Liebe Kinderlein, jetzt gebt fein acht, der Onkel Uli hat euch etwas mitgebracht. Vor langer Zeit ist es geschehen, da hat der Kaiser Franz in München regiert, mit dem Müller Gerd hat er den Doppelpass gespielt, dem Breitner Paul hat er um den Revoluzzer-Bart gestrichen und den Hoeneß Uli tief in die Räume geschickt. Und nun passt auf! Seit damals gab es das „Mia san mia“, all die vielen Jahre lang. Das war etwas Gefühltes. Einmalig. Wunderbar. Ein Zusammenhalt war das, wie sonst nirgendwo in der großen weiten Fußball-Welt. Auch noch als der Ribery Franck zum Abschied weinte ( und nein, dass der Lewandowski Robert den Robben Arjen beschimpfte, weil der mal wieder nach innen zog und mit der linken Klebe abzog, anstatt abzuspielen … – das hieß ja nicht, dass die kein Gefühl füreinander hatten.) Doch dann kam ein Titan, der Kahn Olli, und gab den großen Hecht im Karpfenteich. Doch, nun ja, liebe Kinderlein, der Onkel Uli erklärt uns gleich, warum er am Ende immer noch der Haifisch ist, der den Hecht verspeist, wenn der Olli den Onkel Uli nicht mal anruft.
Also das mit dem „Haifisch“ hat er nicht so gesagt, der Uli Hoeneß im großen Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ (diese ist auch ein bisschen „Mia san mia“auf Papier) – das haben wir dazu gedichtet. Denn im Gegenteil soll doch der FC Bayern nach der Erzählung vom Uli gefühlig daher kommen und nicht wie ein Haifischbecken. Ein solches übrigens käme für den Uli ja auch gar nicht in Frage, da es dann ja einen Zoowärter von außerhalb gäbe, also einen, der über dem Uli -Hai stünde – kann ja nicht sein! Und das würde ja ans Gefängnis erinnern – jetzt hör dem Uli auf damit!
Onkel Uli hat dann also beim SZ-Interview einen Brief vorgelesen, den ihm ein 90-jähriger Mann schrieb:„Sehr geehrter Herr Hoeneß, als FC-Bayern-Fan seit 1958 und Vereinsmitglied seit 1. 1. 1966 – vorher konnte ich mir den Mitgliedsbeitrag als zweifacher Familienvater nicht leisten – bin ich über das Auftreten der Profimannschaft sehr verärgert Ich bitte Sie, Herr Hoeneß, schreiten Sie ein und sorgen Sie mit Ihren Kollegen vom Aufsichtsrat dafür, dass ein neuer CEO und Sportvorstand installiert wird. Der CEO kommt mit seiner gekünstelten Redeweise weder bei den Mitarbeitern noch bei den Fans an (…) tauschen Sie mit Kahn bitte auch den Sportvorstand aus, der in seiner jetzigen Tätigkeit zwar viel Fleiß, aber wenig Geschick zeigt.“
Man sieht: Es geht um Gefühle und eine lange Geschichte. Oliver Kahn, zuvor seit drei Jahren im Amt als Vorstandvorsitzender beim FC Bayern hätte wohl eher „to make a long story short“ gesagt, bei seinem „FC Bayern AHEAD.“ Doch eben, das ist ja dann auch sein Ende als Bayern-Chef gewesen. Onkel Uli hat außerdem erzählt: „Sogar die Leute von der „Schickeria“ (einflussreiche Ultra-Gruppe, d. Red.) haben gesagt: Bitte sorgt dafür, dass unser FC Bayern wieder geradeaus läuft.“ Und wo haben die das gesagt? „Die kamen extra zu mir an den Tegernsee.“ Also liebe Kinderlein, das ist dort, wo unser Märchenonkel wohnt. Dort gibt es viel Wasser, sehr viel Folklore, quasi „Mia san mia“ als Naturereignis, aber natürlich keine Haifische.
Die Chronologie des großen Fressens
Onkel Uli erzählt im SZ-Interview, wie er sich das ursprünglich mal vorgestellt hatte: „Schauen Sie, wenn man ein Unternehmen lange geprägt hat und dann einen Schritt zurücktritt, kommt es auf eine gute Balance an. Man will einerseits noch seine Meinung einbringen können, aber den anderen nicht das Gefühl geben, dass man sich zu sehr einmischt.“
Aber links liegen gelassen will man auch nicht werden. Onkel Uli erzählt das geschickt, fast so, als habe er ein Herz für den Titan Olli gefasst: „Ich denke, Oliver ist generell kein Typ, der laufend den Kontakt sucht. Ich hab kürzlich mal nachgesehen: Oliver hat mich in der ganzen Zeit vielleicht fünf Mal angerufen.“ Tja, in drei Jahren, liebe Kinderlein, da wollen wir mal nachrechnen: Ein Jahr ist in der Regel 365 Tage lang und alle vier Jahre ein Tag länger. Also jetzt: An 1095 Tagen im Amt als Bayern-Chef hat der Titan den Onkel Uli fünf Mal angerufen, also grob gesagt: An 1090 Tagen hat er sich nicht beim Patron gemeldet. Und vielleicht waren die fünf Anrufe ja auch alle an einem Tag, nämlich dem seiner Entlassung. Wutschnaubend. „Eier, wir brauchen Eier!“ Man weiß es nicht.
Aber jetzt glaubt bloß nicht, dass der Onkel Uli böse gewesen sei, weil sein Schützling so schüchtern war mit der Telefoniererei. „Ich habe mir auch gedacht: Sollen sie mal machen. Und wenn sie Erfolg haben, ist auch alles okay. Aber dann passierten Dinge wie die Entlassung von Julian Nagelsmann, und da haben sich die Störgefühle allmählich verstärkt“, so erzählt es Uli Hoeneß der SZ. Deren Nachfrage: „Sie waren in die Nagelsmann-Entscheidung nicht involviert?“ Antwort: „Nein, niemand. Auch Herbert Hainer wurde als Aufsichtsratsvorsitzender viel zu spät informiert. Und so etwas geht einfach nicht. Am Mittwoch vor der endgültigen Trennung stand Hasan bei mir vor der Tür und hat gesagt: Wir wollen das machen, und eigentlich haben wir das auch schon entschieden.“ Nein, es ist nicht überliefert, ob Onkel Uli in diesem Moment bezüglich der Gesichtsfarbe mal wieder seinen Freund Jupp Heynckes – Osram mit Spitzname – imitiert hat.
Aber die Geschichte, liebe Kinderlein, ist ab hier schon ein bisschen aus dem Horror-Genre, sprich: „Weißer Hai“, Teil Tegernsee. Sie geht ja so: Erst frisst der freche Nagelsmann den Torwartrainer (und Trauzeugen) von Manuel Neuer, Toni Tapalovic, worauf hin Neuer der „Mia san mia“-SZ ein Interview gibt, dass ihm soeben das Herz raus gerissen worden sei. Dann wird Nagelsmann von Vorstandschef Kahn (und Sportvorstand Hasan Salihamidzic) mal eben während dessen Kurzurlaub auf Skiern in die weiße Wüste geschickt. Und dies, obwohl er ja bei seiner Verpflichtung lässige 25 Millionen Abfindung (an Leipzig) gekostet hat und einen Vertrag über fünf Jahre bekommen hatte. Mit der Begründung vom Titan: Der FC Bayern müsse alles dem Erfolg unterordnen!
Aber klar doch. „Man kann jede Firma neu aufstellen und alles anders machen, das ist völlig legitim – aber man muss Erfolg damit haben. Um nichts anderes geht es. Es stört mich, wenn es jetzt wieder heißt, der Hoeneß will immer noch die Regeln bestimmen. Am liebsten wäre mir, es liefe alles bestens und wir hätten noch alle Vorstände beieinander. Die letzten Tage und Wochen waren alles andere als ein Vergnügen“, erzählt Onkel Uli. Fast möchte man ihm die Hand drücken. Danke!
Aber er weiß, dass der Patriarch nun halt mal ein Prinzip des „Mia san mia“ ist. Und das ist er und keiner sonst. Das steht für Gefühl statt kalter Business-Welt. Und ein bisschen von seiner Seele zeigen, hat ja auch noch nie geschadet. „Wenn ich sehe, wie wir in der zweiten Halbzeit gegen Leipzig fast vorgeführt werden im eigenen Stadion, da kann ich nicht loslassen! Vielleicht darf ich einfach nicht mehr ins Stadion gehen. Aber das wäre ja auch keine Lösung“, erzählt der Mann allen Ernstes. In leichtem Widerspruch zu seinen schlimmen Gefühlen im letzten Heimspiel gegen Leipzig (1:3 verloren, nur noch Platz zwei am letzten Spieltag) hat unser Märchenonkel aber dann gesagt, dass er den Olli Titan Kahn auch entlassen hätte, wenn der FC Bayern das Tripple (Meisterschaft, DFP-Pokal, Champions-League) geholt hätte. Und dann wieder andersrum: „Wir können doch so wesentliche Fragen für die Zukunft des FC Bayern nicht davon abhängig machen, ob Borussia Dortmund in der 97. Minute das 3:2 schießt – oder eben nicht. Wenn sie es schießen, trennen wir uns von den Vorständen, wenn sie es nicht schießen, bleiben sie? So kann man doch nicht vorgehen.“ Tja, der Onkel Uli, liebe Kinderlein, hat ja so recht.