Eine der eindrücklichsten Begegnungen mit Antonello Medoro liegt Jahre zurück. Damals war er Koch und Mitinhaber der Vinoteca in Emmendingen, es war spät am Abend, die Bürgersteige längst hochgeklappt, das Restaurant leer. Doch die Türe stand noch offen und so wagte man die vorsichtige Frage, ob es hier vielleicht noch etwas zu Essen gäbe, trotz später Stunde? Strahlend antwortete Antonello Medoro damals sofort: „Natürlich! Solange ich meine Kochjacke noch anhabe, solange gibt es in meiner Küche auch immer etwas zu Essen.“ Diese unerwartete Antwort war das wunderbare Entrée für ein köstliches Abendessen.
Seitdem ist viel passiert in Antonellos Leben. Von der Vinoteca ging es für zwei Jahre in eine Gaststätte nach Rust, dann zurück nach Emmendingen in den früheren Schwarzwälder Kartoffelhof. Dort in seinem Carpe Diem zauberte er unter anderem seine Spezialität, die Pinse, eine Art Pizza.
Doch nun kommt erneut Bewegung in sein Leben. Auf der Suche nach einer Gaststätte, das mehr Platz für seine Gäste bietet, stieß er auf das „Gasthaus zum Weinberg“ in Herderns Hauptstraße, das seit zwei Jahren leer steht. Noch sind die Handwerker dort beschäftigt mit Streichen, Elektroarbeiten und Verputzen. Alle Arbeiten haben sich aufgrund der Pandemie verzögert, aber Antonello plant die Neueröffnung nun auf Mitte Mai. Sein Restaurant in Emmendingen hat er bereits Ende Februar geschlossen. Der Ganter Brauerei sei er sehr dankbar, dass sie für die Innen- und Außenrenovierung des Gasthaus zum Weinberg ordentlich Geld in die Hand nehme und ihm damit eine große Chance gebe. Auch sein Personal hat er bereits zusammen: „Mein Restaurant ist wie ein Orchester. Ich bin der Dirigent, der ohne seine Musiker nichts ist“.
Eigentlich wollte er zunächst in Emmendingen, seinem Heimatort, bleiben, doch wurde er dort nicht fündig. Inzwischen sieht er Freiburg aber als Chance für sich und will sich hier beweisen, zumal rund die Hälfte seiner Stammgäste auch bisher schon aus Freiburg kamen, viele davon sogar aus Herdern. Seine Küche soll auch im Weinberg authentisch italienisch sein, mit frischen, hochqualitativen Produkten. Für ihn eine Selbstverständlichkeit, „das ist in meiner DNA“. Täglich wird es frischen Fisch geben, frische, handgefertigte Nudeln und natürlich seine Pinsa. Bei Ravioli, erklärt er, komme es beispielsweise vor allem auf die Füllung an,. „Die Pasta muss so dünn wie möglich sein. Die Füllung ist der Big Boss“. Und so will er auch eigene Ravioli-Füllungen kreieren und seinem Ideenreichtum am Herd uneingeschränkt den Lauf lassen.
„Ich bin Italiener, am 14. Februar geboren und Linkshänder – deshalb bin ich sehr kreativ“, sagt er nicht ohne Stolz und mit einem Augenzwinkern. Gleichzeitig räumt er ein, dass man nicht Italiener sein muss, um gute italienische Produkte herzustellen, weshalb er auch gerne auf regionale Produkte zurückgreift. Gerade hat er auf dem Herdemer Wochenmarkt einen Pastastand entdeckt, die will er unbedingt ausprobieren. „Es kommt auf die Leidenschaft und Kreativität an, und die hat keine Nationalität, keine Hautfarbe und keine Religion.“ Als Beispiel erzählt er, wie er einst die beste Pizza seines Lebens gegessen hat – in Süditalien bei einem ägyptischen Pizzabäcker.
Es war im Juni 1992, vor fast 30 Jahren also, als Antonello per Zufall nach Emmendingen kam und hier seine neue Heimat fand. Sein Vater war kurz zuvor gestorben, zuhause in der Region Basilicata war die Mutter mit den fünf Geschwistern, die Zukunft für ihn unklar. So beschloss der damals 16-Jährige auf eigene Faust sein Glück in Deutschland zu suchen. Ohne ein Wort Deutsch zu können bestiegt er den Bus nach Rom und von dort („auf Gleis 30“, wie er sich genau erinnert)den Zug und kam so schließlich nach Freiburg, wo er den ersten Punker seines Lebens am Bahnhof erblickte und ein wenig erschrak.
Ein Taxifahrer, ein italienischer Landsmann, war es schließlich in jener Nacht, der ihm den Tipp gab, sich im damaligen Restaurant Bären in der Emmendinger Karl-Friedrich-Straße als Pizzabäcker zu bewerben. Antonello hatte nie zuvor Pizza gemacht, eher als Betonmischer auf Baustellen gearbeitet, aber seine Zusicherung an den Bären-Chef, „Ich lerne schnell“, bewahrheitete sich. Er bekam ein Zimmer mit Dusche, und seinen ersten Job als Pizzabäcker. Innerhalb weniger Monate war er für seine Pizzas weithin bekannt, die Verkaufszahlen schnellten in die Höhe, der Chef war hochzufrieden.
Die deutsche Sprache lernte er über den Kontakt mit den Menschen hier und, wie er schmunzelnd hinzufügt, über die Tagesschau im Fernsehen. Keine acht Monate nach seiner Ankunft in Emmendingen konnte er sich dann bereits auf Deutsch unterhalten. „Ich wollte mich von Anfang an integrieren und hierbleiben“, sagt Antonello. „Ich war sehr motiviert Deutsch zu lernen, weil ich mich hier gleich so wohl gefühlt habe.“
Südbaden ist seine Heimat geworden. Und jetzt kann er es kaum erwarten, bald wieder selbst in der Küche zu stehen. „Ich freue mich, wenn ich wieder meine Kochjacke anziehen kann und vor meinen acht Flammen stehe.“
Und wer weiß, vielleicht hat dann ja auch der eine oder andere später Gast Glück und trifft Antonello in seinem Restaurant Weinberg noch in dieser weißen Jacke an, denn dann wird der italienische Koch sicher noch etwas Leckeres zu Essen zaubern.