Es vergeht derzeit kein Fußballspiel in der ersten und zweiten Bundesliga ohne den Protest der Fangruppen. Schokotaler, Tennisbälle oder auch Karnevalskamellen werden in großer Zahl aufs Spielfeld geworfen. Und die dadurch bewirkten Spielunterbrechungen können schon mal eine halbe Stunde betragen, manchmal geht es sogar an die Grenze des Spielabbruchs. Man muss generell erst mal den Hut ziehen (oder die Baseballkappe) vor der Geschlossenheit der Fangruppen, quer durch so unterschiedliche Vereine, von Freiburg über München bis Berlin. Außerdem ist die Art des Protestes nicht nur wirksam, sondern auch mal ganz ohne Gewalt. Manche Spieler wie Dortmunds Keeper Kobel jonglieren während der Spielunterbrechung gekonnt mit den Tennisbällen, andere wie Stuttgarts Torjäger Deniz Undav verspeisen die leckeren Schokotaler an Ort und Stelle. Der Protest der Fans gegen den Einstieg eines Investors bei der DFL begründet sich sowohl aus der Sorge, dass der geliebte Fußball noch mehr zerfranst werden wird, als auch aus einer moralischen Empörtheit, dass womöglich „Blutgeld“ die Bundesliga pimpen soll.
Worum es geht: Mit dem Geld eines Investors, ungefähr einer Milliarde Euro, will die Deutsche Fußball Liga (DFL) unter anderem eine internationale Streaming-Plattform aufbauen und will die globale Vermarktung der Bundesliga auch ansonsten verbessern. Der Investor wird für seine Milliarde zwanzig Jahre lang an den Umsätzen beteiligt, er darf mit 15 bis 17 Prozent Rendite rechnen. Die DFL will dadurch wirtschaftlich den zweiten Platz unter den europäischen Ligen sichern. Beim SC Freiburg war man übrigens der Meinung, dass es sehr wohl Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bundesligen geben müsse, dass diese aber auch anteilig von den Vereinen selbst erbracht werden könnten – um nicht die Rendite in den Rachen eines Finanzinvestors schmeißen zu müssen, sondern selbst zu behalten. Typisch Freiburg halt.
Über das Investoren-Projekt wurde im vergangenen Dezember abgestimmt. Dort wurde dann also der Investoren-Einstieg in geheimer Abstimmung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der 36 Profivereine beschlossen. Eine einzige Stimme hatte den Ausschlag gegeben. Unwidersprochen (auch von ihm selbst) bleibt der Verdacht, dass diese Ja-Stimme von Hannover-96-Geschäftsführer Martin Kind kam – den der Klub beauftragt hatte, mit „Nein“ zu stimmen. Denn nach dem Wahlgang wurden zehn Nein-Stimmen gezählt, die sich folgenden zehn Klubs zuordnen ließen: den Erstligisten Köln, Freiburg und Union Berlin, dazu den Zweitligaklubs St. Pauli, Braunschweig, Düsseldorf, Magdeburg, Nürnberg, Hertha BSC und Kaiserslautern. Aber wo ist dann die Nein-Stimme von Hannover geblieben?
In beiden Abstimmungen – bei der ersten im Mai war die nötige Mehrheit verfehlt worden – hatten mehrere Klubvertreter anders abgestimmt, als es ihnen das Votum in ihren Heimatvereinen vorgegeben hatte. Das ist ziemlich kurios. Da stellt sich natürlich die Frage, warum eine solche Abstimmung überhaupt „geheim“ durchgeführt wird.
Nach den anhaltenden Fan-Protesten in allen Stadien werden nun auch Stimmen in den Vereinen laut, die eine erneute, aber dann eben nicht geheime Abstimmung fordern. Den Stein ins Rollen brachte Michael Welling. Der Geschäftsführer des Zweitligisten VfL Osnabrück hat angekündigt, sein Verein werde den Antrag stellen, dass es künftig keine geheimen Abstimmungen mehr auf DFL-Ebene geben dürfe. Nur so könne man „garantieren, dass die Klubvertreter bei DFL-Abstimmungen den Vereins- und Mitgliederwillen umsetzen.“ Danach brachte auch Claus Vogt, Präsident des VfB Stuttgart, eine „erneute, transparente Abstimmung aller 36 Vereine“ ins Spiel. Wohl auch, weil es Kritik an den beiden verbliebenen Investoren-Kandidaten CVC und Blackstone gibt. Beide Unternehmen beziehen Geld vom saudi-arabischen Staatsfonds PIF. „CVC & Blackstone – an euren Händen klebt Blut“, stand folglich auf einem Transparent in der Stuttgarter Fankurve.