Ein cooles Retro-Rennrad lehnt an der Wand in seinem Büro, auf dem Tisch liegen Bananen, die er nicht anrühren wird. Stattdessen schaut Oberbürgermeister Martin Horn immer mal wieder aufs Handy und schafft es, während des Sprechens kurze Nachrichten zu verfassen.
Die ersten vier Jahre sind vorbei – überwiegen Ärger und Frust oder Erfolg und Glücksgefühle?
Martin Horn: Es ist Dankbarkeit, aber auch ein Moment des Durchatmens. Es waren vier wahnsinnig intensive, turbulente und ereignisreiche Jahre. Ich habe mich sehr engagiert, Freiburg voran zu entwickeln. Das ist das große Ziel, und ich bin den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus sowie den vielen engagierten Stadträtinnen und Stadträten sehr dankbar, die alle versuchen das Beste für Freiburg zu erreichen. Ich glaube, es hat sich in den vergangenen vier Jahren sehr viel bewegt. Aber die Jahre waren natürlich geprägt von Krisen, einer Herausforderung nach der anderen. Von der gebrochenen Nase in der Wahlnacht über den Bürgerentscheid Dietenbach, den Kommunalwahlen mit rekordmäßig vielen Listen, gefolgt von der Corona-Pandemie, der jetzigen Energiekrise und dem Ukraine-Krieg. Krisen und Herausforderungen sind Normalität geworden.
Sie sind sehr aktiv in den sozialen Medien. Dafür haben Sie auch extra einen Social Media-Profi engagiert.
Martin Horn: Von Anfang an habe ich hier im Rathaus drei Personen, die mich unterstützen: ein Stadtteilreferent, eine verantwortliche Referentin für die Organisation und eine Social-Media-Referentin. Darüber hinaus gibt es noch zwei Kommunikations-Referenten, die mich nicht nur bei den Reden unterstützen, sondern auch mal über Texte drüber lesen. Das Team ist nach wie vor wahnsinnig klein für das, was da geleistet wird. Ich glaube, dass wir gerade in Zeiten von internationaler Politikverdrossenheit und Zersplitterung der Gesellschaft Kommunikationsformen brauchen, die bei den Menschen ankommen. Und dazu gehören neben klassischen Printmedien, Fernsehen und Radio eben auch Social Media, um Menschen da abzuholen, wo sie unterwegs sind. Und wir wollen damit verlässliche und transparente Informationen liefern.
Ist das ein notwendiger Wandel in der Öffentlichkeitsarbeit eines Oberbürgermeisters?
Martin Horn: In manchen Städten finden Bürgermeisterwahlen mit nur noch 20 Prozent Wahlbeteiligung statt. Da gibt es oft Desinteresse, ein Wegdriften von ganzen Bevölkerungsgruppen. Deswegen muss es unsere Aufgabe sein, kommunikativ auf sie zuzugehen, möglichst viele Menschen zu erreichen und sie abzuholen. Ich will Freiburg gestalten und voran bringen, und das will ich natürlich zusammen mit den Freiburgerinnen und Freiburgern machen. Social Media ist dabei ein Kanal, der hilft. Und man bekommt darüber ein Feedback. Oftmals profitieren wir von dem Informationsfluss und den konstruktiv-kritischen Rückmeldungen.
Sie gehen dabei auch weit in den privaten Bereich. Nachträglich noch alles Gute zu Ihrem Geburtstag – denn auch davon war in den sozialen Medien zu lesen. Und ebenso, dass Sie von Ihrer Familie einen Tischkicker geschenkt bekommen haben. Oder von Ihrem Sonntagsspaziergang mit Ihren Kindern. Ist das Private genauso wichtig wie das Amtliche?
Martin Horn: Nein. Bei Social Media haben wir ungefähr ein Verhältnis von eins zu zehn. Also zehn dienstliche, fachliche Posts und darauf kommt ein persönlicher. Aber meine Kinder sind beispielsweise nie mit Gesicht zu sehen. Und meine Frau war, glaube ich, in den vier Jahren nur vier mal auf einem Foto in Social Media. Aber sorry, Social Media funktioniert nicht, in dem sich ältere Politiker händeschüttelnd nebeneinander fotografieren. Social Media lebt von einer Prise Authentizität. Ohne diese und ohne eine gehörige Portion Selbstironie würde ich diesen Job überhaupt nicht aushalten.
Sie wollen an der Städtepartnerschaft mit der iranischen Stadt Isfahan festhalten. Dafür werden Sie stark kritisiert, unter anderem von Amnesty International und der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft. Auch in Isfahan gibt es Folterungen und Hinrichtungen. Kann man eine Partnerschaft aufrecht erhalten, wenn Menschenrechte gebrochen werden?
Martin Horn: Ich verurteile jegliche Gewalt, Menschenrechtsverletzung und Diskriminierungen in unserer Partnerstadt Isfahan. Es ist abscheulich und macht uns alle fassungslos, wie friedliche Demonstranten, die für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie auf die Straße gehen, mit staatlicher Gewalt konfrontiert, nieder geprügelt und verhaftet oder gar getötet werden. Was ist das für eine Regierung, die auf die eigene Bevölkerung schießen lässt? Das ist nicht zu akzeptieren und dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich würde mir von denjenigen, die diese Partnerschaft kritisieren wünschen, dass sie sich selbst mehr für Menschenrechte und direkten Austausch im Iran engagieren…
Sie sprechen von Amnesty International??
Martin Horn: Amnesty macht international einen enorm wichtigen Job. Ich glaube der Sinn von Städtepartnerschaften ist Menschen zusammen zu bringen. Wir betreiben mit Städtepartnerschaften keine Diplomatie, keine Außenpolitik. Es geht um eine Verbindung zwischen zwei Städten, also vor allem zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern. Wir haben mit keiner anderen Stadt mehr Bürgerinnen- und Bürgerreisen gemacht als mit Isfahan in den vergangenen 20 Jahren. Vom Kinderfestival über musikalischen Austausch, bis zu einem gemeinsamen Fußballspiel mit dem SC Freiburg. Ich selbst war noch nie im Iran. Diese Partnerschaft zu politisieren ist meiner Meinung nach einfach unredlich und nicht korrekt. Wir haben keine Partnerschaft mit dem iranischen Regime, sondern mit der Stadt Isfahan. Es gab in fünf Jahren einen einzigen Besuch aus Isfahan, im Jahr 2019. Seitdem gab es einen Klimaaustausch mit der dortigen Stadtverwaltung, wo über erneuerbare Energien und Solaranlagen gesprochen wurde. Wenn Amnesty kritisiert, dass der Oberbürgermeister von Isfahan für alle Todesurteile in seiner Stadt verantwortlich wäre, dann muss ich sagen, nach unserem Informationsstand ist das falsch. Es gibt an dieser Stelle auf kommunaler Ebene eine Trennung. So wenig wie ich verantwortlich bin für Urteile vom Amtsgericht oder für eine Handlung der Bundespolizei am Freiburger Hauptbahnhof, so wenig ist der Isfahaner Kollege verantwortlich für die Verurteilung oder die Vollstreckung von Urteilen. Dies kann man hart kritisieren und das muss man auch, aber das kann man nicht dem Kommunalen zuschieben. Gleichwohl ist mir die Nähe eines Oberbürgermeisters in Isfahan zum iranischen Regime voll bewusst. Es wird wahnsinnig viel über diese Partnerschaft gesprochen, aber viel zu wenig, wie wir tatsächlich den Menschen im Iran beziehungsweise in Isfahan helfen können. Wir versuchen über die Partnerschaft dort etwas zu bewegen, im Kleinen.
Lässt sich Freiburg nicht instrumentalisieren mit der Städtepartnerschaft?
Martin Horn: Ich habe Internationale Soziale Arbeit studiert. Während meines Studiums war ich in Jordanien, im Westjordanland, in Israel, in Botswana. Internationale Solidarität ist doch keine Einbahnstraße. Während Menschen im Iran auf die Straße gehen für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie, diskutieren wir, ob wir eine Partnerschaft beenden, auf Eis legen oder nicht. Sorry, das ist meiner Meinung nach relativ weit weg von der Realität dieser Menschen. Wenn wir was bewegen wollen, müssen wir doch die Kanäle offen halten. 2019 waren Vertreter aus unserer israelischen Partnerstadt Tel Aviv, aus dem Iran und aus den USA bei uns, im selben Raum. Das würde es außenpolitisch nie geben. Was wir mit der Städtepartnerschaft machen können, ist nicht die große Außenpolitik, wir lösen keine geopolitischen Spannungen und wir haben keine Partnerschaft zur Nationalregierung, sondern es geht um die Menschen in dieser Stadt. Ganz ehrlich, ich bin ein wenig ermüdet von dieser Diskussion. Man kann diese Städtepartnerschaft in vielen Bereichen kritisieren, aber die Frage ist doch, was verändert sich durch die Beendigung dieser Partnerschaft? Genau nichts. Wir fühlen uns vielleicht moralisch besser, weil wir denken, wir haben das Richtige gemacht, aber wir reißen die in 20 Jahren aufgebauten Brücken ein. Und ich bin sehr gespannt, wer die danach wieder aufbaut. Ich glaube nämlich nicht, dass das funktionieren wird.
Kritik gab es auch für einen lokalen Vorstoß: An Schulen und Kitas soll es in Freiburg künftig nur noch vegetarisches Essen geben. Können Sie erklären, was der baden-württembergische Minister für Ernährung und Landwirtschaft, Peter Hauk (CDU), daran so schlecht findet?
Martin Horn: Der Bundesminister wiederum findet diese Entscheidung sehr gut. So unterschiedlich persönliche Meinungen sind, so verschieden sind auch politische. Herr Minister Hauk hat, glaube ich, mangels Kenntnis das einfach falsch verstanden. Er sprach von einem Monopol und von möglichen Klagen. Das ist weit weg von jeglicher Realität. Ich frage Sie, wie viel Prozent aller Kita-Einrichtungen in Freiburg sind in städtischer Trägerschaft?
Die wenigsten. Die meisten sind kirchlich oder in freier Trägerschaft.
Martin Horn: Genau. Weniger als 15 Prozent. Das heißt über 85 Prozent sind davon nicht betroffen, weniger als 15 Prozent sind von diesem Beschluss überhaupt tangiert – wow, ein Skandal! Wir reden über 22 Grundschulen, wo wiederum nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler dieses Essen überhaupt in Anspruch nimmt und von denen wiederum ein weiteres Drittel das Essen gratis bekommt.
Ein anderes Vorzeigemodell ist Freiburgs Umgang mit dem Müll. Der ausgestellte Müllklotz auf dem Platz der alten Synagoge, die Knöllchen für „Müllsünder“ und die Kampagne „augen–auf! freiburg – gemeinsam für eine saubere Stadt“. Auf einem der Plakate der Kampagne sind auch Sie zu sehen, mit einem Kaffeebecher im Gesicht. Das ist schon ungewöhnlich…
Martin Horn: Mit meiner Wahl sind verschiedene Sauberkeitskampagnen gestartet. In meinem ersten Jahr haben wir knapp hundert neue Abfalleimer an verschiedene Stellen in der Stadt gesetzt. Mit der jetzigen Kampagne haben wir neben den PR-Aktionen auch angeboten, dass Freiburgerinnen und Freiburger online Wunschplätze für Mülleimer angeben konnten. Daraufhin wurden weitere rund 70 Abfalleimer neu gesetzt. Gleichzeitig wollen wir sagen: 5000 Kilogramm Müll im öffentlichen Raum sind zu viel. Deshalb belassen wir unter anderem den gesammelten Müll an Haltestellen und zeigen ihn dort. Die jetzt viel beachteten Bußgelder haben wir bereits vor mehr als zwei Jahren erhöht. Nun haben wir noch einmal eine Schwerpunktaktion mit dem Gemeindevollzugsdienst gemacht.
Wie wahrscheinlich ist es denn, „Müllsünder“ in flagranti zu erwischen?
Martin Horn: Allein innerhalb von zwei Wochen haben wir 269 Müllverfahren eingeleitet. Für das Wegwerfen von Zigaretten, für Wildpinkeln, Wegwerfen von Verpackungen oder Glasscherben, jeweils zwischen 100 und 150 Euro Strafe.
Der Bund hat gerade ein Förderprogramm für die Freiburger Innenstadt bewilligt: 1,18 Millionen Euro. Was soll damit passieren? Und wieso sollen 30 Prozent davon in den Colombipark gesteckt werden?
Martin Horn: Die Innenstadt ist ja kein starres Konstrukt, sondern sie verändert sich jeden Tag. Wir sehen gerade auch durch die großen Krisen unserer Zeit einen riesigen Druck auf dem Einzelhandel: Energiepreise, Immobilienpreise, verändertes Kaufverhalten und so weiter. Wir haben glücklicherweise immer noch wenig Leerstand, verglichen mit anderen Städten. Wir wollen weiter Menschen in die Stadt locken, um sich hier aufzuhalten, Essen zu gehen, einzukaufen und sich zu treffen. Freiburg soll vor allem für inhabergeführten Einzelhandel stehen. Deshalb haben wir den kostenlosen ÖPNV an drei Samstagen im Jahr gestartet. Wir wollen aber auch weiter Konzertreihen auf dem Münsterplatz organisieren. Ein Begrünungskonzept ist zusammen mit dem Sauberkeitssystem Teil des Förderpaketes. Und auch mit einem neugestalteten Colombipark wollen wir unsere Innenstadt schöner machen.
Anfang 2019 wurde das Referat „Bezahlbares Wohnen“ eingerichtet, das direkt Ihnen unterstellt ist, 2020 dann das neue Stadtbau-Konzept: Mietobergrenze, Sozialbonus, 1000 neue Wohnungen bis 2030. Könnte sich die Stadt damit finanziell übernehmen?
Martin Horn: Wir haben die größte Wohnbauoffensive in der Geschichte der Stadt gestartet. Ich glaube nicht, dass wir uns damit übernehmen, sondern dass es eine zwingende Notwendigkeit ist. Es ist ein ausgewogenes Konzept über einen Finanzierungszeitraum von zehn Jahren. Das Ziel sind über 1000 neue Wohnungen im eigenen Bestand. Das wird geplant über die nächsten Jahre und kann sich mal beschleunigen, mal entschleunigen, da sind die Zinsentwicklungen, die Baukostenentwicklung. Aber die Botschaft ist doch, dass wir mehr bezahlbare Wohnungen brauchen. Viele verstehen bis heute nicht, was geförderter Wohnraum heißt. Beispielsweise kann eine Familie mit zwei Erwachsenen und drei Kindern fast 80.000 Euro im Jahr verdienen, damit sie in eine sozial geförderte Wohnung einziehen darf. Eine einzelne Person darf 52.700 Euro jährlich verdienen, um eine sozial geförderte Wohnung beziehen zu können. Für wen sollen wir denn sonst bauen? Genau für die Menschen mit mittlerem oder geringem Einkommen brauchen wir Wohnraum.
Im Baugebiet Kleineschholz sollen nur gemeinwohlorientierte Unternehmen zum Zug kommen, damit das Wohnen preisgünstig, sozial und ökologisch wird. Die private Bauwirtschaft spricht von „Wettbewerbsverzerrung“…
Martin Horn: Wir entwickeln Kleineschholz zu 100 Prozent gemeinwohlorientiert, nur Genossenschaften, Freiburger Stadtbau, Mietshäusersyndikat sowie Freiburgerinnen und Freiburger, die für sich selbst planen, bauen und dort einziehen. Wir haben seit vielen Jahren in unserer Stadt eine erhebliche Schieflage, so dass sich Normalverdienende keine Wohnung mehr leisten können. Das ist schädlich für die soziale Gerechtigkeit, für die Wirtschaftlichkeit unserer Stadt, schädlich für unglaublich viele Familien, Alleinerziehende, Arbeitnehmende, für alle, die gesamte Gesellschaft. Und deshalb müssen wir uns so gut es geht anstrengen. Das ist ein Kampf David gegen Goliath. Wir können das als Stadt nicht alleine schaffen. Wir sind hier eine der mutigsten Städte in ganz Deutschland. Es gibt meiner Meinung nach keine andere Stadt mit so einer hohen Sozialquote. Es gibt kaum eine andere Stadt mit 100 Prozent gemeinwohlorientierten Baugebieten. Wir gehen aktiv gegen Mietwucher vor. Bei uns kann man Leerstand online melden. Und wir werden dazu übergehen, für bestimmte Berufsgruppen wie PflegerInnen oder ErzieherInnen Wohnungen anzubieten. Wir haben in vier Jahren Martin Horn 110 Millionen Euro Schulden aufgenommen, aber in dieser Zeit auch für 330 Millionen Euro Werte geschaffen. Das ist in der Quote ziemlich gut. Es ist ein Paradigmenwechsel, dass wir keine Grundstücke mehr verkaufen.
Und was ist mit dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung?
Martin Horn: Was ist denn meine Aufgabe als Oberbürgermeister? Meine Aufgabe ist es doch, aktiv gegen die Schieflage vorzugehen und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Wir haben ein Riesenprojekt im Milliardenumfang, Dietenbach. Wir brauchen die privaten Bauherren, die private Bauwirtschaft, ebenso wie die Genossenschaften und die Stadtbau. Wenn wir aber jetzt ein kleines Pilotprojekt zu 100 Prozent gemeinwohlorientiert machen, dann ist das genau das Richtige. Wir machen etwas, bei dem alle gesagt haben, das funktioniert niemals. Und wir sehen jetzt schon, dass das Interesse viel größer ist, als das, was wir eigentlich anbieten können. Der Bedarf in unserer Stadt ist riesig.
Das andere große Thema ist der Stadttunnel. Wie viel Spielraum nimmt man sich, wenn man in einen Stadttunnel investiert, der vielleicht 2040 umgesetzt wird, statt über eine grundlegende Verkehrsminderung nachzudenken?
Martin Horn: Machen Sie mir mal einen Vorschlag, wie das funktionieren soll.
Vielleicht könnten Sie sich als großer SC-Fan mal mit Volker Finke, dem Ex-Trainer des SC, zusammensetzen und das erörtern? Er hat ja klare Argumente gegen den Stadttunnel.
Martin Horn: Ich besitze privat kein Auto, als Stadt machen wir eine sehr mobilitätsfreundliche Politik, gerade auch für zu Fuß Gehende und Radfahrende sowie eine enorme Stärkung für den ÖPNV. Damit sich der Individualverkehr mit PKW deutlich reduziert. Das versuchen wir, darauf zielen wir ab, mit ganz vielen Maßnahmen. Und gleichzeitig ist es doch eine Illusion zu denken, dass wir den Verkehr um Freiburg herum lenken könnten. Wie soll das denn funktionieren? Die meisten Autos, die heute über die B31 durch Freiburg rollen, fahren eben in eine Ortschaft hinter Freiburg oder Be- und Entladen irgendwo auf dem Weg in den Schwarzwald. Es geht ja nicht um eine neue Straße, sondern nur um eine Verlagerung. Wir nehmen oben die eine Seite komplett weg, und verlagern sie unter die Erde. Ich freue mich immer über konstruktive, gute Alternativen. Ich sehe aktuell keine bessere als den Stadttunnel. Und ich verstehe ihn als Stadtentwicklungsprojekt. Wir verlängern die Kajo am Holzmarkt vorbei, bis zum Dreisamufer, um dann dort eine zum Teil fünfspurige Straße zurückzubauen und begrünen zu können, mit Radstreifen und Fußgängerweg und einer schön gestalteten Parkanlage. Das hat aus meiner Sicht einen riesigen Mehrwert für unsere Stadt. Von daher freue ich mich, wenn wir durch den Stadttunnel den – vielleicht auch irgendwann reduzierten – PKW-Verkehr unter die Erde verlagern, so dass wir die Dreisam innerstädtisch ganz neu beleben können und die ganzen Durchfahrten an der Stelle nicht mehr haben.
Viele Freiburger wissen im Vergleich zu den Hornbachern vielleicht nicht, dass Sie als Martin Hoffmann geboren wurden. Sie haben den Namen Ihrer Frau Irina angenommen. Und Sie haben Elternzeit nach der Geburt Ihres dritten Kindes in Anspruch genommen. Nur drei Prozent der Bürgermeister in Baden-Württemberg gehen in Elternzeit und nur sechs Prozent alle deutschen Ehemänner nehmen den Nachnamen ihrer Frau an. Sehen Sie sich als Vorreiter?
Martin Horn: Ich mache Dinge nicht, um damit etwas zu zeigen oder besser bzw. anders zu sein als andere. Das war eine ganz bewusste Entscheidung. Da geht es auch um Fairness und Gerechtigkeit. Ich habe das mit meiner Frau besprochen und fand es ein schönes Zeichen, den Nachnamen meiner Schwiegerfamilie anzunehmen. Ich habe drei Schwestern, alle drei heißen Hoffmann, der Name besteht also weiter. Ich habe mit der Annahme des Namens Horn nicht meine Identität verloren, sondern fand das ein Zeichen gegenseitiger Wertschätzung. Bei meiner Elternauszeit gab es vereinzelte Stimmen, die das kritisiert haben, die sagten, dass ein Oberbürgermeister keine Elternzeit nehmen könne. Da kann ich echt nur den Kopf schütteln. Das waren zweimal vier Wochen, einmal in der Sommerpause und dann im Februar, dem Geburtsmonat unserer Tochter, während der Corona-Pandemie, wo noch nicht mal Oma und Opa gleichzeitig zu Besuch kommen durften. Das ist doch das Mindeste, das schönste Glück auf Erden, die Geburt des eigenen Kindes mitzuerleben. Die Geburt eines Kindes und die ersten Wochen sind etwas ganz Besonderes, das kann man nie wieder zurückholen. Von daher kann ich alle nur ermutigen, sich diese Zeit zu nehmen. Es ist so was Kostbares, das würde ich auf keinen Fall missen wollen.
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