Bei dem Thema „Kindergrundsicherung“ macht Finanzminister Christian Lindner keine gute Figur. Erstens ist der im Haushalt 2025 vorgesehene Betrag von 2,4 Milliarden Euro viel zu mickrig, um der Sache gerecht werden zu können. Und zweitens, vor allem, vermittelt Lindner den Eindruck, als ob es einen Gegensatz gebe zwischen der „Kindergrundsicherung“ und dem „Wachstumschancengesetz“, quasi ein Lieblingskind von Lindner: Vielfache Steuererleichterungen für die Wirtschaft. Weiter gefasst wäre dies ja auch ein Gegensatz zwischen Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik. Doch genau das ist völlig falsch. Denn nur mit einer finanziell gut ausgestatteten Sozialpolitik stärkt man die Demokratie. Und nur mit einem Investment in die von Armut betroffenen Kindern stärkt man künftig den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Denn es ist ja so, dass die Wirtschaft in den kommenden Jahren und Jahrzehnten dringend gut ausgebildete Mitarbeiter braucht. Und diese fallen nicht vom Himmel. Der Mangel ist jetzt schon enorm. Wenn Christian Lindner also die deutsche Wirtschaft mit dem (Achtung: ein Wortungeheuer:) „Wachstumschancengesetz“ neu beleben will, ist das die eine (gute) Sache. Aber dafür braucht es Menschen, möglichst viele, die das dann auch in die Tat umsetzen.
Und es ist halt nunmal erwiesen, dass die grassierende Kinderarmut in Deutschland sehr viele Chancen verhindert. Deshalb muss der Sozialstaat in die Sicherung und Bildung von „armen“ Kindern investieren. Das stärkt nämlich nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, und somit auch die Demokratie als solche, sondern ist auch wirtschaftlich vernünftig. Die Folgekosten für ein Scheitern der Kindergrundsicherung sind ein Vielfaches höher, als wenn man jetzt in Familien und Kinder investiert, so eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Diakonie Deutschland zu den Folgen von Kinderarmut. Armutsbetroffene Kinder haben demnach ein höheres Risiko, gesundheitliche Probleme zu bekommen und arbeitsunfähig zu werden als Kinder aus ökonomisch starken Familien.
Christian Lindner hatte während des Streits mit Familienministerin Lisa Paus (Grüne) über die Höhe der zu veranschlagenden Kosten für die Kindergrundsicherung (die ja bereits im Koalitionsvertrag fest vereinbart war) dann auch etwas unglücklich (oder war es provozierend?) formuliert. Und zwar so: „Es gibt einen ganz klaren statistischen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut“, hatte Lindner gesagt. Von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, sagte der FDP-Politiker. Die Kinderarmut in Deutschland sei deutlich zurückgegangen „bei den ursprünglich deutschen Familien“. Nun ja. „Ursprünglich?“
Dafür gab es Kritik. „Ich halte es für unsäglich, wenn der Finanzminister nun anfängt, arme Kinder aus Deutschland auszuspielen gegen die Kinder, die mit ihren Familien aus der Ukraine zu uns flüchten mussten“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigen tatsächlich einen Anstieg der Zahl von Kindern ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die Hartz IV oder Bürgergeld erhalten. Während ihre Zahl im Dezember 2010 bei rund 305.000 lag, waren es im Dezember 2022 rund 884.000. Nach Angaben der BA erhielten im März 2023 als größte Gruppe rund 275.500 ukrainische Kinder und Jugendliche Bürgergeld. Die BA-Zahlen gehen zurück auf eine AfD-Anfrage. Daraus geht auch hervor, dass in der Zeit von 2010 bis 2022 die Zahl von Kindern und Jugendlichem mit deutschem Pass, die die entsprechenden Sozialleistungen erhielten, gesunken ist.
Es ist nicht verwerflich, dass Lindner dieses Thema aufgreift, das die AfD benutzen will, um Stimmung zu machen. Er stellte auch fest, dass die Kinderarmut in Deutschland „indiskutabel hoch“ sei. Und stellte die Frage, wie man am besten helfen könne. Aber seine Antwort, in Euro im Haushalt ist dürftig. Das schadet allen.