Im Land der unbegrenzten Blödigkeiten

So lieben es die Leute in den USA: Es ist Show-Time im Duell von Kamala Harris und Donald Trump vor der Präsidentenwahl am 5. November. Taylor Swift mischt clever auch mit.

Der Wahlkampf in den USA ist vor allem: Show-Business. Um politische Inhalte geht es nur am Rande. Dafür interessieren sich die Leute dort auch nicht besonders. Sie wollen sehen, welche Figur sich am besten verkauft. Der finstere Gangsterblick von Donald Trump, oder das fast  provozierende Gute-Laune-Lachen von Kamala Harris. Der weiße Schurke gegen die schwarze Frau. Der Straftäter gegen die Staatsanwältin. Es geht immer um die Story, es ist wie in einem Hollywood-Film. Besonders wichtig sind also die Spezial-Effekte. Und wer wüsste das besser als die derzeit weltweit erfolgreichste Pop-Künstlerin  Taylor Swift? Also hat sie sich nach dem TV-Duell zwischen Trump und Harris auf höchst clevere Weise in den Wahlkampf eingeschaltet. Das könnte Trump entscheidende Stimmen kosten. 

 
Und Taylor Swift tat dies auf ihre typische Art. Und zwar mit einem rhetorisch enorm geschickt gewählten, sehr privaten Motiv: Auf Trumps Accounts, klagt sie, seien mit künstlicher Intelligenz generierte Bilder von „ihr“ (sie setzt das in Anführungszeichen, um zu zeigen, dass es ein Fake war) aufgetaucht, die behaupteten, sie würde den Kandidaten der Republikaner unterstützen. Deshalb müsse sie ihre wahren Absichten bei dieser Wahl nun „sehr transparent“ machen. Sie werde Kamala Harris wählen, denn „she fights for the rights and causes I believe need a warrior to champion them“. Harris ist demnach laut Swift nicht einfach nur eine Politikerin, die Interessen vertritt. Sondern eine Kriegerin, die die Themen meistert. Unterschrieben ist der Post mit „With love and hope, Taylor Swift, Childless Cat Lady“. Tja, kleine, sehr süße Rache gegenüber Trump und dessen „Vize“, Trumps Running Mate J. D. Vance, der bekanntlich die Diffamierung von „kinderlosen Katzenfrauen“ ins Leben gerufen hatte. Dazu ein geniales Foto von Swift mit Katze. So geht Show-Business.  Dagegen sind Trump und Vance nur Amateure.Und nun ja, allein auf Instagram hat Swift 280 Millionen Follower. Unmittelbare Folge: Allein über den Link ihres Instagram-Accounts hätten an einem Tag 405 999 Besucher die Webseite zur Wahlregistrierung angeklickt, informiert die zuständige Behörde. Gewöhnlich sind es täglich um die 30 000.

Und nicht nur das. Wenn Taylor Swift etwas verkündet, erreicht das, anders als bei vielen anderen (US-)Künstlern, nicht nur ein urbanes, städtisches, tendenziell an den Küsten der USA angesiedeltes Publikum. Es erreicht auch den Mittleren Westen, es erreicht somit halt auch Republikaner-Kernland. Deshalb ist Taylor Swift für Donald Trump so gefährlich. 

Und weil es bei dieser Show der Superlative doch zu verlockend war, hat sich daraufhin Elon Musk auf „X“ mit einer eitlen Geschmacklosigkeit gemeldet: Er würde ihr ein Kind machen und ihre Katzen mit seinem Leben beschützen, schrieb er also, nachdem sich Swift auf Instagram für Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris ausgesprochen hatte. Er fand das lustig. Seine Tochter fand es „abscheulich“. Wie jeder weiß, umgarnen sich die Egomanen Trump und Musk gegenseitig. Es ist Showtime der Eitelkeiten. Es ist USA, das Land der unbegrenzten Blödigkeiten.

Wie wurde das TV-Duell zwischen Harris und Trump hinterher bewertet?

Pünktlich um 21 Uhr begann die große Show im amerikanischen Osten, Kamala Harris gegen Donald Trump. Nach europäischer Zeit war das mitten in der Nacht, 2 Uhr 30 ungefähr.  Und so werden es nicht wirklich viele Europäer gewesen sein, die sich dafür den Wecker stellten, wie einst bei der Mondlandung oder einem Boxkampf von Muhammad Ali – obwohl es  ja nicht nur um die Macht in Amerika, sondern auch um die Zukunft der Welt ging bei diesem Event. 

Laut einer Blitzumfrage des Senders CNN sahen direkt nach der Debatte 63 Prozent der Befragten Harris als Siegerin, 37 Prozent stimmten für Trump. Auch die Mehrheit der noch unentschiedenen Wähler in dem so wichtigen Swing State Pennsylvania, in dem die Debatte stattfand, sahen die Demokratin im Vorteil. Und Analysten des Senders schrieben denn auch, die Nacht hätte kaum besser für Harris laufen können

Der New York Times zufolge war die Debatte ein uneingeschränkter Erfolg für Harris. Sie habe sich selbst und ihre Pläne definieren können und habe Trump dazu gebracht, sein wahres Ich zu zeigen, schreibt die Zeitung. Harris habe ihrem Gegenüber immer wieder Fallen gestellt, in die der republikanische Präsidentschaftskandidat denn auch getappt sei. Auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama lobte die amtierende Vizepräsidentin. Obama schrieb auf X, man hätte in der Debatte unmittelbar sehen können, wer die Vision habe, um das Land nach vorn zu bringen. Harris werde eine Präsidentin für alle Amerikaner sein.

Völlig anders sah das der Mann, der sich immer selbst in den allerhöchsten Tönen lobt. Donald Trump urteilte also, dass er die Debatte „haushoch gewonnen“ habe und dass es überhaupt seine bisher beste Debatte gewesen sei. 

Wie lief das TV-Duell zwischen Harris und Trump als Event?

Es begann mit einem – natürlich genau so geplanten – „Power-Move“. Denn die Vizepräsidentin ging direkt auf Trump zu, sagte: “Kamala Harris“ und streckte zur Begrüßung die Hand aus. Das ist insofern lässig, als der Mann, dem sie sich da vorstellte, ihren Namen in den vergangenen Wochen zigfach benutzt hat. Hauptsächlich, um sie maximal und etwas ungelenk zu beschimpfen. Trump hatte große Schwierigkeiten, nachdem Joe Biden doch überraschend als Kandidat zurück zog und Kamala Harris die neue Konkurrentin von Trump wurde. 

In diese Unsicherheit stieß Harris auch während des TV-Duells vor. Sie sorgte dafür, dass Trump in die Defensive geriet, sein Gesicht eine verhärmte Geistermaske, während Harris oft über Äußerungen von Trump lachte. Ihre Kernbotschaft: „Die Amerikaner verdienen etwas Besseres“, dies seien „zwei sehr unterschiedliche Visionen für unser Land: eine, die sich auf die Zukunft konzentriert, und eine, die sich auf die Vergangenheit konzentriert – ein Versuch, uns rückwärts zu führen. Aber wir gehen nicht zurück.“ Plötzlich war Trump der alte Mann von gestern. Fast 60 Millionen Fernsehzuschauer erlebten, wie eine ehemalige Strafverfolgerin einen verurteilten Straftäter in die Enge trieb. Doch das wird keine entscheidende Veränderung bringen. Denn längst ist klar: Eine knappe Hälfte der amerikanischen Wählerschaft wählt in jedem Fall die Demokraten, also Kamala Harris. Die andere knappe Hälfte hält trotz seiner Lügen und Skandale Donald Trump die Treue, egal, was dieser Mann für Unsinn erzählt. Und das ist ja übrigens schon deshalb unfassbar, weil die Welt davon abhängt.

Das Ringen um die „Wahlleute“

Nicht die landesweite Zahl der Stimmen bestimmt, wer ins Weiße Haus einziehen darf, die „popular vote“. Sondern die Zahl der Wahlleute, die „electoral vote“. Wer einen Bundesstaat für sich entscheidet, der bekommt dort generell sämtliche Wahlleute. The winner takes it all. Auch wenn in diesem Bundesstaat womöglich 49 Prozent anders abgestimmt haben. Die Entscheidung fällt deshalb in den umkämpften Bundesstaaten, circa sieben von 50. Gerungen wird also um die Swing States, in denen sich mal die einen durchsetzen und mal die anderen. Das wären aktuell Pennsylvania (19 Wahlleute), Georgia, North Carolina (je 16), Michigan (15), Arizona (elf), Wisconsin (zehn) und Nevada (sechs). In Arizona und Georgia liegt Trump hauchdünn vorn, in den anderen fünf Regionen Harris. Nun ja, da kann noch viel passieren in den kommenden Wochen. So lieben es die Leute in den USA. Es ist Show-Time. Wow!