Der Wahlkampf wird kurz und heftig. Das kann uns Wählern auch mal Spaß machen. Zumindest bleiben kuriose Aktionen nicht aus. Da schmeißt sich ein Christian Lindner libertär an Elon Musk heran, der aber dummerweise lieber Alice Weidel fördert und auf „X“ interviewt, um die AfD zu pushen. Da verspricht die Union eine „Agenda 2030“, als wolle sie an Gerhard Schröder erinnern. Und da erscheint plötzlich ein großes Porträtfoto des grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck als Projektion auf das Münchner Siegestor, dazu der Slogan „Bündniskanzler. Ein Mensch. Ein Wort“. Und da muss man sagen, dass dies nicht eines gewissen Witzes entbehrt. Denn es geschah ja in München, also dort, wo ein gewisser Markus Söder als CSU-Chef nicht müde wird, ein Bündnis der Union mit Habecks Grünen komplett auszuschließen. Natürlich darf auch darüber hinaus über den Slogan gerätselt werden: Will Habeck damit andeuten, dass er ja tatsächlich dann Kanzler werden könnte, wenn er zwar nicht die meisten Stimmen auf die Grünen vereinen kann, danach aber ein Bündnis mit mehreren Parteien (also nicht mit der Union) so günstig schmieden könne, dass es zur Mehrheit im Bundestag reichen würde? Hätte Habeck diese Fähigkeiten, dann fände Merz ja trotz wahrscheinlichem Wahlsieg keine Partner zur Mehrheit in der demokratischen Mitte (wenn die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde) und Habeck wäre der „Büdniskanzler“.
Nach der frechen (und nicht von den Behörden genehmigten) Projektion hat es sogar dem sonst so wortmächtigen Markus Söder ein bisschen die Sprache verschlagen. „Der spinnt doch“, sagte Bayerns Ministerpräsident nur dazu.
Was ist die Strategie der Grünen?
Die Grünen starten mit Angriffen gegen Union und SPD in die heiße Wahlkampfphase. Der Kanzlerkandidat Robert Habeck warnt vor einer Regierungskrise wie in Österreich. Habeck beschwört die Stärken des Landes, um dann umgehend auf die Schwächen des politischen Gegners zu kommen. Die Pläne der Union zu Steuersenkungen seien nicht gegenfinanziert, es gebe eine Lücke von 100 Milliarden Euro jährlich – „eine einzige Flunkerkanone, die sie da hingestellt haben“, so der grüne Kanzlerkandidat bei einer Wahlkampfveranstaltung in Lübeck.
Klar wird da aber auch, wo die Grünen den vielleicht gefährlichsten Gegner für die Bundestagswahl am 23. Februar sehen. Denn während CDU-Chef Friedrich Merz eine Koalition mit den Grünen nicht ausschließt, sieht Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder genau die als Schreckensszenario und lehnt sie rundweg ab. Für die Grünen ein ernstes Problem, denn Schwarz-Grün ist angesichts fehlender realistischer Alternativen so etwas wie das heimliche Wahlziel der Partei geworden.
Habeck weist Söders Verbalattacken aus München gegen die Grünen wohl auch deshalb so scharf zurück. Schwierige Wirtschaftslage, Angriffe auf die Demokratie: Die Lage sei weit ernster als die „dummen Sprüche“, die man aus Bayern zu hören bekomme, keilt Habeck in Richtung CSU.
Der nicht zufällige Ausflug in die politische Heimat von Robert Habeck soll zum Wahlkampfstart auch zeigen, dass es zwischen beiden Lagern auch anders geht. Denn wo Habeck bei den Grünen aufstieg, 2009 erstmals in den Landtag einzog, Fraktionschef und später Minister und stellvertretender Ministerpräsident wurde, gilt Schwarz-Grün noch als Erfolgsmodell. Seit 2017 regiert CDU-Ministerpräsident Daniel Günther in Schleswig-Holstein bereits geräuschlos mit den Grünen.
Was soll das Grünen-Bashing in der Union?
In der unionsinternen Debatte über den Umgang mit den Grünen hat dann eben dieser Daniel Günther (CDU), also Schleswig-Holsteins Ministerpräsident, CSU-Chef Markus Söder zur Zurückhaltung aufgefordert. „Söder sagt immer, es gibt in der CDU Leute, die schwärmen von Schwarz-Grün im Bund. Ich kenne niemanden“, sagte Günther in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Söder behaupte das aber, um dann zu sagen, er sei derjenige, der es verhindern werde. „Anstatt einfach den Mund zu halten und zu sagen, wir kämpfen für eine starke CDU. Und eine starke CSU.“
Es ist ein Fehler, Koalitionen mit den Grünen prinzipiell auszuschließen. Das mag der CSU innerhalb Bayerns in ihrer Auseinandersetzung mit den Freien Wählern helfen, der Union insgesamt schadet es jedoch. Wenn die Union in Verhandlungen mit den Grünen aber keinen tatsächlichen „Politikwechsel“ durchsetzen kann, sollte es aus ihrer Sicht natürlich auch keine schwarz-grüne Koalition geben.
Denn die Union kann sich tatsächlich nicht erlauben, das Kanzleramt ohne gleichzeitigen Politikwechsel (was auch immer das heißen mag)zu übernehmen. Die Wählerinnen und Wähler der Union erwarten mehrheitlich deutliche Änderungen in der Wirtschafts- und Migrationspolitik sowie bei der inneren Sicherheit.
Was will die Union ihrer „Agenda 2030“?
Die CDU will mit einer „Agenda 2030“ in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs starten. Das erinnert durchaus auch inhaltlich an die „Agenda 2010“ vom damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder, weil die Grundidee ist, im sozialen Bereich durch harte Maßnahmen viel Geld einzusparen, das dann angeblich dem wirtschaftlichen Wachstum zugute kommen soll.
Die dabei im Wahlprogramm versprochenen Steuererleichterungen zielen vor allem auf Besserverdiener und Unternehmen ab. So soll der sogenannte Spitzensteuersatz erst bei 80.000 Euro Einkommen greifen. Der noch existierende Solidaritätszuschlag für höhere Einkommen soll komplett abgeschafft werden.
Es klingt nach Schlaraffenland, wo Milch und Honig fließen. So sollen Überstunden steuerfrei gestellt werden, Rentner und Rentnerinnen sollen künftig bis zu 2000 Euro steuerfrei hinzuverdienen dürfen. Für Firmen soll etwa die Körperschaftsteuer schrittweise auf zehn Prozent reduziert, die Gewerbesteuer vereinfacht und die Möglichkeit für Abschreibungen ausgebaut werden.
Im Grunde ist bei den Versprechungen für (fast) alle etwas dabei. Das heißt, es sollen konkret verschiedene Wählergruppen angesprochen werden, um den Wahlsieg der Union zu sichern. Weniger konkret ist die „Agenda 2030“ dann bezüglich der Frage, wie das eigentlich alles finanziert werden soll. Auch hier nur ein Versprechen: Bezüglich der Gegenfinanzierung sieht das Papier keine Steuererhöhungen vor, sondern verweist darauf, dass im Bundesetat durch die Überführung des Bürgergelds in eine neue Grundsicherung und eine deutlich härtere Migrationspolitik größere Summen frei würden.
Nun ja, war nicht die Ampel-Regierung daran zerbrochen, dass eben nicht genug Geld da war, ohne die Schuldenbremse auszusetzen? Und diese wird in dem Wahlkampfpapier der Union zumindest nicht in Frage gestellt. Es wird lediglich betont, dass man an der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse und einer Politik stabiler Finanzen festhalten wolle.
Kurz und gut: Die Union verspricht etwas holzschnittartig ein Deutschland, das wächst und gedeiht, wenn man nur hart durchgreift. Das ist eigentlich ein plumpes Lockmittel für Wähler, die es nicht genauer wissen wollen.
Worauf setzt die Kampagne der SPD?
Der zentrale SPD-Slogan lautet: „Mehr für Dich – Besser für Deutschland.“ Es gehe um mehr netto vom brutto, sagt die Werbeagentur, um einen höheren Mindestlohn von 15 Euro, den Made-in-Germany-Bonus für die Wirtschaft, um einen Pflegedeckel von 1000 Euro für pflegende Angehörige. Und mit dem Bundeskanzler trete „ein nervenstarker Hanseat gegen den Oppositionsführer Friedrich Merz an, dessen Programm gerade von Wirtschaftsinstitutionen als Luftschloss enttarnt wird“. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hatte der Union attestiert, dass ihre Pläne kaum gegenfinanziert seien.
Das klingt ein bisschen so, als wolle die SPD sich als nötiges Korrektiv und Juniorpartner in der neuen Regierung empfehlen, die für den „kleinen Mann“ eintritt, den Merz nicht kennt.