Es gibt mindestens zwei Eigenschaften, die man Gesundheitsminister Karl Lauterbach nicht absprechen kann: Er ist erstens enorm fleißig und scheut zweitens keinen Konflikt. Seit er im Amt ist, hat er nicht weniger als 16 neue Gesetzesvorhaben angestoßen – das ist ein enormes Tempo. Quasi das neue „Deutschland-Tempo“, von dem der Kanzler und Parteigenosse Olaf Scholz immer träumt. Aber gleichzeitig legt sich Karl Lauterbach dann auch mit allen an: Mit den Gesundheitsministern der Länder in Bezug auf die geplante Krankenhausreform, Lauterbachs wichtigstes Großprojekt. Aber auch mit den Apothekern, Kassenärzten und Zahnmedizinern liegt er über Kreuz. Und zu guter Letzt nimmt er auch noch Ärger mit der urbanen Stammwählerschaft in Kauf, weil er die geliebten Globuli-Kügelchen als Kassenleistung streichen will. Aber hallo, kann man ja auch selbst bezahlen!
Der Mann ist also auf einem wahren Kreuzzug, aber man darf ihm abnehmen, dass dies auch dringend nötig ist. Lauterbach selbst sieht das so, dass dieser Kraftakt alternativlos ist – die notwendigen Reformen seien mindestens zehn Jahre zu lange liegen geblieben. Jetzt ist das deutsche Gesundheitssystem aus seiner Sicht eben so marode, dass man alles gleichzeitig machen muss. Ein Zögerer und Zauderer ist Karl Lauterbach also sicher nicht. Vielleicht sollte sich Olaf Scholz davon abschauen, wie Tempo geht und was Tempo ausbremst. Denn diesbezüglich habe beide SPD-Politiker ein ähnliches Problem.
Bei den Lauterbach-Vorhaben sind es gewisse Beharrungskräfte, die ihn ausbremsen wollen (also wie bei Scholz auch, nur dass dort nicht klar ist, ob so manche Beharrung nicht in Scholz selbst zu finden ist). Das ist insofern seltsam, als eigentlich alle einsehen, dass das bestehende Gesundheitssystem nicht wie bisher weiter geführt werden kann.
Die Krankenhausreform ist das Kernstück von Lauterbachs Reformagenda. Bislang gelingt es dem Minister allerdings nicht, die Länder für seine Ideen zu begeistern, im Gegenteil: diese präsentieren sich als Bastion des Widerstands. Sie beklagen Unklarheiten bei der Finanzierung und Einschränkungen bei der Krankenhausplanung. Nach den letzten stundenlangen Verhandlungen von Lauterbach mit den Gesundheitsministern der Länder im vergangenen November sprach der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) von einem „intensiven Beratungsprozess“. Und konkretisierte: „Es ist ein großer Erfolg, dass wir nicht auseinandergegangen sind und gesagt haben, der Dissens ist manifestiert“, so Lucha. Soll heißen: Man redet immerhin noch miteinander. Karl Lauterbach selbst benutzte nach diesen Gesprächen ganz andere und sehr große Worte: Man habe es hier mit einer historischen Sache zu tun. „Es ist eine wichtige Reform“, sagte Lauterbach, ja sogar „eine Revolution.“ Und bei der Umsetzung der Revolution, da sei man nun voll im Plan. Na ja, da flunkert der Karl ein bisschen. Ursprünglich sollte die Reform zum 1.1. 2024 in Kraft treten – daraus wurde nichts. Nun soll es bis Ostern klappen.
Nach gewissen Turbulenzen zwischen den Jahren – wegen damals angekündigten „Streiks“ von Hausärzten – hat der Gesundheitsminister nun versprochen, das umzusetzen, was bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien stand: „Wir heben die Budgetierung der hausärztlichen Honorare auf“. Schon lange klagen Ärztinnen und Ärzte über die Deckelung ihrer Honorare. Die Regelung führte dazu, dass Praxen insbesondere zum Quartalsende Behandlungen oft gar nicht bei den Krankenkassen abrechnen können. Nun sollen Hausärzte künftig nicht länger dafür bestraft werden, wenn sie viel leisten. Dass ist zu begrüßen. Seltsam ist, dass dies nur für Hausärzte, aber nicht für Fachärzte gelten soll. Doch gerade die Fachärzte braucht Lauterbach, wenn er seine Krankenhausreform verwirklichen will. Denn diese sieht ja vor, dass möglichst viele Operationen ambulant durchgeführt werden, statt im Krankenhaus. Von wem wohl? Da muss der schnelle Karl Lauterbach aufpassen, sich nicht selbst auszubremsen.