Es ist in mehrfacher Hinsicht bizzar, womit sich die obersten Verfassungsrichter beschäftigen müssen. Denn es wäre ja nicht völlig undenkbar gewesen, dass sich die Bundesländer mit ihren Fußball-Bundesligisten, also der hier zuständigen „Deutsche Fußball Liga“ (DFL) außergerichtlich hätten einigen können. Aber nein, weil wir in Deutschland sind, wird erst mal schön durch alle Instanzen geklagt, bevor man doch blechen muss. Um was ging es eigentlich? Wer soll zahlen für besonders hohe Polizeikosten bei Fußballspielen, allein die Steuerzahler oder auch die Vereine? Über diese Frage stritten die Hansestadt Bremen und die Deutsche Fußball Liga (DFL) mehr als zehn Jahre lang über verschiedene Instanzen hinweg. 2014 hatte Bremen der DFL erstmals eine Rechnung geschickt, für das Derby Werder gegen den Hamburger SV. Die DFL klagte dagegen. Später schickte Bremen weitere Rechnungen, inzwischen geht es um mehr als drei Millionen Euro. Nun hat das Bundesverfassungsgericht diesen Rechtsstreit beendet: Bremen darf die DFL bei bestimmten Bundesligaspielen, nämlich den sogenannten Hochrisikospielen, an den Polizeikosten beteiligen.
Vor dem Urteil waren die Positionen klar verteilt: In einer bizarren Routine rückt die Polizei Woche für Woche bei Hochrisikospielen zum Großeinsatz aus, als stehe ein Terroranschlag bevor. Die Kosten dafür lagen bisher allein beim Bundesland. Kritiker sagten, hier werden Gewinne privatisiert und Kosten sozialisiert. Auf der Gegenseite argumentierte die DFL, dass sie ja bereits erhebliche Summen an Steuern an den Staat zahlt, der die Einsätze der Polizei genau darüber finanziert. Laut der DFL zahlen die Vereine der Bundesliga und der 2. Bundesliga pro Saison mehr als 1,6 Milliarden Euro an Abgaben. Da müsste doch wohl der eine oder andere größere Polizeieinsatz drin sein.
Aber das sahen die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe anders. „Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss“, so lautet ein Obersatz der Entscheidung. Er räumt auf mit der Vorstellung, Polizeiarbeit sei Verfügungsmasse für Geschäftsinteressen jeder Art, egal, welche Sicherheitsprobleme sie anrichten. „Sie ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist.“
Die Vereine können sich laut Gericht der Gebührenpflicht auch nicht mit dem Argument entziehen, dass sie gegen die Gewalt der Problemfans, die marodierend die Innenstädte verwüsten, nichts ausrichten könnten. Eine individuelle Zurechnung von Kosten setze nicht die polizeiliche Verantwortlichkeit der Vereine voraus, erläuterte das Gericht – die Klubs müssen nicht schuld sein an Schlachten, die sich oft außerhalb des Stadions abspielen. Für eine Gebührenpflicht genügt es, dass sie den Anlass bieten. Und dass sie Nutznießer des polizeilichen Sicherheitsaufwands sind. Damit entschied das Verfassungsgericht so, wie sich das die Mehrheit der Deutschen wünscht: 2019 sagten in einer repräsentativen Umfrage des WDR 90 Prozent, die DFL solle sich an den Polizeikosten beteiligen. Warum auch nicht? Die Kosten für Polizeieinsätze beim Fußball sind ziemlich hoch, etwa 140 Millionen Euro pro Saison, wie die Sportschau ausgerechnet hat. Und die DFL verdient sehr viel mit diesen Spielen, in der vorletzten Saison machte die DFL erstmals mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz. Ohne die Veranstaltung, also das jeweilige Hochrisikospiel, bräuchte es auch nicht den Einsatz der zusätzlichen Polizisten, schrieb das Gericht in seinem Urteil. Im Gegenzug streiche der Fußball ja auch die mit diesen Spielen erzielten Gewinne ein. Es sei deshalb legitim, wenn die Mehrkosten für Polizeieinsätze nicht allein die Steuerzahler schultern, sondern auch „die wirtschaftlichen Nutznießer“ der Polizeieinsätze.
Das Gericht hat aber auch klar gestellt, dass es nur um besondere Mehrkosten bei ganz bestimmten Spielen geht und nicht um den immer üblichen Polizeieinsatz. Es geht nicht um die große Zahl der normalen Spiele, obwohl auch hier Wochenende für Wochenende gern mal 500 Polizisten pro Spielort im Einsatz sind. Sondern einzig um eine kleine Zahl von Begegnungen, bei denen „Problemfans“ mit lange gepflegten Feindschaften aufeinandertreffen, meist Derbys unter Nachbarn, was ja ebenfalls bizzar ist. Keiner weiß mehr genau, warum sich Nachbarn (etwa aus Hamburg und Bremen) so hassen, um sich zu prügeln und zu randalieren. Vielleicht wären hier die Vereine auch in der Pflicht, in ihrem Fan-Umfeld zur Deeskalation beizutragen, indem alte Feindbilder abgebaut werden.