Olaf Scholz hat es gleich selbst in die Hand genommen, sich ein bestes Zeugnis zum Einjährigen als Kanzler auszustellen. Am 8. Dezember war es ja genau ein Jahr her, dass die Ampelkoalition ihn zum Kanzler wählte. Wozu also warten, bis irgendein Dritter auf die Idee kommt, eine Festrede über den guten Scholz zu halten? Olaf fand es besser, gleich den Wumms, den Doppelwumms und die Bazooka des Selbstlobs in Anschlag zu bringen. Scholz listete in einer Videoansprache eine ganze Reihe von Neuerungen auf, die seine Regierung umgesetzt habe: das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr, die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro sowie Erhöhungen bei Kindergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag. Zudem nannte er den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Bau von Flüssiggasterminals an der Küste.
Die Botschaft, die Scholz sich im Laufe seines ersten Jahres als Bundeskanzler zurecht gelegt hat und seit einer Weile als Scholzomat von sich gibt: Ich und meine Ampelregierung sind die Macher, die in nur einem Jahr mehr auf den Weg gebracht haben als unionsgeführte Vorgängerregierungen in sechzehn Jahren. Frei nach dem früheren Werbespruch „Ford. Die tun was!“ (Diese Werbung wurde damals genial von der Kampagne von „Lucky Strike“ integriert, als man ein völlig leeres Plakat zeigte, auf dem nur stand: „Die Lucky sind ford. Die tun was!“)
Jedenfalls hat Scholz zum Einjährigen der von ihm geführten Ampel-Regierung erneut den „Macher“-Stempel raus geholt, den er ja vor einem Jahr im Wahlkampf schon parat hatte: „Scholz MACHT das!“ Denn immerhin führte ihn das zur Kanzlerschaft. Hinzu kommt, dass er damit ja auch nicht ganz unrecht hat. Die Trägheit von Mutti Merkel war irgendwann mit Händen zu greifen. Das spürt heute noch jeder, der auf dem Landratsamt, oder auch in einer Klinik damit konfrontiert wird, dass digital gar nix geht. Bitte per Fax zum Abheften, heißt es da in Deutschland. Und dann landet all das Papier in Archiven, auf nimmer Wiedersehen.
Diese Rückständigkeit war vor einem Jahr auch der gemeinsame Nenner, auf den sich SPD, Grüne und FDP zur Ampel einigen konnten: „Mehr Fortschritt wagen“, stand als Motto über dem Koalitionsvertrag. Zum Jubiläum stellte Scholz sich und seiner Ampel nun folgendes Fortschrittszeugnis aus: „Geprägt worden ist dieses Jahr natürlich zuallererst von Russlands brutalem Krieg gegen die Ukraine“, sagte Scholz in seiner Videobotschaft. „Die Aufgaben, die sich für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft stellen, die haben wir darüber aber nicht vernachlässigt.“ Die Entlastungspakete seiner Regierung summierten sich auf fast 100 Milliarden Euro, sagte Scholz. „Und wir haben 200 Milliarden Euro mobilisiert, um in diesem, dem nächsten und dem übernächsten Jahr dafür Sorge zu tragen, dass Strompreise, Gaspreise und Fernwärmepreise nicht durch die Decke gehen.“
Ja, es ist ein typischer Scholz, die hohen Geldsummen als Beleg für politisches Tun zu nennen. Aber natürlich lässt sich die Leistung von Scholz als Kanzler sowie die Regierungsarbeit nicht allein an solchen Summen messen. Es gab im ersten Jahr der Ampel-Regierung jedenfalls auch einigen Stress untereinander. Dies gipfelte bekanntlich in dem Machtwort des Kanzlers per Richtlinienkompetenz im Streit von Habeck und Lindner über die Laufzeiten von drei Atomkraftwerken.
Die Spannung innerhalb der Ampel ist stets spürbar. Vor allem ist es so, dass dabei die FDP und ihre Minister spürbar mehr Verluste (auch bei Landtagswahlen) verkraften müssen als etwa die Grünen. Die in In- und Ausland bei weitem beliebteste Politikerin der Ampel ist Annalena Baerbock als deutsche Außenministerin. Sie nervt mit ihrer klaren Kante manchmal auch den Kanzler höchstpersönlich, wie etwa bezüglich der China-Ratschläge, die Baerbock ihrem „Chef“ Scholz öffentlich erteilte. Auch Robert Habeck als Wirtschaftsminister kommt trotz einiger handwerklicher Fehler in der Gunst der Öffentlichkeit gut weg. Man kauft ihm ab: Er strickt mit heißer Nadel, aber er strickt!
Unter den SPD-Ministern wirkt einzig der Arbeitsminister Hubertus Heil mit seiner Agenda im Reinen, während Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wie auch Innenministerin Nancy blass bleiben. Karl Lauterbach ist wirr bis emsig, ganz der Herr Professor. Bei der FDP schneidet Finanzminister Christian Lindner noch recht gut ab, ebenso Justizminister Marco Buschmann, der seine Linie konsequent vertritt. Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing ist hingegen im großen Rauschen untergegangen.
Insgesamt kann man zum Jubiläum nach einem Jahr Ampel sagen, dass immerhin eine Dynamik erkennbar ist, die noch viel verspricht. Also: Weitermachen! Entscheidend wird sein, frei nach Helmut Kohl, was hinten raus kommt.
Die Dynamik verspricht vieles
Zum Jubiläum nach einem Jahr Ampel-Regierung. Olaf Scholz hat den Doppelwumms des Selbstlobs ausgepackt.