Die Amis schicken uns ins Kino. Ob nun die Blockbuster aus Hollywood dem Leben in Amerika abgeschaut sind, oder ob umgekehrt das Leben in Amerika ein Hollywood-Streifen ist, weiß wohl keiner so genau. Da nun US-Präsident Joe Biden „den Job zu Ende“ bringen will und Donald Trump gleichzeitig auf einer Welle von Prozessen gegen ihn reitet, ist nur eines sicher: Kein noch so seichter Film wäre schlechter als die Wirklichkeit. Blöd nur, dass auch unser Leben davon abhängt, wie der Blockbuster ausgeht. Wir werden in 18 Monaten nach dem Abspann nicht sagen können: „Ach, war ja nur ein Film.“
Es geht bei den Wahlen im November 2024 also wieder um ein Duell zweier weißer alter Männer, die eine Weltmacht führen wollen. Der Sheriff und der Schurke, High Noon auf staubiger Straße (nur dass Gary Cooper damals gerade 50 Jahre alt war) zwischen Biden und Trump. Fehlt nur noch, dass eine Brise Star Wars eingestreut wird, wo der edle Alte mit seiner Weisheit und dem Zauberschwert die Welt rettet.
Joe Biden tritt noch einmal an, für die Freiheit
Joe Biden hat seine Wiederwahl-Kampagne in einem Video unter ein ganz einfaches Motto gestellt: Freiheit! In dem gefühligen Kurzvideo erklärt der US-Präsident den Amerikanern, warum er sich um eine zweite Amtszeit bewirbt. Das Video beginnt mit Szenen vom 6. Januar 2021, als Hooligans von Vorgänger Donald Trump den Kongress stürmten und die amerikanische Demokratie zerstören wollten.„Freedom“ ist dann das erste Wort des Kandidaten. „Persönliche Freiheit ist fundamental für das, was wir als Amerikaner sind. Das war die Arbeit meiner ersten Amtszeit, für unsere Demokratie zu kämpfen“, sagt Biden. Und schließlich: „Let‘s finish the job“, „Lasst uns den Job zu Ende bringen.“
Was das also vor allem heißt: Lasst uns Trump noch einmal besiegen. Lasst den Alptraum nicht zu, dass Trump noch einmal an die Macht kommt. „Als ich vor vier Jahren für das Präsidentenamt kandidierte, sagte ich, dass wir in einem Kampf um die Seele Amerikas stehen. Und das sind wir immer noch“, so Biden. Er gibt den Retter gegen die „Maga-Extremisten“, wie er es nennt. Das Akronym Maga, meistens in Großbuchstaben verfasst, steht für „Make America Great Again“, Trumps Schlachtruf. Biden will Versöhner sein, auch weil er und sein Team den Plan haben, die Mitte für sich zu gewinnen. Biden und seine Strategen sind in ihrer grundsoliden Analyse zum Ergebnis gekommen, dass die Mitte im Land gepflegt werden muss, weil dort praktischerweise auch die meisten Wählerstimmen warten. Daher hält Biden den Trumpf hoch, schon einmal gegen Trump gewonnen zu haben. Und markiert seinen Gegner als Extremist, was ja wohl der Wahrheit entspricht. „Ich kenne ihn gut, und ich kenne die Gefahr, die er für unsere Demokratie darstellt, wir haben das alles schon einmal erlebt“, sagte Biden in einem Fernsehinterview, kurz nachdem er seine neuerliche Kandidatur für die Präsidentschaft angekündigt hatte.
Doch reicht das aus? Werden erneut viele Wähler für Biden stimmen, nur um Trump zu verhindern? Die Umfragewerte sehen nicht rosig aus für den Amtsinhaber. Nach der jüngsten Befragung im Auftrag der Washington Post und des Fernsehsenders ABC News ist die Zustimmung zu Bidens Amtsführung auf ein Rekordtief von 36 Prozent gefallen. Und sogar im Direktduell mit Donald Trump scheint Joe Biden zu verlieren, eine Mehrheit der Befragten zieht in der Umfrage den Republikaner vor. Allerdings ist es Unsinn, aufgrund einer Befragung von 1006 Personen achtzehn Monate vor dem Wahltermin Rückschlüsse auf das Verhalten von 170 Millionen Wählern ziehen zu wollen.
Es zeigt aber auch, dass im Hollywood der Amis die Medien eine wichtige Rolle spielen, durchaus eher im Sinne von Entertainment und Quote. Der Präsident versucht das zu relativieren, indem er seine Noten mit jenen der Vorgänger vergleicht. „Die Umfragewerte aller bedeutenden Präsidenten, die ihre Wiederwahl gewannen, waren dort, wo jetzt meine sind“, sagte er.
Aber diese Vorgänger, für die das zutrifft (Barack Obama, Bill Clinton und Ronald Reagan) waren ja zu den jeweiligen Zeitpunkten auch keine 80 Jahre alt. Denn sein Alter ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, da immerhin drei von vier Amerikanern es aufgrund seines Alter nicht gut fanden, dass er erneut kandidiert.
Es handelt sich um die mehr als legitime Frage, ob ein Mann mit dann 82 Jahren für weitere vier Jahre psychisch und physisch in der Lage ist, das mächtigste Amt der Welt zu bekleiden. Biden war auch bisher schon der älteste Präsident, der je die USA führte. Er hat alterstypische Schwächen gezeigt – aber auch Stärken. „Look at me“, sagt Biden gerne, wenn es um seine Gesundheit geht. Er stottert manchmal. Wenn es sehr wichtig wird, dann können Bidens Auftritte aber kraftvoll ausfallen, so wie im Februar bei seiner Rede „State of the Union“ im Kongress. Oder wie bei seinem Coup im März in Osteuropa. In Warschau joggte der Staatsgast zwei Schritte auf die Bühne. Nach Kiew war Biden gereist, Geheimflug und Nachtzug. Eine beachtliche Überraschung. Gut, ein Luxuszug, aber er stand fast strahlend neben Wolodimir Selenskij.
Nebenbei funktioniert auch ein US-Präsident nur so gut wie sein Team – und Biden hat sich mit einer starken jungen Mannschaft umgeben. Diese Berater-Crew versteht es, die Figur an der Spitze oft nur symbolisch in Szene zu setzen. So kann Biden Kraft sparen und ließe sich das noch eine Weile fortsetzen. Quasi: der alte Mann und das Mehr.
Donald Trump wächst
wieder an seinen Skandalen
Noch ist ja nicht ganz sicher, dass es wirklich Donald Trump sein wird, der von den Republikanern 2024 ins Rennen um die Präsidentschaft geschickt wird. Es scheint allerdings so, dass Trump sich immer dann einen Vorsprung verschafft, wenn er mal wieder für einen Skandal angeklagt wird. Er blüht im Lichte der Öffentlichkeit wahrhaft auf wie ein Pfau. Das Schlimmste für Trump ist, wenn gar keiner von ihm spricht. Dann verwelkt er. Wenn er aber medial im Mittelpunkt steht, und sei es auch wegen juristischer Anklagen gegen ihn, dann scheint dies ein belebendes Elixier für Trump zu sein. So weit, so klar. Die Frage ist allerdings, wieso halb Amerika das mitmacht. Ja sind wir denn in Hollywood?
Trump wurde soeben in New York zur Zahlung von fünf Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt, weil er vor Jahren eine Frau sexuell genötigt und später verleumdet haben soll. Außerdem ist er seit ein paar Wochen ebenfalls in Manhattan wegen mutmaßlichen Betrugs angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, vor seinem Wahlsieg 2016 Schweigegeld für eine andere Frau verschleiert zu haben. Weitere Ermittlungen gegen Trump dauern an, es geht dabei um Steuerhinterziehung sowie um mutmaßliche Ansätze von Wahlfälschung und Staatsstreich. Die Staatsanwaltschaft in Georgia prüft, inwieweit der damalige Wahlverlierer 2020 probiert hat, sich noch schnell Stimmen besorgen zu lassen und Joe Bidens eindeutigen Erfolg zu kippen. Außerdem befasst sich ein Sonderermittler mit Trumps Beitrag zum Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021, einem Putschversuch. Viel mehr geht nicht!
Donald Trump scheint politisch davon zu leben, sich als Verfolgten darzustellen. Eines seiner Lieblingsworte ist „Hexenjagd“, was auch insofern lustig ist, weil er sich ja ansonsten über Frauen mindestens herablassend äußert. Er also eine „Hexe“? Kann ja nicht sein. Somit sind die Jäger hinter dem Falschen her. Aber es gibt auch einen ganz profanen Grund, warum er sich als fälschlich Verfolgten darstellt. Er bettelt nach jeder Anklage seine Fans um Geld an. Dutzende Millionen Dollar an Wahlkampfspenden hat er seit den letzten Anklagen eingenommen, weil seine Anhänger offenbar denken: jetzt erst recht.
Das gibt es wohl so explizit auch nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Trump, der sich gerne als Milliardär geriert, hält die Hände auf, um jedwede Spende zu bekommen.
Die Rolle der Medien – spektakulär!
Der US-Fernsehsenders CNN hat Trump jüngst über eine Stunde lang zum Interview geladen. Und nur wenige Augenblicke nach dem Start geht es los mit der ersten Lüge: „Ich denke, wenn man sich das Ergebnis anschaut, und wenn man sich anschaut, was bei dieser Wahl passiert ist, wenn man nicht ein sehr dummer Mensch ist, dann sieht man, was passiert ist.“ Damit wiederholt er seine Behauptung, ein Wahlsieg gegen Joe Biden sei ihm 2020 „gestohlen“ worden.
So geht es weiter in der Sendung. Trump sagt, er würde den Krieg in der Ukraine „innerhalb von 24 Stunden beenden“, die Frau, wegen der er verurteilt wurde, kenne er gar nicht, der Richter sei „furchtbar“ gewesen und die Moderatorin, die ihn gerade interviewt findet er „eine fiese Person.“ Tja, man muss wohl eine „sehr dumme Person“ sein, um nicht zu sehen, was passiert. Es ist immer Showtime, möglichst spektakulär.
Alles nur Hollywood
Es würde einem nicht wundern, wenn zur Wahl in 18 Monaten Gary Cooper pünktlich um „Zwölf Uhr mittags“ in Gestalt von Joe Biden auf die staubige Straße tritt, um sich mit dem Oberschurken Trump zu duellieren. Alles nur Hollywood. Blöd nur, dass es wirklich wahr ist.