Natürlich fragen wir uns schon lange, ob die Chinesen wissen, was hinter dem Kürzel „VW“ steckt, und noch mehr, ob sie eigentlich dann auch „Volkswagen“ unfallfrei aussprechen können. Fast sicher scheint uns, dass „BMW“ in China nicht in der Langversion „Bayerische Motoren Werke“ im Sprachgebrauch präsent ist. Nun ja, aber jetzt geht die Rätselfrage umgekehrt an uns in Deutschland, speziell an die hiesigen Fußball-Fans: Was heißt „BYD“? Kleine Hilfe: Es handelt sich ebenfalls um ein Ding auf vier Rädern. Und es mag verblüffen, was die Uefa jetzt verkündete: Der offizielle Fahrzeug-Ausrüster für die Euro 2024 in Deutschland heißt „BYD“. Das heißt, der gesamte offizielle EM-Tross wird zwischen München und Berlin, zwischen den Trainings- und Eventstätten, natürlich auf allen Werbeflächen und über Millionen Bildschirme nicht mit Automobilen der deutschen Vorzeigebranche umher kurven, nicht in Modellen von VW, Mercedes, BMW oder Audi – sondern mit Fahrzeugen von BYD. Was das ist? Ein Auto aus China. Die Marke steht für „Build Your Dreams“. Bau deine Träume.
Der Konzern aus Shenzhen, der „BYD“ herstellt, ist rein nach Absatzzahlen bereits der größte Elektroauto-Hersteller der Welt, also größer als Tesla. Allerdings vor allem auch deshalb, weil er in China selbst absoluter Marktführer ist. Nun will er Europas Märkte aufrollen; er will speziell auch in Deutschland Fuß fassen, wo 2023 gerade mal gut 4000 BYD-Autos abgesetzt wurden. Die offiziellen Statements auf der Homepage der Uefa klingen entsprechend glatt: „Wir freuen uns, BYD als Partner der UEFA EURO 2024 gewonnen zu haben. (…) Die Partnerschaft fügt sich umfassend in die Vision der UEFA ein, eine grünere und nachhaltigere Endrunde zu fördern, indem die Begeisterung für den Fußball und das Engagement der UEFA für ökologische Verantwortung zusammengebracht werden. BYD steht auch für ,Build Your Dreams‘. Dies passt perfekt zur EM, da Spieler und Teams mit Leidenschaft und harter Arbeit unermüdlich ihren Traum auf dem Platz verfolgen“, so Guy-Laurent Epstein, Uefa-Direktor Marketing.
Hinter den Kulissen waren vonseiten der Uefa allerdings ganz andere Stimmen zu hören. In der Führungsetage waren sie regelrecht „schockiert“, wie es heißt, über das ungewohnte Desinteresse der deutschen Wirtschaft – das sich besonders gut an der Schlüsselindustrie des Ausrichterlandes ablesen lässt. Uefa-Vertreter bestätigen, dass ihre Agentur „CAA Eleven“ die deutschen Autokonzerne durchaus kontaktiert habe. Alle hätten ihr Desinteresse an diesem EM-Sponsoring im eigenen Land bekundet, und zwar so kategorisch, dass es nicht einmal konkrete Preisverhandlungen gegeben habe. Demnach hatten die Quereinsteiger aus Fernost leichtes Spiel.
Was bedeutet das für die EM in Deutschland? Zunächst einmal, dass VW und Co. keine Lust haben, Geld für eine Werbung zu investieren, die ihnen auf die Füße fallen könnte. Nämlich dann, wenn die kickenden Füße der deutschen Nationalspieler sich sportlich erneut blamieren sollten. Wer will schon eine Veranstaltung sponsern, bei der nach der Gruppenphase nur noch die anderen Nationen um den Sieg spielen? So zumindest war wohl die Einschätzung der deutschen Vorzeigeindustrie. Wobei nicht unerwähnt bleiben kann, dass die deutschen Autobauer derzeit der Konkurrenz in Bezug auf Elektroautos hinterher laufen. Soll heißen: Vielleicht gab es auch gar kein Produkt, das im Juni und Juli dieses Jahres wirklich eine großflächige Werbung wert war.
Es ist aber auch Ausdruck einer allgemeinen Stimmung im Land. Der deutsche Fußball dümpelt im Nirgendwo. Die Fangemeinde traut der DFB-Auswahl, die als EM-Gastgeber automatisch qualifiziert ist, Umfragen zufolge eher das nächste Ausscheiden in der Gruppenphase zu als den Einzug ins EM-Finale daheim.
Auf der Brust der Nagelsmänner wird das VW-Logo prangen. Nach dem Turnier läuft der Vertrag des DFB mit VW aus. Wer weiß, ob danach nicht Träume gebaut werden müssen.