Die SPD hat eine Idee: Aus „Alt“ mach „Jung“ könnte man diese zusammen fassen. Denn der Parteivorstand beschloss ein Strategiepapier, das im Prinzip den Kern des nächsten Wahlkampfes umschreibt. Sechs Seiten, 198 Zeilen, der Titel: „Wir kämpfen für Deutschlands Zukunft: Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze sichern, Beschäftigte entlasten.“ Im Prinzip sind es fünf Punkte, wie die in Umfragen halb so starke SPD das Blatt gegen die Union wenden will. Voller Optimismus und in einer etwas schräger Sprache sagte SPD-Chef Lars Klingbeil dazu: „Meine Überzeugung ist, Wahlsiege lassen sich organisieren.“
Es gehe um die Frage: „Wir oder die Merz-CDU.“ Ja okay, der zweite Punkt könnte noch interessant werden, da Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union ja durchaus Angriffsflächen bietet. Aber der erste Satz markiert im Grunde genau das Problem der Kanzler-SPD. Denn mit dem „Organisieren“ hat es in den letzten Jahren schwer gehapert unter Olaf Scholz als Regierungschef. So mancher Wähler mag sich zudem fragen, ob er denn von der SPD überhaupt „organisiert“ werden will. Und dummerweise sind es wohl vor allem junge Wähler, die ihre Stimme nicht mehr der SPD geben, die derzeit vor allem noch bei den Rentnern punktet. Da wird es schwer, aus „Alt“ noch „Jung“ zu machen.Erklärtes Ziel der SPD-Wahlkämpfer ist es, wenig überraschend, Unions-Kandidat Friedrich Merz als abgehoben darzustellen, als einen, der eine Politik von gestern verfolge. Auch das Argument, dass der CDU-Kanzlerkandidat noch nie ein Regierungsamt hatte, wird zur Wahlkampfmunition gehören. Und die SPD will auch seine Tätigkeiten als Unternehmer kritisch hinterfragen. Die Wirtschaftspolitik der CDU unter ihrem Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz kritisiert die SPD in dem Papier scharf. „Wer die Beschäftigten in Deutschland als faul beschimpft und ihnen gute Löhne und sichere Renten verweigert, der hat den Respekt für die wahren Leistungsträger verloren, die unser Land mit ihrer harten Arbeit jeden Tag am Laufen halten“, heißt es in dem Papier. „Dazu gehören auch die vielen Millionen Beschäftigten mit Migrationsgeschichte und ihre Familien, die jeden Tag erleben müssen, von CDU und CSU als ‚Problem‘ bezeichnet zu werden.“ Na schön, ein Angriff auf Merz. Ob eine solche Strategie allerdings ausreicht, das in den letzten vier Regierungsjahren unter Scholz verlorene Vertrauen wieder zu gewinnen, darf bezweifelt werden.
Was steht denn im SPD-Strategiepapier?
Die SPD will sich im Bundestagswahlkampf für eine grundlegende Einkommenssteuerreform einsetzen, die 95 Prozent der Steuerzahler entlastet. Dafür sollen die höchsten ein Prozent der Einkommen stärker besteuert werden. „Wir wollen, dass die Menschen mehr Geld in der Tasche haben“, heißt es in dem SPD-Strategiepapier. „Diese Reform wird den Menschen mehr finanziellen Spielraum geben und die Kaufkraft stärken. Damit kurbeln wir die Wirtschaft von unten und aus der Mitte der Gesellschaft an“, heißt es weiter. Ganz offensichtlich stellen sich also Klingbeil und Co. mit dieser Idee gegen die Äußerungen von Merz, der ja kürzlich gefordert hatte, dass man „den Besserverdienern mehr Respekt“ entgegenbringen solle. Ist also purer Wahlkampf, da man Merz damit attackieren will, sich für sich selbst (als Besserverdiener) stark zu machen. In dem Papier setzt sich die SPD auch für einen Mindestlohn von 15 Euro, mehrere Maßnahmen zur Förderung des Absatzes von E-Autos und eine Reform der Schuldenregeln ein. Na ja, diese Idee bräuchte allerdings weit mehr Stimmen als nur den Wahlsieg über die Union. Denn die Schuldenbremse ist es ja auch, die in der momentanen Ampel-Koalition fast alle Probleme verursacht hat. Die Ampel hat sich tatsächlich nie davon erholt, dass das Bundesverfassungsgericht die von Olaf Scholz (noch als Finanzminister) entwickelte Konstruktion kassiert hat, 60 Milliarden Euro an nicht verbrauchten Corona-Geldern in einen Klima- und Transformationsfonds umzuwidmen.
Seither fehlt das Geld, mit dem Olaf Scholz und seine SPD so viele Probleme befriedigen könnte. Nun also die „neue“ Idee für die Zukunft: Um Investitionen in Deutschland zu fördern, will die Partei die Unternehmenssteuern zwar nicht senken. Stattdessen will sie aber „umfassende Superabschreibungen und Steuerprämien für Unternehmen an Investitionen in Zukunftsbranchen und gute Arbeitsplätze am Standort Deutschland knüpfen“, heißt es im Strategiepapier. „Wer in Deutschland investiert, erhält steuerliche Vergünstigungen.“ Sprich: Germany first. Soll im SPD-Slang heißen, dass „Made in Germany“ belohnt werden soll. Könnte sein, dass sich Olaf Scholz das von dem von ihm verehrten Joe Biden abgeschaut hat, der es in den USA ja ähnlich gemacht hat.
Um den Verkauf von E-Autos zu fördern, soll unter anderem eine Kaufprämie geprüft werden. Außerdem will die SPD eine E-Auto-Quote für Leasinganbieter einführen und E-Dienstwagen steuerlich fördern. Zudem brauche es von Bund und Ländern mehr Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. „Die Zukunft unseres Autolandes Deutschland liegt in der E-Mobilität“, heißt es in dem Papier dazu.
Lauter Prämien der SPD, die wenig bringen
Das alles ist im Prinzip ein alter Hut. Die SPD will den Erfolg von 2021 wiederholen, als sie mit Mindestlohn, Rente und Wohnungsbau warb. Damals war Lars Klingbeil ja noch als Generalsekretär für die Wahlkampagne zuständig und jetzt will er als SPD-Chef den kommenden Wahlkampf wieder mehr an sich ziehen. Dabei will Klingbeil und sein neuer Generalsekretär Matthias Miersch den Realo-Kanzler Olaf Scholz ein Stückchen weiter nach links bewegen und der Partei eine ähnliche Anmutung geben wie 2021 – mit der Forderung nach Hilfen für die Industrie und der Rettung von Arbeitsplätzen, mit einem stabilen Rentenniveau und einer gelockerten Schuldenbremse, die dem Staat all diese Ausgaben ermöglicht.
Das ist also alles nicht neu. Das Problem dabei ist dann aber die Umsetzung. Wie soll es funktionieren, die Schuldenbremse zu lockern? Welches Szenario würde das erlauben? Es reicht hier nicht, im Wahlkampf zu suggerieren, die Fesseln der Ampel lösen und die Sparvorgaben der FDP abschütteln zu wollen. Man kann den Wählern ja das Blaue vom Himmel versprechen und sich die tollsten Prämien ausdenken – aber ohne frisches Geld sind das leere Versprechen.
Aus der „Respekt“-Kampagne von 2021 wird eine „Charakter“-Kampagne 2025
Die Währung, die in einem Wahlkampf wirklich zählt, heißt: Vertrauen. Denn die SPD verfügt nicht mehr über ein Milieu, das sie wählt, weil es sie schon immer gewählt hat. Zudem teilt die Mehrheit der Deutschen keineswegs die Heilsversprechen der SPD: Die Schuldenbremse ist bei den Deutschen beliebter als Staatshilfen für die Autoindustrie.
Vor allem aber bleibt die entscheidende Frage bezüglich des Vertrauens in die SPD unbeantwortet: Wieso ist die Zustimmung der Wähler nach dem Überraschungscoup 2021 in der Regierungszeit des SPD-Kanzlers Scholz in den Keller gerutscht? Dabei hat die SPD mit ihrem Kanzler ja tatsächlich zentrale Wahlversprechen in die Tat umgesetzt, wie etwa den Mindestlohn und auch die Hilfen in der Energiekrise. Bei der Rentenreform könnte das auch noch gelingen, trotz des teilweise Widerstandes der FDP.
Trotz solcher Erfolge wirkt Olaf Scholz als Kanzler irgendwie verschlissen. Er ist belastet durch vier Jahre Ampelchaos, selbst wenn man ihm dies eigentlich nicht persönlich ankreiden kann. Aber in der Währung „Vertrauen“ hat er verloren. Und es befremdet, dass Olaf Scholz so tut, als würde sowieso alles gut.
Wenn nun aus der „Respekt“-Kampagne von 2021 die Charakter“-Kampagne 2025 werden soll, ist dies ein zweischneidiges Schwert. Denn das suggeriert ja, dass Olaf Scholz mehr Charakter habe als seine bei der Bundestagswahl antretenden Konkurrenten Merz und Habeck. Böse Zungen könnten da glatt behaupten, dass es der SPD mit dieser Wahlkampagne am Respekt vor der demokratischen Mitte fehlt. So lassen sich nur Untergänge „organisieren.“