Am Anfang war das Bild. Höchst vertraulich hatten sich vier Leute getroffen und dann ein Selfie in die Welt gesetzt. Es waren die Chefs der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie der FDP-Chef Christian Lindner, der aus Mangel einer FDP-Doppelspitze halt seinen Generalsekretär Volker Wissing mit ins Gespräch geholt hat. Die Botschaft hinter dem Bild wurde natürlich gleich zur Parodie: „We are Family.“
Also jetzt, es war schon dreist, mit einem Selfie statt mit der Botschaft über irgendwelche Inhalte an die Öffentlichkeit zu gehen. Ist ja nett, dass die vier Leute sich offenbar getroffen haben, aber interessant wäre da für uns Bürger und Wähler natürlich, über was gesprochen wurde. Aber okay, als Einstieg ein Bild kann man mal akzeptieren. Halt in der Annahme, dass die inhaltlichen Botschaften doch bald folgen würden.
Doch im nächsten Schritt kam es dann zur Darbietung einer Dreifaltigkeit, die schwer zu ertragen war. Nach einem Gespräch zwischen Grünen und FDP im leicht erweiterten Kreis (jeweils zehn Politiker aus beiden Parteien) traten also Baerbock, Habeck und Lindner vor die Presse und führten dort ein Theaterstück vor, das einer starr eingeübten Choreografie folgte. Bei jeder Frage der zahlreichen Reporter trat jeweils einer aus der Dreiergruppe ans Mikro und antwortete. Mal Baerbock, mal Lindner, mal Habeck. Und dabei wurde auch noch darauf geachtet, dass Lindner (weil dieses Mal ja ohne Generalsekretär) ungefähr so viel Redezeit hatte wie die beiden Grünen zusammen.
Was für eine an sich selbst berauschende Botschaft! Denn über Inhalte wurde die blöde Öffentlichkeit ja weiterhin nicht unterrichtet, sondern nur über den Umgang von Grün und Gelb untereinander. Grüne und FDP seien sich bewusst, „dass alleine die Art und Weise, dass und wie wir miteinander sprechen, für viele Menschen Anlass zu Hoffnung und Motivation ist“, sagte etwa FDP-Chef Lindner nach der zweiten Vorsondierung mit den Grünen.
Echt jetzt? Wir Bürger und Wähler sollen also es weltbewegend finden, dass grüne und gelbe Politiker sich miteinander unterhalten, ohne sich dabei gegenseitig zu zerfleischen? Mensch Meier, Eiapopaia! Die Botschaft ist bei diesem Auftritt der drei ans Mikrofon Vortreter erneut nur, dass man sich akkurat höflich zueinander gibt, und sonst nix. Wäre auch kein Problem gewesen, in diesem Stadium, wenn es nicht gleichzeitig von den Protagonisten als wichtig, wichtig, superwichtig verkauft worden wäre.
Dabei schießt Annalena Baerbock ganz klar den Vogel ab. Sie sagt den Reportern, also damit der Öffentlichkeit, dass „dies ein historischer Moment in dieser Gesellschaft, in diesem Land“ sei. Hallo? Zu diesem Moment gab es keine inhaltliche Einigung, noch nicht einmal darüber, ob es am Ende eine Ampel- oder eine Jamaika-Koalition werden soll, geschweige denn echte Koalitionsvereinbarungen (siehe Seite 14). Man sei „schmallippig“, was Inhalte angehe, fügte Baerbock keck hinzu. Ääh, hat diese Frau eigentlich die Wahl gewonnen, dass sie so vor Eitelkeit und Überheblichkeit trieft? Es als „historisch“ zu beschreiben, was man nicht rausrücken will, ist eher dämlich. Da ist man dann doch froh, dass Annalena Baerbock nicht zur Kanzlerin gewählt wurde. Da hätte sie es ja jeden Tag mit „historischen“ Ereignissen zu tun, also in der wirklichen Welt, nicht im grün-gelben Kosmos der Einbildung.
Da war das Schrauben-Ding von Robert Habeck bodenständiger. Eine schräg eingesetzte Schraube würde „nie wieder grade“, so Habeck, der Heimwerker und Philosoph.