Du bist ja selbst Profi im Medienbetrieb. Du recherchierst, du verarbeitest täglich alle möglichen Nachrichten, du publizierst und wertest dabei. Du bist keiner, der „Mainstream“ automatisch als einen Begriff der Beschimpfung einordnet. Zu deiner täglichen Arbeit gehört es, sowohl die Hauptflüsse der Information wie auch verästelte Nebenflüsse zu checken. Du taugst kein bisschen zum Verschwörungsheini, denn dafür holst du dir deine Informationen auf zu breiter Basis, sozusagen aus allen Lagern. Du lebst nicht in einer Blase und du bist vor allem auch nicht der Meinung, dass du schlauer seist als der Großteil der Menschheit.
Wie der Übergang von der Corona-Krise zur Ukraine-Krise medientechnisch gelaufen ist, gibt allerdings Anlass zur kritischen Nachfrage. Denn das zeigt schon, wie die Medienwelt funktioniert und welche Unschärfen, ja sogar Untiefen da lauern. Du darfst dir und anderen vor Augen führen, was da schief läuft, gerade weil du selbst im Medienbetrieb arbeitest.
In zwei Jahren Corona-Pandemie war es so, dass jeden Tag die mediale Aufmerksamkeit darauf gerichtet war. In allen großen Tageszeitungen war Corona stets auf den Titelseiten, es gab jede Menge Corona-Extra-Sendungen in ARD, ZDF, RTL und sonstwo, die Talkshows war befüllt mit mehr oder minder begabten Experten zum Thema. Es war unvermeidlich, jederzeit die aktuellen Inzidenzwerte zu kennen und die Zahl der täglich verstorbenen Menschen. Sie waren online und offline einfach omnipräsent. Und du dachtest, dass dies wohl so in Ordnung ist. Schließlich ging es um Leben und Tod.
Bis am 24. Februar Russland die Ukraine überfiel. Der Schock über den Krieg in Europa hat natürlich völlig zu Recht ein Beben in den Medien ausgelöst. Anfangs gab es rund um die Uhr den Live-Ticker auf allen Kanälen, in allen Zeitungen, auf allen online-Portalen. Wo zuvor die Corona-Extra-Sendungen waren gab es jetzt die Ukraine-Krieg-Extra-Sendungen und die Talkshows sind seither befüllt mit mehr oder minder begabten Kriegsexperten.
So weit, so klar. Zu dem Zeitpunkt, als der Krieg in der Ukraine ausbrach, starben übrigens täglich weiterhin mehr als 200 Menschen in Deutschland an oder mit Corona. Doch das war seit dem Kriegsausbruch kaum noch eine Nachricht wert. Warum? Führt das nicht die mediale „Begleitung“ in den zwei Jahren Pandemie ad absurdum?
Denken hier Medienschaffende etwa, dass das geneigte Publikum halt nur ein Thema des Schreckens verkraften kann, aber nicht deren zwei? Wird daher der grauenhafte Krieg in der Ukraine ins Verhältnis gesetzt zu einer nach zwei Jahren medial ausgelutschten Pandemie, von der eh keiner mehr etwas hören, sehen, lesen will?
Inzidenzwerte und Ansteckungsgefahr sind in der Ukraine angesichts der Raketen, Bomben und dem Morden hinten an zu stellen. Klar. Aber was sagt das über das Mediengeschäft aus, wenn es nur einer noch größeren Katastrophe bedarf, um die zuvor über Jahre dominierende einfach von der Bildfläche verschwinden zu lassen?
Nichts Gutes. Denn es bedeutet, dass sich die Berichterstattung auf das größtmögliche Unheil fokussiert, um dieses medial „auszuleuchten“ (von „ausschlachten“ willst du in Zeiten des realen Krieges nicht reden).
Der Schwenk der ganzen Medien-Karawane von Corona auf Ukraine-Krieg ist an sich schon bedenklich. Bei der täglichen Berichterstattung über den Ukraine-Krieg kommt jedoch noch etwas hinzu: Die auf allen Kanälen vermittelten Informationen sind nie aus erster Hand. Keiner, der da berichtet, ist an der Front dabei. Da hilft es auch nichts, wenn überall angefügt wird, dass sich die über die Medien ständig verbreiteten Informationen „nicht unabhängig prüfen lassen“. Es stellt sich umgekehrt sogar die Frage, wie man in der Medienwelt eine solche Fülle von nicht überprüfbaren Informationen verbreiten kann.
Es ist eine alte Erkenntnis, dass im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt. Alles ist derzeit reine Propaganda, nicht nur von Russland, sondern auch von der Ukraine. Keiner kann sicher sagen, wie der Kriegsverlauf tatsächlich ist. Trotzdem wird in den Zeitungen, den TV-Sendern, den Talkshows, den online-Portalen dauernd und ständig sozusagen aus allen Rohren darüber berichtet. Wie kann das sein? Und wie lächerlich ist es, wenn immer wieder Geheimdienste wie etwa aus Großbritannien ihre Einschätzungen zum Kriegsverlauf über die Medien absetzen? Hallo? Es handelt sich um GEHEIMdienste und nicht um zuverlässige Quellen.
Klar, Propaganda ist im Krieg eine Waffe. Die westliche Welt will diese Waffe gegen Putin einsetzen. Aber was alles im Medienbetrieb so durchgereicht wird, das gibt schon grundsätzlich zu denken. Wir sollten wissen, dass wir nichts wissen! Krieg ist nicht Entertainment.