Dem Panda-Bären das Pfötchen geben

Robert Habeck reiste erstmals nach China und versuchte es dort mit Klartext-Ansagen – mit einem gewissen Erfolg. So langsam bringt sich der Grüne als Kanzler-Kandidat in Stellung.

Fotomontage: Adrian Kempf

Wenn Robert Habeck etwas sagt, sind seine Worte oft philosophisch angehaucht. Nach seinem Klartext-Auftritt in China hat er gesagt, er sei ja schließlich „nicht zum Pfötchenhalten“ nach China gekommen. Jetzt, Moment mal! Dieser Begriff kommt doch aus der Dressur von Hunden. „Gibt schön Pfötchen“, sagt der stolze Besitzer und sein Vierbeiner macht „Sitz“ und reicht akkurat seine Pfote, selbstverständlich in Erwartung einer auf den Fuße folgenden Belohnung, möglichst schmackhaft. Wäre Habeck also „zum PfötchenHALTEN“ in China gewesen, dann wäre sein chinesischer Kollege der brave Hund, von Habeck bestens trainiert, der dem deutschen Wirtschaftsminister die Pfote reicht. Es ist halt ein wahres Verwirrspiel, wer denn nun Hund und wer Herrchen ist. Und es könnte sich außerdem auch um einen Panda-Bären statt des Hundes handeln. Aber sagen wir mal so: Der lautmalende Robert Habeck hat ja eigentlich sagen wollen, dass er nicht zum „PfötchenGEBEN“ nach China gekommen sei.  Er wollte also nicht der dressierte Deutsche sein, auch wenn es im Verhältnis von Deutschland zu China mitunter zweifellos um die Wurst geht.

 
Denn die Fragestellung lautete ja, wie sehr sich ein deutscher Spitzenpolitiker in China verbal aus dem Fenster lehnen sollte. Und der deutsche Wirtschaftsminister Habeck versuchte es in China mit reichlich Klartext. Diese Strategie scheint zu fruchten: In den Streit um E-Auto-Zölle zwischen der EU und China kommt Bewegung. Noch während Habecks China-Reise telefonierte Chinas Handelsminister Wang Wentao mit Valdis Dombrovskis, dem zuständigen EU-Kommissar. Die beiden wollen nun gemeinsam nach einer Lösung suchen. Der Zollkonflikt könnte damit enden, ehe er richtig ausbricht. Es kann natürlich Zufall sein, dass das just nach Habecks Besuch bei Wang passierte. Habeck verbuchte es allerdings als Erfolg. „Ich habe getan, was ich tun konnte“, sagte er.

Was Robert Habeck in China sagte und was davon als Erfolg durchgeht 

Habeck war zum ersten Mal in China. Der Wirtschaftsminister hat die Reise lange vor sich hergeschoben. Er war mehrmals in den USA, in Brasilien, Südafrika, Saudi-Arabien oder Singapur – aber zuvor nie beim größten Handelspartner Deutschlands. Dies darf als Symptom einer schwierigen Beziehung gelten. Habeck selbst nennt sie „komplex“, was irgendwie neutraler wirken soll.  Und kurz vor Habecks erster Reise dorthin hatte nun auch noch die Europäische Kommission einen schlimmen Verdacht geäußert: China subventioniere den Aufbau von Elektroauto-Fabriken. Immer mehr davon rollten so vom Band – mit der Folge, dass Europas Markt damit geflutet wird. Das sollen Zölle künftig verhindern – zum Unmut Chinas.

Diesen Unmut  erfuhr Robert Habeck vor Ort direkt von Zheng Shanjie, dem Chef der „Staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission“, die in China so mächtig ist, dass es heißt: Was in China passiert oder auch nicht passiert, wird maßgeblich hier erdacht. Hier wird die Zukunft des Landes geplant. Und Zheng Shanjie legte gleich mal los: Von den Zöllen auf Elektroautos hält er gar nichts. Allein schon die Annahme, China subventioniere ein Überangebot der Autos, sei „absurd“. Der Zollvorstoß aus Brüssel: „nicht akzeptabel“. Wenn Europa daran festhalte, schade es letztendlich der eigenen Autoindustrie.

Doch Robert Habeck hielt dagegen: Er kam ohne Umschweife auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen. „Wir würden anders und sicherlich nicht ganz so hart vorgehen bei der Analyse, wo wir Abhängigkeiten von Rohstoffen, von technischen Gütern haben, wenn es diesen Krieg beziehungsweise die Unterstützung in diesen Krieg von China gegenüber Russland nicht geben würde“, betonte Habeck. Die Dinge ließen sich nicht trennen. „Auch unser Verhältnis, unser direktes Verhältnis, ist jetzt schon negativ beeinflusst.“ Schließlich unterstütze China Russland auch mit Gütern, die sich im Krieg einsetzen lassen – und damit gegen die Waffen, mit denen der Westen die Ukraine versorgt.

Ja, das waren klare Ansagen, die es in der Vergangenheit von deutschen Politikern nicht gab. Und sie führten nicht zum Eklat, denn den wollte auch Planungskommissar Zheng nicht. „Unsere gemeinsamen Interessen sind größer als unsere Differenzen“, sagte er. Gerade beim Klimaschutz und beim grünen Umbau könnten die beiden Länder zusammenarbeiten.

Und dann flötete Zheng auch noch, Habeck solle doch gerne öfter vorbeikommen. „Die Tür ist offen.“ Der Klartext hat anscheinend nicht geschadet. Ähnlich läuft es kurz danach bei Handelsminister Wang Wentao, bevor es dann tatsächlich zum Telefonat mit der EU kommt.

Daher kann man also von einem erfolgreichen Auftritt Habecks sprechen, den er selbst als „ersten Schritt auf einem sehr langen Weg“ bezeichnete.

Wie Robert Habeck sich und die Grünen schon jetzt für die Bundestagswahl in Stellung bringt

„Es fehlt an Händen und an Köpfen“, sagte Robert Habeck dann nach seiner China-Reise beim „Nachhaltigkeitsgipfel“ der Süddeutschen Zeitung und kündigte an, Anreize dafür zu setzen, dass mehr Menschen arbeiten als bisher und die Unternehmen zusätzlich investieren. Zudem müsse man sich auf eine Reihe von „Großmaßnahmen“ verständigen, mit denen man „Bürokratie einmal beiseite schieben kann“.

Nun ja, wenn es an „Händen“ fehlt, dann wird es mit dem Pfötchenhalten natürlich schwierig. Wenn es außerdem an Köpfen fehlt, dann empfehlen wir den Philosophen Habeck mal nach vorne zu rücken. Und das sieht er im Grunde selbst ganz ähnlich. Er bringt sich schon jetzt für die Bundestagswahl 2025 in Stellung. Und zwar wie folgt: Neben den aktuellen Maßnahmen, die derzeit von der Ampel auf den Weg gebracht werden sollen (also von Lindner und Habeck in seltener Eintracht) und die den wahrhaft flotten Namen „Dynamisierungspaket“ tragen, verweist Habeck bereits auf das, was derzeit nicht geht, aber später gehen könnte. Er schließt das von ihm selbst vorgeschlagene schuldenfinanzierte „Sondervermögen“ zur Belebung und Entlastung der lahmenden Wirtschaft für diese Wahlperiode mittlerweile sehr öffentlichkeitswirksam aus. Habeck geht jedoch davon aus, dass die Idee nach der nächsten Bundestagswahl Wirklichkeit werden könnte. Derzeit sei in dieser Hinsicht „nichts zu machen“, sagte Habeck  unter Verweis auf den Koalitionsvertrag und die FDP, die zusätzliche Schulden ablehnt.

„Aber ich bin mir relativ sicher, dass diese Debatte zur nächsten Bundestagswahl sehr viel Fahrt aufnehmen wird, fast dominant werden wird und auch zu einem Ergebnis führen wird. Schade, weil wir damit dann anderthalb Jahre Zeit verloren haben“, so Habeck mit klarer Kampfansage an Lindner und die FDP. Aber okay, er legt diese Frage zur Abstimmung schon mal den Wählern für 2025 vor, anstatt sich in der aktuellen Ampel auf einen unlösbaren Streit einzulassen. 

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beziffert den staatlichen Investitionsbedarf für die nächsten zehn Jahre – ohne Stromnetz und Energie – auf 400 Milliarden Euro. Bei der Finanzierung hält der BDI auch neue Schulden für vertretbar, sofern der Bund den eigentlichen Bundeshaushalt konsolidiert und Strukturreformen einleitet. „Wir könnten jetzt so ein Investitionsprogramm, so einen Anschub, wie es der BDI vorgeschlagen hat oder ich ähnlich vorgeschlagen habe, gut brauchen“, sagte der per Video zugeschaltete Habeck auf dem „Nachhaltigkeitsgipfel“ der „Süddeutschen Zeitung“ in München. Der Mann ist eindeutig schon jetzt im Wahlkampf-Modus. Er gibt nicht Pfötchen. Weder in China, noch in der Ampel. Eher zeigt er schon mal die Wahlkampf-Zähne.