Don Donald ist das Gegenteil des Paten Don Corleone

Der amerikanische Präsident spielt den amerikanischen Präsidenten Donald Trump in einer Reality-TV-Show im grellen Scheinwerferlicht. Nun ja, er inszeniert nur sich selbst.

Der eine liebt das grelle Scheinwerferlicht, um sich persönlich in den Mittelpunkt zu stellen. Der andere agierte aus dem Halbdunkel: „Es geht nur ums Geschäft. Nicht um Persönliches.“ Fotomontage: Adrian Kempf

Es gibt da diese Filmszene, ziemlich zu Beginn des Mafia-Epos „The Godfather“ („Der Pate“) von Francis Ford Coppola aus dem Jahr 1972. Da alle wissen, dass ein Sizilianer zur Hochzeit seiner Tochter niemandem eine Gefälligkeit ausschlagen darf, tritt auch der Bestattungsunternehmer Bonasera auf, dessen Tochter das Patenkind von Don Vito Corleones Frau ist. Er bietet dem Paten Geld an, damit dieser zwei jugendliche Rowdies krankenhausreif prügeln lässt, weil sie Bonaseras Tochter misshandelt und entstellt haben. Und was sagt Don Vito (legendär gut gespielt von Marlon Brando)? „Womit habe ich das verdient? Wärst du als Freund gekommen, würden noch heute diese Männer leiden.“ Daraufhin fällt Bonasero auf die Knie, küsst den Ring des Paten und sagt: „Don Corleone, wollen Sie mein Freund sein?“ Jetzt weiß man nicht, ob Donald Trump ein Kinogänger ist (wirkt irgendwie nicht so). Aber jedenfalls stellt Trump sich seine Rolle als Don Amerika der Welt so vor. Wolodimir Selenskij hätte ihm den Ring küssen sollen, nebenher auch noch einen (ziemlich schlechten) „Deal“ über Rohstoffe wie die begehrten „seltenen Erden“ unterschreiben sollen. Und dies alles vor laufenden Kameras. Nach dem folgenden Eklat sagte Trump am Ende der Live-Übertragung aus dem weißen Haus: „Was denkt ihr, hm? Das wird tolles Fernsehen.“ („This is going to be great television.“) Das ist Politik als Reality-Show, mit Donald Trump als TV-Star.

Denn das ist die Rolle, die Trump berühmt gemacht hat: Wie früher der Schauwert der TV-Realty-Serie „TheApprentice“ (wo Donald Trump den Baulöwen Donald Trump spielt) in der theatralischen Demütigung anderer lag, so will er dieses TV-Format jetzt als Präsident ganz groß aufführen. Er wiederholt also seine wohl auf ewig einstudierte Rolle quasi in XXL. Und dies wurde auch vorbereitet: Wenige Tage vor der öffentlichen Demütigung Selenskijs  hat das Weiße Haus nämlich die Regeln geändert – nicht mehr die seit 1914 bestehende „White House Correspondents’ Association“ wählt aus, wer ins Oval Office oder in die Präsidentenmaschine Air Force One darf, sondern Trumps Presseteam. Und der US-Präsident legt neuerdings Wert darauf, dass ausführlich aus seinem Büro übertragen wird, selbst jetzt, bei einem so heiklen Gipfel. Diplomatie als Reality-Show.

Die perfide Show live auf Sendung

Der Eklat am denkwürdigen 28. Februar 2025 im Oval Office des Weißes Hauses nahm im Grunde seinen Anfang ja dann auch mit der gehässigen Frage eines Journalisten. Der fragt den ukrainischen Präsidenten: „Warum tragen Sie keinen Anzug?“ Gelächter im Raum. Gegenfrage von Selenskij, der diese Kleidung seit Kriegsbeginn als eine Art Statement trägt: „Haben Sie Probleme?“ Eine Menge Amerikaner hätten Probleme damit, „dass Sie dieses Amt nicht respektieren“, sagt der Reporter. Er heißt Brian Glenn, arbeitet für den extrem rechten Sender Real America’s Voice, und es ist kein Zufall, dass er an diesem Tag hier steht. Denn dieser Brian Glenn, der sich da an Selenskijs Kleidung stört, ist ein Medienstar von Trumps Maga-Bewegung und Lebensgefährte der republikanischen Abgeordneten und Trump-Verehrerin Marjorie Taylor Greene. „Ich bin so stolz auf Brian Glenn, weil er darauf hingewiesen hat, dass Selenskij so viel Respekt vor Amerika hat, dass er nicht einmal im Oval Office einen Anzug tragen kann, wenn er bei unserem Präsidenten um Geld bettelt!!!“, schreibt sie später auf Facebook. Dass Elon Musk gerade erst im selben Raum mit T-Shirt und Maga-Basecap hier zur Presse-Konferenz erschienen ist – was solls!

Mit dieser Reporter-Inszenierung ist das perfide Thema aufgemacht: „Respektlosigkeit!“ Darauf stürzt sich dann der US-Vizepräsident J. D. Vance, 40, mit boshafter Absicht.  „Denken Sie, dass es respektvoll ist, ins Oval Office der Vereinigten Staaten von Amerika zu kommen und die Regierung anzugreifen, die versucht, die Zerstörung Ihres Landes zu verhindern?“, so Vance. Dabei hatte Selenskij zuvor nur die Frage gestellt, ob Diplomatie mit einem Mann wie Wladimir Putin überhaupt Sinn ergibt. Und dann kam die Krönung der Verdrehung des gesamten Schauspiels: Vance sagte zu Selenskij, er halte es für respektlos, „wenn Sie ins Oval Office kommen und das hier vor den amerikanischen Medien ausdiskutieren“.

Dabei war alles von Trumpf, Vance und Co. als Medienspektakel inszeniert gewesen. Normalerweise laufen solche diplomatischen Gespräche nach kurzer öffentlicher Begrüßung doch hinter verschlossenen Türen ab. Es war ja nicht Selenskij, der die Kameras bestellt hatte. Und diese dienten außerdem auch nur dazu, dass König Trump seine Reality-TV-Show hatte. 

Der ukrainische Präsident war ja nach Washington gekommen, um einen Vertrag mit Donald Trump zu schließen, einen Deal, der nichts anderes war als ruchlose Erpressung: Gib mir deine Bodenschätze, oder Putin kann mit deinem Land machen, was er will. Diese Reise überhaupt anzutreten, muss Selenskij einige Überwindung gekostet haben. Aber offenbar war er zu der Einschätzung gelangt, dass er ja keine Alternative hatte. Dass er dafür aber in einer öffentlichen TV-Szene auch noch den Ring des Paten küssen sollte, war ihm wohl doch zu viel.

 Als der Eklat dann vor laufenden Kameras immer wilder wucherte, nahm Trump eine für einen „Paten“ (gemessen an Coppolas Meisterwerk)  sehr schwache Position ein. Er musste nämlich darauf hinweisen, dass er ja der „Pate“ sei, der alle Karten in der Hand habe. Sagen wir so: Das hätte Don Corleone nicht nötig gehabt. So sagte Trump also zu Selenskij: „Sie haben im Moment keine Karten in der Hand.“ „Ich spiele nicht mit Karten. Ich meine es sehr ernst, Mr. President. Ich bin der ukrainische Präsident in einem Krieg“, antwortet Selenskij. „Sie spielen mit dem Leben von Millionen Menschen“, sagt Trump. „Sie spielen mit dem Dritten Weltkrieg.“

Dies sind einige der wohl perfidesten Sätze, die aus diesem Raum jemals öffentlich zu hören waren. Trump und Vance führen Selenskij vor, sie behandeln ihn wie einen Feind. Und sie schieben alle Schuld auf ihn, egal was kommen mag. Jetzt soll plötzlich die überfallene Ukraine daran schuld sein, dass sie sich wehrt. „Hätten Sie nicht unsere militärische Ausrüstung, wäre dieser Krieg in zwei Wochen vorbei gewesen“, sagt Trump. „In drei Tagen“, sagt Selenskij sarkastisch. „Ich habe es von Putin gehört.“ Es werde „sehr schwer, einen Deal zu machen“, sagt Trump. Karten. Deal. Die Welt als Pokerspiel.

Das Vertrauen in die USA ist weg

Der Freitag, der 28. Februar 2025, war der Tag, an dem Donald Trump seinen Gast Wolodimir Selenskij im Oval Office anblaffte und demütigte. Es war der Tag, an dem der amerikanische Präsident einen demokratisch gewählten Kollegen aus einem verbündeten Staat, der gegen einen imperialistischen, diktatorischen Aggressor ums nackte Überleben kämpft, aus dem Weißen Haus warf. Es war der Tag, an dem Amerika aufhörte, die Führungsmacht der freien Welt zu sein und die Schutzmacht des demokratischen Westens. Denn Trump hat vor den Augen der Weltöffentlichkeit – und Wladimir Putins – Zweifel an der Verlässlichkeit der USA gesät. Dieser Zweifel reicht, um die Nato zu einem nur noch auf Papier existierenden  Bündnis zu machen. Vor dem 28. Februar konnte man darüber spekulieren, wie groß Trumps Bereitschaft ist, die Allianz zu verteidigen. Nach dem 28. Februar kann man ihm schlicht nicht mehr trauen. (Siehe Seite 9)

Im Lager der Trump-Deuter finden sich die Anhänger der Mad-King-Theorie, der zufolge der König völlig unberechenbar ist und daraus seine Macht schöpft. Aus Sicht dieses Lagers kann es mit Trump niemals Verlässlichkeit geben, weder für Wladimir Putin noch für Wolodimir Selenskij. Der Präsident vergibt seine Gunst nach Tageslaune und bleibt danach aber weiter unkalkulierbar und gefährlich.

Das mag sein, aber es geht Trump vor allem um das grelle Scheinwerferlicht, in dem er seine Reality-TV-Show inszeniert. Und das ist das Gegenteil des Paten Don Corleone in Coppolas Film. Der agierte leise aus dunklen Räumen: „Es geht ums Geschäft. Nicht um Persönliches.“