Die Grünen sind in eine verflixte Situation geraten. Denn die zuvor kaum vorstellbare Dimension der Sondervermögen für die Infrastruktur in Deutschland (rund 500 Milliarden Euro) sowie das Abkoppeln der Schuldenbremse für alle Ausgaben zur Verteidigung übertrifft im Grunde all die Wünsche, die von den Grünen noch während der Ampel-Koalition und dann auch im folgenden Wahlkampf formuliert wurden. Genau eine solche staatliche Intervention haben Habeck und Co. immer wieder gefordert. Aber das Problem ist jetzt: Die Koalition aus Union und SPD will flugs genau das realisieren, was eben dieselbe Union zuvor immer blockiert hatte. Die Grünen wurden von den Wählern mit ihren Vorstellungen nicht erhört – auch weil ein Friedrich Merz ständig den Eindruck erweckte, alles ginge auch ohne neue Schulden. Und jetzt soll mit Zustimmung der Grünen ganz schnell noch im alten Bundestag das historisch größte Schuldenpaket verabschiedet werden. Das ist schon ziemlich fies.
Die ersten Reaktionen nach dem Bekanntwerden der neuen Pläne von Schwarz-Rot waren denn auch von bitteren Vorwürfe und sogar Häme geprägt. Grünen-Chef Felix Banaszak sagte, Friedrich Merz sei „verantwortungslos“, sein Handeln sei „fahrlässig“, „planlos“ und „unterirdisch.“ Zentrale Wahlversprechen von Friedrich Merz – nämlich keine neuen Schulden zu machen – würden gerade „in sich zusammenbrechen wie ein Kartenhaus“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. „Merz hat sich an die Macht gelogen“, drückt es Grünen-Parteichefin Franziska Brantner aus. Monatelang habe er „ideologischen Zahlenhumbug im Wahlkampf betrieben“.
Nun ja, aber können die Grünen deshalb die aus ihrer Sicht so dringenden Investitionen nun einfach abblocken, quasi aus Rache für die Verlogenheit von Merz, der ja die Grünen damit in die ungeliebte Opposition geschickt hat? Einfach zustimmen? Auf keinen Fall. Einfach ablehnen? Auch nicht. „Wie wir uns am Ende verhalten, ist offen“, so Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Das Misstrauen der Union gegenüber sitzt tief. Der scheidende Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck will dem von Union und SPD geplanten Sondervermögen nicht zustimmen. So wie der Vorschlag derzeit auf dem Tisch liege, könne er seinen „Leuten nicht empfehlen, dem zuzustimmen“, so Habeck. Deutschland habe sich mit der Schuldenbremse zwar „eingemauert“ und es sei „gut, dass das jetzt aufgebrochen wird“. Aber nicht so: „Das wäre eine Lüge“, so Habeck. (ACHTUNG: Bei Redaktionsschluss lag die endgültige Entscheidung der Grünen noch nicht vor). Parteichefin Franziska Brantner sagte: Ganz im Stile früherer großer Koalitionen habe sich auch diese offenbar vorgenommen, „kein Problem zu lösen, sondern alles mit Geld zuzuschütten“, sagte sie. Wenn aber jeder sein Lieblingsprojekt bekomme, bleibe am Ende für die Infrastruktur nichts mehr übrig. Die Grünen wollen, dass notwendige Ausgaben klarer definiert werden. Das gilt besonders für das geplante Sondervermögen für die Infrastruktur. „Ich weiß, was die CSU unter Infrastruktur versteht: Autobahnen in Bayern“, sagt Parteichef Felix Banaszak. Die Fraktion ist sich außerdem einig, dass es klare Pläne für den Klimaschutz geben muss.
Parteichef Felix Banaszak sagte denn auch: „Den Gefallen, dass wir am Ende eh zustimmen, weil es so einen Vernunftsverdacht bei den Grünen gibt, den werden wir ihnen nicht tun.“ Man werde aber – natürlich – auch nicht aus Prinzip Nein sagen. „Wer die Stimmen der Grünen will, muss auf Augenhöhe mit ihnen verhandeln“, so Banaszak. Das sei bislang nicht der Fall. (Die finale Entscheidung des Bundestages stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest).
Mal nebenbei erwähnt: Nach Robert Habeck (so ein bisschen beleidigter Brummbär) macht auch Annalena Baerbock einen Schritt zur Seite. „Auch weil ich nach Jahren auf Highspeed nachdenken wollte, was dieser Moment für meine Familie und mich bedeutet.“ Ist schade, aber durchaus plausibel. Baerbock und Habeck wären zu früh „vebrannt“. Sie sollten irgendwann wiederkommen.