Therapien nicht adäquat

Studie belegt Mängel bei Antibiotikaverschreibungen in deutschen Krankenhäusern. Optimierungsbedarf bei Antibiotika-Auswahl, Infektions-Diagnostik und Therapie-Dokumentation / Breite Verfügbarkeit von Infektiolog*innen erforderlich.

Fotomontage: Adrian Kempf

Eine am 14. November 2024 erschienene Studie des Universitätsklinikums Freiburg zeigt deutliche Defizite bei der Antibiotikaverordnung in nicht-universitären Krankenhäusern in Deutschland. In zehn Kliniken unterschiedlicher Größe, die 10 Prozent der Krankenhausbetten Baden-Württembergs ausmachen, wurden im Jahr 2021 über 8.500 Patient*innen untersucht. Ein zentrales Ergebnis: Häufig entsprechen Antibiotikaverschreibungen nicht den empfohlenen Qualitätsstandards. 

Die Studie erschien im Fachmagazin Eurosurveillance und wurde kurz vor der Weltwoche für den verantwortungsvollen Gebrauch von Antibiotika (WAAW) veröffentlicht, mit der die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 18. bis 24. November auf das globale Problem von Antibiotikaresistenzen hinweist.

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen den dringenden Bedarf an nachhaltigen Antibiotikaprogrammen und Fachärzt*innen für Infektiologie, um die Versorgung der Patient*innen zu verbessern“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Siegbert Rieg, Leiter der Abteilung Infektiologie der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg. „Nur so können wir langfristig Resistenzen vorbeugen und die Behandlungsqualität steigern.“

Etwa ein Drittel der untersuchten Patient*innen erhielt mindestens ein Antibiotikum, meist zur Therapie, in selteneren Fällen zur Prävention. Es zeigte sich insgesamt eine große Streuung der Verordnungsqualität, auf alle Verordnungen bezogen waren jedoch ein Viertel der Therapien nicht adäquat, bei ungefähr der Hälfte der Patient*innen wäre der Einsatz eines Antibiotikums mit schmalerem Wirkspektrum möglich gewesen. Weitere Qualitätsindikatoren wie die rechtzeitige Dokumentation der Behandlungsdauer oder die Überprüfung der Antibiotikatherapie nach 2-3 Tagen wurden nur in circa einem Drittel der Fälle erfüllt. Auch die Umstellung von intravenösen auf orale Antibiotika fand nur bei etwa der Hälfte der Patient*innen statt, bei denen das eigentlich sinnvoll gewesen wäre.

Kritisch ist zudem, dass nur in 45 Prozent der Fälle eine Blutkulturanalyse und bei etwa 60 Prozent der Patient*innen ausreichende mikrobiologische Proben vor Beginn der Antibiotikatherapie entnommen wurden, obwohl diese Untersuchungen wesentliche Erkenntnisse zur Therapiesteuerung liefern. „Neben optimierungsbedürftiger Antibiotika-Auswahl beeinträchtigen fehlende Diagnostik und mangelhafte Dokumentation die Qualität der Versorgung erheblich. Diese Defizite gefährden nicht nur die Wirksamkeit der Behandlung, sondern tragen auch zur Entstehung von Resistenzen bei“, betont Rieg. 

Die Studie hebt den Bedarf an strukturierten Programmen hervor, die für eine sachgemäße Verschreibung und Anwendung von Antibiotika sorgen. „Solche Antimicrobial Stewardship-Programme könnten erheblich dazu beitragen, unnötige Antibiotikatherapien zu reduzieren und die Qualität der Behandlungen zu erhöhen“, erklärt Rieg. Derzeit fehlen jedoch solche Programme und spezialisiertes Fachpersonal in Form von Fachärzt*innen für Innere Medizin und Infektiologie in den meisten nicht-universitären Krankenhäusern.

„Mit dem Wissen, das seit mehr als 15 Jahren an unserer Klinik zu Antibiotic Stewardship und zum infektiologischen Konsiliarservice aufgebaut wurde, können wir anderen Krankenhäusern eine wichtige Unterstützung bieten. Dass diese erforderlich ist, zeigen unsere Befunde“, sagt Prof. Dr. Robert Thimme, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg.