Jetzt ist es mal gut. Am 23. Februar 2025 dürfen in Deutschland die Wähler ran, um per Stimmzettel bei der Bundestagswahl die Richtung vorzugeben. Ab sofort ätzt nicht mehr der Streit in einer „Ampel-Koalition“ genannten Regierung, sondern herrscht Wahlkampf. Das ist wenigstens spannend, teilweise auch amüsant. Es hat einen Sinn, weil es darum geht, sich für die Wähler in Position zu bringen (während so mancher Ampel-Streit keinen Sinn hatte, da die Leute darüber nur ratlos oder wütend sein konnten). Jetzt können wir uns alle zurücklehnen und das Schauspiel genüsslich verfolgen, um dann als Souverän zu entscheiden. Ja, wir bitten darum, dass alle Beteiligten sich prächtig heraus putzen. Da ist der hippelige Merz, der es prompt fertig gebracht hat, sich eine Reform der Schuldenbremse jetzt doch vorstellen zu können, was er zuvor stets vehement abgelehnt hat. Da ist der summende Habeck, der sich dann verbieten lassen musste, „Zeit, dass sich etwas dreht“ weiter vom Küchentisch aus ins Netz zu schicken. Und da ist natürlich der unkaputtbare Olaf Scholz, der sogar im Fernsehen (bei Caren Miosga) prahlt, dass er sich für „cooler“ hält als Friedrich Merz. Außer Konkurrenz (zu seinem Leidwesen) spielt dann auch der Markus Söder mit, der obercool im Bundestag sprach: „Ich kenne keinen, der uncooler in Deutschland ist als Sie, lieber Herr Scholz.“
Spieglein, Spieglein an der Wand: Es ist Wahlkampf. Dabei ist die Rolle rückwärts von Friedrich Merz bezüglich der Schuldenbremse wirklich ein Schmankerl. Merz sagte, dass die Schuldenbremse letztlich nicht mehr sei als ein finanzpolitisches Instrument. Und weiter: Nur einige wenige Vorschriften des Grundgesetzes seien unveränderbar, „über alles andere kann man selbstverständlich reden“. Ist natürlich Hammer. Denn nicht nur, dass Merz und die Union dies bisher stets und strikt abgelehnt hatten, sondern es ist ja auch so, dass darüber die Ampel-Koalition zerbrach (siehe Seite 4). Heißt also, dass Merz mit seiner Kehrtwende schon mal vorsorgen will, dass ihm als möglichen Kanzler nicht dieselbe finanzielle Zwangsjacke droht, die Scholz in die Enge trieb. Aber was heißt es für eine mögliche Koalition mit der FDP (falls diese es überhaupt in den Bundestag schafft)? Will Merz gegebenenfalls mit einem Juniorpartner FDP regieren, die sich bezüglich der Schuldenbremse genauso aufführt wie bereits unter Scholz?
Umgekehrt gesagt: Merz spricht mit seiner Kehrtwende nicht gerade eine Wahlempfehlung für Christian Lindner und die FDP aus (auch wenn er zu dessen Hochzeit auf Sylt als Pilot mit dem eigenen Flugzeug angeschwebt kam). Und Lindner hat derweil das Ziel von 10 Prozent der Wählerstimmen ausgegeben, worauf Merz gesagt hat: „Na dann, gute Reise!“
Auch bei den Grünen herrscht ein gewisser Optimismus, der gleichzeitig Rätsel aufgibt. Denn die summende Selbstinszenierung von Robert Habeck als Kanzlerkandidat hatte halt mal wieder einen Schönheitsfehler. Weil Herbert Grönemeyer nicht damit einverstanden war, dass Robert Habeck einen Song von ihm summt, haben die Grünen das Video von allen Plattformen entfernt, mit dem Habeck seine Kanzlerkandidatur angedeutet hatte. Nun ja, soweit, so gut. Etwas verwirrender war dann, dass die Grünen zwar mit einem Kanzlerkandidaten Habeck, aber gleichzeitig auch mit einer „Doppelspitze“ Habeck/Baerbock in den Wahlkampf gehen wollen. Sie erklären das so, dass dies ein Zeichen der Einigkeit sei. Robert Habeck gab dann auf dem Parteitag der Grünen den Nachdenklichen: Autokratische Regime organisierten überall auf der Welt Angriffe auf Demokratien. „Sie destabilisieren die Institution, sie nutzen die Medien, und alles verschwimmt auf einmal. Und keiner weiß mehr, was richtig und falsch ist, was wahr und was Lüge ist“, mahnte Habeck. Deutschland, die Freiheit, die Demokratie stünden unter Druck wie selten zuvor. „Es ist nicht sicher, dass das Unwahrscheinliche nicht auch in Europa und Deutschland passiert“, so Habeck.
Und Olaf Scholz? Er gibt wie immer den Selbstbewussten und fährt gehörig auf: Er telefonierte mit Trump und mit Putin. Das Bild, das er dabei von sich zeichnet, ist das eines erfahrenen, besonnenen Politikers, der lange selbstlos in der Ampel die Kompromisse gesucht und gefunden habe. Der Rauswurf von Lindner sei am Ende richtig gewesen, und seine Weigerung, der Ukraine „Taurus“ zu liefern auch.
Na ja, ein Problem gäbe es da noch für den coolen Olaf. Innerhalb der SPD ist eine Debatte entbrannt, warum eigentlich einen so unbeliebten Politiker zum Kanzlerkandidaten küren, wo man doch mit Boris Pistorius auch den beliebtesten ins Rennen schicken könnte. Pistorius sagt: In der Politik sei nichts auszuschließen.