Einen gewissen Humor kann man Thomas Tuchel nicht absprechen. So saß er beim Spiel gegen Leipzig – der ersten Partie nach der verkündeten Trennung des FC Bayern von Tuchel im Sommer – nicht wie sonst immer auf der Trainerbank. Sondern er saß auf einem Koffer! Ja, es war ein Koffer aus Aluminium für medizinische Zwecke. Aber allein die Geste und auch das damit verbundene Abrücken von Tuchel aus dem Dunstkreis der Ersatzbank waren ein Wink mit dem Zaunpfahl. Gleichzeitig illustrierte die Szene aber auch, was von Anfang an bei der Causa Tuchel ins Auge sprang: Alle seine öffentlichen Äußerungen drehten sich mehr um ihn selbst als um seine Mannschaft beim FC Bayern. Und so war es auch im nach dem späten 2:1-Sieg der Bayern über Leipzig. Es habe sich „heute ein bisschen komisch angefühlt für mich“, sagte Tuchel.
Und nicht immer war sein Humor frei von unfreiwilliger Komik. So sagte doch Thomas Tuchel nach der verkündeten Trennung des FC Bayern von ihm (und umgekehrt), dass er sich jetzt frei fühle. Denn „Klarheit bringt Freiheit“ (womit er erneut nur von sich sprach), na gut. Aber dann sagte er doch glatt, dass er ab sofort „jedes Spiel wie ein Pokalspiel coachen“ könne. Liebe Leute, das ist ein echter Schenkelklopfer. Denn in den DFB-Pokalrunden lief es für die Bayern unter Tuchel so: Kaum war er im Amt gewannen „mir kleine Freiburger“2023 in München und warfen die Bayern raus. Im Folgejahr 2024 schieden die Bayern gleich in der zweiten Runde beim Drittligisten in Saarbrücken aus. Wenn Tuchel also fortan jedes Spiel so coachen möchte wie er es zuletzt im Pokal tat, dann müsste den Bayern Angst und bange sein.
Die groteske Geschichte begann ja schon mit der Verpflichtung von Thomas Tuchel. Am 25. März 2023 wurde Tuchel überraschend als neuer Trainer in München vorgestellt. Der eigentliche Paukenschlag dabei war allerdings, dass Julian Nagelsmann gefeuert worden war. Denn dieser war als Langzeitprojekt-Trainer installiert worden und konnte zum Zeitpunkt seiner Entlassung trotz einer Niederlage in (ha ha) Leverkusen sowie gewissen Wankelmütigkeiten seiner Mannschaft noch in allen drei Wettbewerben (Meisterschaft, DFB-Pokal, Champions-League) alles gewinnen. Das ist verglichen mit der derzeitigen Situation ein knappes Jahr später ein süßer Bayern-Traum.
Damals allerdings – tja, wer kann schon in die Zukunft schauen? – war das Oliver Kahn (Vorstandschef) und Hasan Salihamidzic (Sportvorstand) nicht genug. Sie erklärten bei Tuchels Vorstellung, warum „die Konstellation“ mit Nagelsmann nicht gepasst hätte. Darauf hin konterten die Spieler Joshua Kimmich und Leon Goretzka, dass Nagelsmann ihrer Meinung nach mitnichten die Kabine verloren hätte. Und was sagte der Neue? Der Bayern-Kader sei „einer der besten und talentiertesten in Europa“, sagte Tuchel bei seiner Vorstellung, mit diesem Kader könne man „um jeden Titel spielen“.
Das führt direkt zurück zu dem Koffer, auf dem Tuchel nach Verkündung der Trennung saß. Denn man darf wohl behaupten – um eine lange Geschichte kurz zu machen, wie es Kahn zu sagen pflegte – dass Tuchel im März 2023 nur verpflichtet wurde, weil er sonst womöglich wieder seinen Koffer gepackt hätte, um einen anderen Top-Verein in Europa zu beglücken. Tuchel war in der Stadt und er war gerade frei. Es war nicht Nagelsmanns Versagen, was die Verantwortlichen antrieb, sondern es war „die Konstellation“, dass ein Tuchel seinen Koffer in München lassen sollte.
Kahn und Salihamidzic wurden dann ja schon zum Ende der vergangenen Saison vom Hof gejagt, als die Bayern am letzten Spieltag nur durch die Dusseligkeit der Dortmunder noch Meister werden konnten. Wenn nun endlich Max Eberl (seit Jahren die Wunschbesetzung von Patron Uli Hoeneß) als Sportvorstand aktiv wird, könnte es eine weitere Variante geben, mit der niemand (außer uns) rechnet. Der Bayer Eberl wird mit dem Bayern Nagelsmann (der natürlich zwischenzeitlich Europameister der Herzen wurde) einen Neustart wagen. Yeah!