Einfach ehrlicher sein

Der Mann bespielt viele Kanäle, um seine Botschaft zu verkünden. Häufig stellt er Erklärvideos in die sozialen Netzwerke, mitunter überschreitet seine Agentur auch Grenzen, wenn Habeck per Projektion auf historische Gebäude gestrahlt wird, um dort als „Bündniskanzler“ von sich reden zu machen (siehe auch Seite 4), mit der Unterzeile: „Ein Mensch. Ein Wort.“ Und nun hat Robert Habeck sein neues Buch vorgestellt, das natürlich ein paar mehr Worte enthält. Das Buch trägt den Titel: „Den Bach rauf“, was uns sofort an Lachse und andere Wesen erinnert, die gegen den Strom schwimmen. Sympathisch ist daran allerdings, dass Habeck sich die Mühe gemacht hat (in den „Sommerferien“ 2024) ein solch alt hergebrachtes Medium zu nutzen (wie schon mit seinen politischen Büchern „Wer wir sein könnten“, 2018 und „Von hier an anders“, 2021), anstatt sich wie andere mit  drei bis fünf Sätzen auf „X“ zu begnügen. Und noch dazu ist dieses Buch keine Gelddruckmaschine wie zuletzt die Memoiren von Angela Merkel, und es ist eben auch keine in sich zurücklehnende Autobiographie nach getaner politischer Arbeit. Sondern es setzt sich auseinander, nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch mit der aktuellen Situation. Insofern vertieft dieses Buch den Eindruck, den Robert Habeck ohnehin in diesem Wahlkampf macht. Er ist einfach ehrlicher als andere.

Geschrieben hat Habeck das Buch als es die Ampel noch gab und eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus eher unwahrscheinlich war. Er habe sich damals „hingesetzt und seine Gedanken sortiert“, sagte Habeck beim der Buchvorstellung in Berlin, wollte „aufschreiben, was ich gelernt habe, überprüfen, wer ich bin, anbieten, was wir sein können“. Just in der Woche vor dem Ampel-Bruch, so erzählt es der Grünen-Kanzlerkandidat, habe er das Skript dann noch einmal upgedatet, „gerade rechtzeitig“. Die Ampel ging endgültig den Bach runter, die politische Kultur im Land droht ihr zu folgen, erst recht „wenn auch die Politiker der demokratischen Mitte auf die Mittel des Populismus setzen, wenn sich der Pessimismus in der Gesellschaft durchsetzt“, glaubt Habeck.

Mag sein, oder auch nicht. Aber hier geht es nicht um eine Buchkritik. Habeck ist auch im Wahlkampf streitbar, weil er eben nicht das Blaue vom Himmel beschwört, vor allem dann, wenn es ums Geld geht. Anders als Friedrich Merz und Olaf Scholz ist Habeck als Spitzenkandidat der Grünen durchaus willens, die Wähler darauf vorzubereiten, dass nach dem 23. Februar eine Reihe harter Einschnitte anstehen. Das ist mutig. Es kann Stimmen kosten. 

Und er hat völlig recht damit. Investitionen in die Infrastruktur, mehr Geld für die Verteidigung, dazu Steuersenkungen von 90 Milliarden Euro (CDU) oder 138 Milliarden Euro (FDP)  plus stabile Rentenbeiträge – das passt nicht zusammen. Habeck sagt es auf seine Art: „Die wollen uns doch vergackeiern!“ Und er betont,  er sei gerade der Einzige, der Lösungen für die großen Gerechtigkeitsfragen präsentiere.

Es stimmt, dass er derjenige ist, der sich überhaupt traut, solche Themen anzusprechen. Während ein Olaf Scholz lauter Versprechen raus haut, die er wieder nicht wird halten können. Man denke hier nur an sein Versprechen vor der letzten Bundestagswahl, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen gebaut werden sollen, um endlich wieder bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu garantieren. Hat aber dann gar nicht geklappt. 

Habeck hat hingegen einen Vorschlag gemacht, wie der Staat seine Einnahmen an anderer Stelle erhöhen kann. Sein Ansatz ist es, vor allem diejenigen stärker zu belasten, die zumeist deutlich besser durch die Krisenjahre gekommen sind als die große Mehrheit der Bevölkerung. Das ist vom Prinzip her richtig, wenn auch im Detail strittig. Er will damit eine Debatte anstoßen. So hat Habeck im Dezember zunächst vorgeschlagen, eine Milliardärssteuer zu erheben. Damit ging er konform mit einem Ansinnen, hinter dem sich kurz zuvor auch alle G-20 Staaten in Rio de Janeiro versammelt hatten. Diese wollen „gemeinsam sicherstellen, dass Individuen mit einem ultrahohen Vermögen effizient besteuert werden“. Kürzlich schlug er dann vor, Kapitalerträge künftig nicht nur mit der Abgeltungsteuer von 25 Prozent zu belegen, sondern auch mit Sozialabgaben. So will er mehr Geld für die gesetzlichen Krankenkassen mobilisieren. Denn natürlich muss die nächste Regierung alles tun, um den schnellen Anstieg der Lohnnebenkosten zu senken – andernfalls werden Arbeitnehmer, Unternehmen und die Konjunktur leiden. Es gehe ihm um eine „grundsätzliche Meinungsbildung“, nicht um „die vorgezogene Gesetzgebungsarbeit“, so Habeck dazu. Immerhin wird er konkret, wo andere nur Luftschlösser bauen. Ist ehrlich!