Mit der Rettung von Kulturdenkmälern beschäftigt sich Joachim Scheck, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild e.V (ARGE) und Vorsitzender sowie Gründer des Vereins VISTAtour, bereits seit Jahrzehnten. Er kennt Freiburgs alte Seite wie kaum ein anderer und setzt sich unermüdlich für den Erhalt und den Denkmalschutz alter Gebäude ein. Auch für das Fachwerkhaus Reutebachgasse 13 in Zähringen war er schon mit großem Einsatz aktiv, um das Haus aus dem Jahr 1788 zu vor dem Abriss zu bewahren.
Wenn ich die alten Fotos anschaue, kommt bei mir etwas Wehmütiges hoch – obwohl ich natürlich weiß, dass die alten Zeiten nicht besser waren.Geht Ihnen das auch so?
Joachim Scheck: Ja natürlich. Bei diesen Themen, mit denen ich mich ja schon so lange befasse, ist mein Herzblut dabei. In Freiburg und anderen Städten und Dörfern ist viel verloren gegangen, was vielen vielleicht gar nicht so bewusst ist. Für mich liegt da ein Widerspruch: Man geht nach Italien, ist entzückt von den uralten, schnuckeligen Stadtkernen, wo man nicht mit dem Auto fahren kann, weil die Straßen zu eng sind, und dann kommt man zurück nach Deutschland und macht weiter alles kaputt. Und dabei hatten wir auch einmal ein idyllisches und harmonisches Ortsbild. Gerade auch in den Dörfern hat sich das bei uns extrem verändert.
Hat Zähringen seine frühere Anmutung als Handwerker- und Bauerndorf gänzlich verloren?
Joachim Scheck: Da ist noch der Bereich um die Kirche herum, das ist noch eine schöne Ecke. Und viele denken, das sei der ursprüngliche alte Ortskern, was aber so nicht stimmt. Das Kirchenensemble ist erst in den 1820er Jahren entstanden. Der ursprüngliche Ortskern waren die beiden Straßenzüge Zähringerstraße und Reutebachgasse. Zähringen war ein typisches Straßendorf, und entlang dieser beiden Straßen hat sich das Dorf langsam ausgebreitet. In Betzenhausen mit der jetzigen Sundgauallee war das ganz ähnlich, ebenso auch in Lehen. Zwei Straßen, an denen sich Wohngebäude und Gasthäuser nach und nach aufgereiht haben.
In der Reutebachgasse steht eines der letzten Fachwerkhäuser dieses Ortsteils, dem jetzt der Abriss droht.
Joachim Scheck: Es ist nicht offiziell, aber soweit ich weiß, ist die Baugenehmigung schon erteilt. Das Fachwerkhaus und ein dahinter stehendes kleines Einfamilienhaus sollen abgerissen und ein neues, größeres Bauvorhaben realisiert werden.
Warum steht dieses alte Fachwerkhaus, das sich äußerlich kaum verändert hat, nicht unter Denkmalschutz?
Joachim Scheck: Wir haben diese Frage auch den Denkmalbehörden gestellt. Auf unsere erste Anfrage 2019 hatten wir keine Antwort bekommen, was auch daran liegen mag, dass dem Datenschutz in Baden-Württemberg beim Denkmalschutz ein ganz besonders großer Wert beigemessen wurde. In anderen Bundesländern wird das völlig transparent gehandhabt. Mittlerweile wurde das auch in Baden-Württemberg gelockert, was aber noch nicht überall durchgedrungen ist. In Freiburg wird es bis dato noch nach der restriktiven Richtlinie gehandhabt. Inzwischen hat uns das Landesamt für Denkmalpflege jedoch informiert, dass aufwändige Untersuchungen an diesem Haus vorgenommen wurden, das Ergebnis aber sei, dass es im Inneren zu stark verändert sei und deshalb nicht unter Denkmalschutz gestellt werde.
Das würde bedeuten, wer ein altes Haus im Inneren modernisiert, gefährdet den Denkmalschutz?
Joachim Scheck: Problematisch finde ich, dass die Entscheidungen der Landesdenkmalpflege einerseits immer auch Stück weit subjektiv sind, weil das Denkmalschutzgesetz einen großen Interpretationsspielraum lässt, andererseits aber hoheitlich und damit nicht anfechtbar sind. Häufig wird es abgelehnt, ein Gebäude unter Schutz zu stellen, weil es innen zu stark verändert sei. Wir haben dann versucht zu argumentieren, ob uns die Behörde ein einziges Kulturdenkmal nennen könne, was im Inneren nie verändert wurde. Selbst das Münster wurde ständig verändert innen.
Haben Behörden in anderen Städten eine andere Sichtweise auf schützenswerte Gebäude?
Joachim Scheck: Ja. In vielen anderen Städten sind nach meiner Beobachtung Interesse und Engagement der städtischen Behörden für die Erhaltung historischer Bausubstanz deutlich größer als in Freiburg. Dies betrifft auch das Interesse von Bürgerschaft und Gemeinderäten. Dann kann auch die Landesdenkmalpflege ganz anders agieren. In Freiburg hingegen ist – überspitzt gesagt – die Welt in Ordnung, wenn es nicht gerade dem Münster, den Stadttoren oder dem Historischen Kaufhaus an den Kragen gehen soll.
Gibt es denn noch eine Möglichkeit, dieses Fachwerkhaus zu retten?
Joachim Scheck: Der Denkmalschutz ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, ein Haus zu retten. Oft genug wird der Denkmalschutz sogar ausgehebelt. Man kann aber auch versuchen, einen Eigentümer zu begeistern von seinem alten Haus und ihm Wege aufzuzeigen, wie er es erhalten und sinnvoll modernisieren kann. Wenn alle an einem Strang ziehen und ein Interesse daran haben, vielleicht sogar etwas Herzblut mitbringen, dann kann es doch oft gelingen, ein altes Haus zu retten.
Kann es sein, dass das städtische Ziel, möglichst viel Wohnraum zu schaffen, dem Erhalt alter, kleinerer Häuschen im Wege steht?
Joachim Scheck: Manchmal ja. Das wird zumindest vordergründig manchmal als Begründung genannt. Im Fall der Reutebachgasse 13 trifft das aber nicht zu, denn das Fachwerkhaus nimmt nur einen kleinen Teil des Grundstücks ein. Auch bei Erhalt des Hauses ließe sich dort noch ein größeres Bauvorhaben realisieren. Wir haben auch den OB und den Chef des Baurechtsamtes auf das Haus hin angesprochen. Wenn dieses Haus fällt, dann ist die Frage, was gilt überhaupt noch als erhaltenswert in Freiburg.
Was wurde Ihnen geantwortet?
Joachim Scheck: Der OB wusste gar nichts davon. Wir haben dem Baurechtsamt auch angeboten, dass wir gerne mit dem Eigentümer vermitteln könnten. Doch uns wurde erklärt, für so etwas könne man sich keine Zeit nehmen. So ist das in Freiburg.
Namensgeber der Reutebachgasse ist der gleichnamige Bach, der hier fließt, aber 1960 verdohlt wurde. Aktuell wurde festgestellt, dass die Tragfähigkeit nicht mehr für schweren Verkehr ausreicht. Selbst Müllfahrzeuge dürfen hier nicht mehr fahren, so dass die Bewohner ihre Mülltonnen und -säcke an den Kirchplatz bringen müssen. Sollte man darüber nachdenken, den Bachlauf wieder zu öffnen?
Joachim Scheck: Grundsätzlich ist es normal, dass ein Kanal irgendwann sanierungsbedürftig wird. Aber man könnte die jetzige Situation auch als Chance ansehen, zu prüfen, ob man diese Maßnahmen von damals nicht rückgängig machen kann. Wenn man so viel Geld in die Hand nimmt, um die Kanaldecke wieder stabil zu machen, wäre es wahrscheinlich nicht viel teurer, wenn man den Kanal wieder öffnet und vielleicht sogar wieder renaturiert.
Was glauben Sie, was es mit den Menschen macht – auch im Sinne einer Identifikation – wenn sich ihr Wohnort so radikal verändert und nichts Altes stehen bleibt?
Joachim Scheck: Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich. Es gibt sicher Menschen, die da sehr empfindsam dafür sind. Ich selbst empfinde durch die alte Bausubstanz eine gewisse Geborgenheit und schätze auch das Unperfekte im Bauen. So sehen alte Schwarzwälder Bauernhäuser sehr natürlich gewachsen aus. Ich bin auch der Meinung, dass viel zu viel Geld in die Gestaltung von Plätzen aufgewendet wird. Man könnte für die Hälfte oder ein Drittel des Geldes oft schönere Ergebnisse erzielen. Einfach, weil man weniger macht. Weniger Material einsetzt, weniger perfekt alles macht. Das Unperfekte hat etwas menschliches. Das Perfekte ist steril und kalt, hat keine Ausstrahlung. Bei Diskussionen über den Erhalt von alten Gebäuden werden sogenannte messbare Kriterien herangezogen. Aber die atmosphärische Wirkung kann man nicht in Zahlen ausdrücken und nicht beweisen. Dennoch sind diese Kriterien auch ganz wichtig. Doch in unserer Gesellschaft zählen sie nicht.