Amerika hat sich neu offenbart. Die klare Mehrheit der Amerikaner hat Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt, zum zweiten Mal. Und sie haben ihn in einer demokratischen Wahl mit solch überzeugender Mehrheit zu ihrem Präsidenten bestimmt, dass sich jede Relativierung verbietet. Dieses Land wollte Donald Trump und seine Verheißung von Stärke. Die klare Mehrheit wollte ganz genau die Radikalität, die Brutalität, die Eindeutigkeit, die Trump ausstrahlt. Und es könnte sein, dass Trump nicht trotz seiner ständigen Lügen, seiner Hetze, seiner Verachtung und seines Hasses gewählt wurde, sondern im Gegenteil sogar genau deswegen. Er strahlt mit seiner Charakterlosigkeit, seinem Narzissmus und seinen Grenzüberschreitungen etwas aus, das die Mehrheit der Amerikaner fasziniert. Trump ist so unglaublich von sich selbst überzeugt, dass viele seiner Wähler gerne selbst so wären. Wenn er in einem Video vor acht Jahren damit prahlte, dass er sich bei Frauen alles erlauben könne: „Ich fange einfach an, sie zu küssen. … Ich warte nicht mal. Und wenn du ein Star bist, lassen sie dich das tun. Du kannst tun, was du willst. Grab them by the pussy. Du kannst alles tun“, oder wenn er sagt, er könne mitten auf der Fifth Avenue einen Menschen erschießen, ohne dadurch seine Wähler zu verlieren, dann ist das der Inbegriff des amerikanischen Traums. Trump steht für „Alles ist möglich. Du musst es dir nur nehmen.“ Donald Trump inszenierte sich selbst wie eine Karikatur des Kapitalismus. Das geht zurück auf die Popularität, die er ja erst als Reality-Star gewann. Trump ist nicht als Baulöwe berühmt geworden, sondern als Reality-Star, der einen Baulöwen namens Donald Trump spielt. Der Schauwert der Serie „The Apprentice“ lag vor allem in der theatralischen Demütigung von Berufsanfängern. Und dies ist die Blaupause, die Trump in seinen Wahlkämpfen kopierte. Die Show ist nur interessant, wenn es Demütigungen, Verächtlichmachung, Spaltung in ihr gibt. Wenn Trump bei seinen Wahlkampfauftritten endlich seine Zoten, seine Hassattacken vom Stapel ließ, sprangen seine Fans auf, feierten und beklatschten ihn wie einen Popstar. Und ja, dann haben sie ihn gewählt. Eine Botschaft, die man auch so zusammenfassen kann: Lieber einen alten weißen Mann an der Macht als eine schwarze Frau. Auch das hat Amerika bei dieser Wahl nun offenbart.
Für eine Handvoll Dollar
Frei nach dem Italo-Western mit Clint Eastwood gab es wohl aber auch handfeste Gründe, weshalb Donald Trump gewählt wurde. Nämlich für „Eine Handvoll Dollar“. Denn unter all seinen Lügen (über die auch jeder aufgeklärt war) haben die Wähler in den USA wohl eine Ankündigung von Trump für buchstäblich bare Münze genommen: Sie glaubten ihm, dass er ihnen wieder mehr Geld verschaffen würde. Es gibt ja den Satz, den sich der Politikberater James Carville vor mehr als dreißig Jahren für den Wahlkampf Bill Clintons ausgedacht hat: „It’s the economy, stupid!“ Es geht um die Wirtschaft, du Dummerchen. Und es gibt eine Kluft der Ungleichheit, die sich immer stärker verbreitert. Und zwar nicht zwischen links und rechts, sondern zwischen arm und reich. Und Trump hat versprochen, sie zu schließen. Weshalb ausgerechnet Trump, der ja vor allem den Superreichen des Landes stets Vorteile gewährt hat, nun als Heilsbringer für die Arbeiterschaft gilt, bleibt ein Rätsel. Aber die Mehrheit der Amerikaner und Amerikanerinnen hat Trump gewählt, weil sie glauben, dass es ihnen unter Präsident Trump besser gehen wird, als es unter einer Präsidentin Harris der Fall gewesen wäre. Es war Egoismus, nichts anderes. Allerdings ist dieser Begriff in Europa negativer belegt ist als in den USA. Man kann sogar sagen, dass der Egoismus quasi zur DNA in den USA gehört. Gesellschaftliche Solidarmodelle, wie etwa die Krankenversicherung (oder gar die Pflicht dazu), werden äußerst skeptisch gesehen. Das Motto lautet eher, dass jeder selbst seines Glückes Schmid ist. Die goldene Regel, die der demokratische Vizekandidat Tim Walz in einer seiner ersten Reden formulierte: „Mind your own damn business!“ – kümmere dich um deinen eigenen Kram. Tja, das haben die Leute getan. Sie kümmern sich um sich selbst, die Amerikaner. Und so fragten sich viele: Unter welcher Regierung gibt es die Branche, in der ich arbeite, auch künftig? Welche verspricht, dass ich mehr Dollar auf dem Konto haben werde? Welche lässt mich in Ruhe und das tun, was ich will? Da entspricht Trump dem Idealbild des Egoismus. Er verkörpert praktisch alles, was der Mehrheit der Amerikaner als Ideal gilt. Er ist egoistisch, reich, mächtig und pfeift auf jede Form der Solidargemeinschaft. Er kümmert sich um sich selbst. Nur um sich selbst. Das ist von jeher Amerika.
Was sind die Aussichten nach der Wahl?
Dazu gehört auch, dass die Amerikaner, die aus egoistischen Überlegungen auf Trump gesetzt haben, womöglich die Quittung dafür bekommen werden. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die Ego-Rechnung gar nicht aufgeht. Dass jene, die aus wirtschaftlichen Überlegungen Trump ihre Stimme gegeben haben, später genau die sein werden, die von seiner Politik benachteiligt werden. Was also, wenn Trump die amerikanische Wirtschaft an die Wand fährt, oder wenn die Inflation wieder aufflammt, weil Handelskriege ausbrechen und die verhängten Zölle alles verteuern? Na ja, dann hat man eben Pech gehabt. Aber das gehört dazu. Dann geht es eben wieder weiter. Denn im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zählt nicht so sehr, ob man mit einer Sache scheitert, sondern es zählt, es erneut zu versuchen. Daher sind die zahlreichen Pleiten, die Donald Trump hingelegt hat, für die Amerikaner kein Problem. Wichtig ist, was er für die Zukunft verspricht.
Klar ist: Amerika wird hyperkonservativ, autoritär und schottet sich ab. Donald Trump hat dies ja versprochen. Er hat eine Bewegung gegründet. Er hat sich nach dem Wahlsieg nicht einmal bei seiner Partei – den Republikanern – bedankt, ja er hat die Partei in seiner Siegesrede nicht einmal erwähnt. Stattdessen hat er der MAGA (Make Amerika Great Again)-Bewegung gehuldigt. MAGA repräsentiert das Dagegen: gegen die Kräfte der Moderne, gegen die Zumutung der Ökonomie, gegen die Eindringlinge an der amerikanischen Grenze. Donald Trump hat niemals einen konstruktiven Beitrag zu den Problemen des Landes und der Welt geleistet. Er symbolisiert die Beharrung und den Rückzug, er verspricht eine Reise in die Vergangenheit. Und dies ist auch das Signal, das nach Europa schwappt und dort seine Wirkung entfalten wird. Denn Trump geht den Weg, den so viele Staaten auf der Welt schon gegangen sind. Die Zumutungen der Gegenwart und die Komplexität der Probleme überfordern die Mehrheit. Schutz verspricht der starke Typ. Das ist zwar nur gespielt, am Ende eine glatte Lüge, die niemandem hilft. Aber wenn sich doch Mehrheiten mit dieser Lüge gewinnen lassen, warum sollte man sich dann noch mit der Wahrheit, den tatsächlichen Problemen der Welt, aufhalten?
Auf seiner Sieger-Party hat Trump noch einmal explizit betont, dass er „nicht ruhen“ werde, bis er alle seine Versprechen aus dem Wahlkampf eingelöst haben wird. Muss man aber abwarten. Man wird sehen. Trump wird ja erst im Januar vereidigt.
Was war die Reaktion aus Deutschland?
Noch kürzlich sagte Trump in einer Rede, dass die Deutschen ihn nicht mögen würden, weil er von ihnen Geld verlange. Ich habe zur damaligen Kanzlerin Merkel in seiner ersten Amtszeit schon gesagt: „Angela, du musst die Rechnung zahlen.“ Für den „America first“-Ideologen Trump ist Deutschland ein Parasit, der immer zu gut auf Kosten der Vereinigten Staaten gelebt hat: Lange habe Deutschland märchenhaft davon profitiert, sich mit billiger russischer Energie einzudecken, Waren in alle Welt zu exportieren und sich seine Sicherheit von den USA bezahlen zu lassen. Tja, und das stimmt. Wohl deshalb hatte es Kanzler Olaf Scholz so eilig, Trump zu seinem Wahlsieg zu gratulieren, ebenso Bundespräsident Steinmeier und andere Minister. Anbiedern freut Trump, bringt aber nichts. Die Zeiten werden teuer.