser Konzept mit hinein spielt. Und natürlich haben wir das Hintergrundwissen zu den veganen Produkten und können hier gut beraten, auch was die Zubereitung angeht. Vielleicht trägt das dazu bei, dass sich mehr Menschen mit veganem Essen befassen und nach und nach ihre Ernährung umstellen.
Anklingend an Fridays for Future – was wollt Ihr letztlich bewirken mit Eurem veganen Laden?
Gabriel Langholf: Der erste Impuls, warum ich angefangen habe mich zunächst vegetarisch zu ernähren, war der Klimaaspekt, der mir über Fridays for Future bewusst wurde. Davor war ich für so etwas noch gar nicht sensibilisiert gewesen. Gerade Fleischkonsum hat einen sehr großen Einfluss auf den Klimawandel. Also habe ich aufgehört Fleisch zu essen. Nach und nach habe ich aber gemerkt, um wirklich konsequent zu sein, sollte man sich vegan ernähren. War man aber erst einmal an diesem Punkt angekommen, merkte man, dass es gesellschaftlich extrem unattraktiv war, sich vegan zu ernähren. Inzwischen ist es aber ein starker Trend geworden. Auch Supermärkte bieten jetzt vegane Produkte an. Wir möchten eine Schnittstelle schaffen, zwischen Start-Ups, den Manufakturen und Produzenten, die vegane Produkte herstellen, die Besten, Nachhaltigsten und Leckersten, Preiswertesten herausfiltern und bei uns anbieten. Da sehe ich auch unseren Vorteil gegenüber einem großen Lebensmittelhandel, der neben veganen Produkten auch tausend andere Waren im Sortiment hat, die nicht nachhaltig sind. Da muss sich ein „unerfahrener“ Veganer durchtesten. Wir wollen bei uns Beratung anbieten, aber auch Tastings, kleine Manufakturen einladen, damit diese ihre Produkte vorstellen.
Was habt Ihr denn beruflich bisher gemacht?
Gabriel Langholf: Vorher war ich tatsächlich noch auf der Schule, habe mich aber auch sehr für Fridays für Future engagiert. Es war dann letztlich auch mehr Aktivismus als Schule, wenn ich ehrlich bin (lacht). Ich habe dabei aber auch gemerkt, die Politik lächelt dich nur an, handelt aber nicht. Deshalb hat es für mich Sinn gemacht, selbst anzufangen, etwas zu verändern. Lukas hat vorher eine Ausbildung zum Grafikdesigner gemacht und ist für unsere Designs verantwortlich. Jesko hat zuvor im sozialen Bereich Vollzeit gearbeitet.
Es wird kein expliziter Bioladen sein. Wieso nicht?
Gabriel Langholf: Wir bieten durchaus Biowaren an, aber eben nicht ausschließlich. Es gibt aber auch viele kleinere Betriebe, die nachhaltig produzieren, sich aber die Bio-Zertifizierung nicht leisten können. Ebenso gibt es vegane Produzenten, die sich die vegane Zertifizierung nicht leisten können. Da sehen wir unsere Aufgabe, genau hinzusehen, ob das ein kleiner oder junger Betrieb ist, der regional und saisonal arbeitet und unseren Werten entspricht.
Veganer haben in gewissen Kreisen den Ruf, dass sie manchmal etwas missionarisch sind und jede Einladung zum Essen kompliziert machen. Seid Ihr so?
Gabriel Langholf: (Lacht) Genau diesem Klischee möchten wir entgegen wirken mit unserem Konzept. Wir haben einen hellen und einladenden Laden zusammen mit einem Innenarchitekten konzipiert. Und auch dadurch, dass wir Schwerpunkte setzen bei Getränken, Snacks und Süßigkeiten – also Produkte, die wirklich auch Spaß machen – möchten wir dem Ökoklischee und dem Missionarischen entgegen wirken. Mich haben damals auch diese Bilder aus der Massentierhaltung überzeugt, vegan zu werden. Das ist ein schreckliches Thema. Aber das ist nicht das Argument, mit dem wir überzeugen möchten, vegan zu leben. Wir möchten eher mit leckeren und gesunden Produkten überzeugen. Es ist einfach gesünder, wenn man auf eine ausgewogene Ernährung achtet, als wenn man sich konventionell ernährt.
Wieso reicht es nicht, Vegetarier zu sein, was macht ein Veganer noch besser?
Gabriel Langholf: Sich vegetarisch zu ernähren ist auf jeden Fall schon mal viel besser, als konventionelle Ernährung. Unser Laden ist natürlich auch für Vegetarier, nicht nur für Veganer, und auch für Menschen, die sich omnivor ernähren (bei der omnivoren Ernährung werden weder Fleisch, Fisch noch andere Meerestiere ausgeschlossen; Anm.d.Red.). Es gibt viele Menschen, die essen noch täglich Fleisch. Wenn diese aber nun stattdessen dreimal in der Woche ein veganes Steak essen, dann sind wir glücklich. Das ist dann schon viel besser für sie selbst sowie für die Tiere und das Klima. Mir selbst wurde irgendwann bewusst, dass selbst bei vegetarischen Lebensmitteln, wie Eier, Käse, Milch und so weiter, auch Tiere dafür leiden und dafür sterben. Da steckt auch eine Massentierhaltung dahinter. Als mir das irgendwann klar wurde, da habe ich gedacht, diesen Schein muss ich nicht wahren.
Viele befürchten ja, eine rein vegane Ernährung könnte nicht alle nötigen Vitalstoffe für den Körper bieten?
Gabriel Langholf: Klar, eine ausgewogene Ernährung ist wichtig, egal ob man sich vegan oder omnivo ernährt. Eine Frage, die jedoch bezüglich der Sorge bei einer Ernährungsumstellung oft vergessen wird, ist, habe ich vorher denn schon alle meine Nährstoffe bekommen? (Lacht) Auch viele Menschen, die Fleisch essen, haben einen Nährstoffmangel. Aber Menschen, die sich vegan ernähren, setzen sich allgemein bewusster mit ihrer Ernährung auseinander. Und natürlich haben wir in unserem Laden auch die passenden Nahrungsergänzungsmittel, sogar in praktischen und günstigen Jahresvorräten. Wir arbeiten da eng mit einer veganen Ernährungsberaterin zusammen.
Als Sie noch auf der Schule waren, haben Sie sich da beruflich in einem Laden stehen sehen?
Gabriel Langholf: (Lacht) Nee. Vor ein paar Jahren wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich selbstständig zu machen. Allgemein ist ja Selbstständigkeit und Unternehmertum etwas, was im Bildungssystem kaum angeschnitten wird. Alles ist darauf ausgelegt Abi zu machen und dann zu studieren, beziehungsweise Haupt- oder Realschulabschluss und dann eine Ausbildung zu machen. Dadurch, dass ich in einen neuen Freundeskreis über Fridays for Future hinein gekommen bin, der progressiver getickt hat, kam es für mich anders. Ich hatte immer vor Abitur zu machen, habe aber dann ein Jahr davor die Vorbereitung fürs Abi abgebrochen, um mich voll auf den veganen Laden konzentrieren zu können. Erst wollte ich noch die Prüfungen schreiben, aber als Geschäftsführer mit einem eigenen Laden brauche ich eigentlich kein Abi.
Ich könnte mir vorstellen, dass Ihre Eltern entsetzt waren. Was, wenn der Laden scheitert?
Gabriel Langholf: (Lacht) Tatsächlich waren meine Eltern gar nicht so entsetzt. Die unterstützen mich ziemlich bei meinem Weg.
Aber was passiert, wenn das Ladenkonzept nicht aufgeht? Gibt es einen Plan B?
Gabriel Langholf: Wir sind uns da schon sicher, dass unser Ladenkonzept Früchte tragen wird. Trotzdem ist die Frage natürlich berechtigt. Dann müsste man in enger Kommunikation mit den potentiellen Kunden schauen, wie man das Konzept ändert, damit es funktioniert.
Wie kommt der Name Venoi für Euren veganen Laden zustande?
Gabriel Langholf: Ursprünglich wollten wir uns Vegan Store nennen, so heißt auch unsere GmbH. Wir wollten eine Marke aufbauen und einen Namen haben, mit dem man uns assoziiert. Den Namen Vegan Store konnten wir uns aber nicht schützen lassen. Nach einem langen Brainstorming-Prozess für einem individuellen, neuen Namen, der auch schön klingt, kamen wir auf Venoi. Die Bedeutung des Namens wird sich erst noch entwickeln. Das bietet Interpretationsfreiraum und sorgt auch für Gesprächsstoff.