Es ist schon spektakulär, wie sich Corona mit Beginn des Krieges in der Ukraine in Luft aufgelöst hat. Die Pandemie ist aus den Talkshows und überhaupt aus der Berichterstattung vieler Medien gestrichen worden. Und siehe da: Wenn keiner mehr darüber spricht, wirkt das so, als sei der Spuk vorbei. Fast könnte man glauben, dass Angst und Schrecken des Krieges in Europa die Pandemie-Sorgen ganz weit in den Hintergrund drängen. Von ferne winkt der Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der jetzt zusammen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) ein „Zweistufenmodell“ vorgestellt hat, das die bisherigen Maßnahmen ab dem 20. März ersetzen soll. Das wirkt seltsam, weil es rein politisch (von der FDP) gewollt, aber völlig abgekoppelt von der Pandemie-Lage ist.
Faktisch stimmt es nicht, dass sich die Corona- Pandemie seit dem Kriegsbeginn entspannt hätte. Im Gegenteil nahm die Inzidenz in diesen Wochen sogar wieder zu und lag stets bei über 1.300 Infektionen in sieben Tagen. Mit 262.752 Neuansteckungen binnen 24 Stunden gab es zudem einen neuen Rekord in Deutschland. Erinnert sich noch jemand, dass in den letzten beiden Jahren eine Inzidenz von über 100 schon Sorgen und Maßnahmen hervor rief? Klar war die damalige Delta-Variante noch gefährlicher als die derzeit herrschende Omikron-Variante. Aber bei immer noch mehr als 220 Toten täglich in Deutschland kann man sicher nicht vom Ende der Gefahr durch die Pandemie sprechen.
Da bekanntlich der bundesweit geltende rechtliche Rahmen für die Corona-Maßnahmen zum 20. März ausläuft und sich die „Ampel“ bisher nicht einig war, was eine Verlängerung von Schutzmaßnahmen betraf, drohte mal wieder ein Chaos. Nun hat sich die Ampel-Regierung auf ein „Zweistufenmodell“ geeinigt, das ab dem 20. März in Kraft treten soll. „Wir haben, glaube ich, einen sehr guten Kompromiss gefunden“, sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP) im ZDF-“Morgenmagazin“. Der Entwurf beruhe auf zwei Säulen: Zum einen werde es im Alltagsleben der Bürger „so gut wie keine Einschränkungen mehr geben“. Ganz wichtig für die FDP! Denn die Partei hatte ja schon im Oktober letzten Jahres den „Freedom Day“ versprochen, der am 20 März kommen solle. Blöd nur, dass dann Omikron Deutschland überflutet hat und auch jetzt zum Stichtag nicht bereit ist, zu weichen, sondern sogar neue Rekorde bei den Infektionen beschert.
Und zum anderen? Das weiß man nicht so genau. Die zweite Säule ist eine sogenannte „Hotspot-Regelung“: In Gebieten mit schwierigem Ausbruchsgeschehen, etwa bei einer Überlastung des Gesundheitssystems oder gefährlichen neuen Virusvarianten, könnten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Das könnten die Länder über ihre Parlamente sofort entscheiden, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Er gehe davon aus, dass so auch neue Infektionswellen mit stark steigenden Fallzahlen bekämpft werden können. Nun ja, aber wann ist ein „Hotspot“ denn gegeben? Das ist in dem Entwurf nicht definiert. Dies könnten Stadtviertel, Städte, Regionen oder ein ganzes Bundesland sein, so Lauterbach. Kurz und gut: Er gibt die Verantwortung an die Länder weiter, aber entzieht ihnen gleichzeitig die Basis.
Von den Länderchefs kam sofort Kritik an dem Gesetzesentwurf. Winfried Kretschmann sagte, es sei „grob fahrlässig, wenn man wirksame Instrumente für den Notfall aus der Hand gibt.“ Niedersachsens Stephan Weil sagte: „Man wirft doch den Feuerlöscher nicht weg, wenn es noch brennt.“
In der Tat scheint der Ampel-Kompromiss wenig durchdacht. Es doch dann so, dass ab dem 20. März all jene Menschen, die trotz Impfung wegen Alter oder Vorerkrankungen gefährdet sind und unbedingt eine Infektion vermeiden wollen, im Supermarkt an der Kasse stehen, wo andere Leute der neuen Freiheit frönen und ohne Maske rumlaufen, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Neuansteckungen noch immer auf einem absurd hohen Niveau sind. Und was nutzt dann das Instrument einer „Hotspot-Regelung“? Ist ein „Hotspot“ erst mal da, dann haben sich ja schon viel zu viele Menschen angesteckt, die das nicht wollten und vielleicht schwer erkranken.
Christian Drosten meldete sich auch zu Wort: Besonders das Tragen von FFP2-Masken in Innenräumen sei auf lange Sicht „die effizienteste Maßnahme überhaupt.“