Was hat es mit den Pandas auf sich? Na ja, sie waren in Washington, bis weit in den November hinein, bis kurz vor dem Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping bei Joe Biden in Kalifornien. Washington zahlte bis zuletzt Millionen Dollar an Leihgebühr für die pelzigen Gesellen und die Menschen waren vor dem Zoo Schlange gestanden, um die schwarz-weißen Bären zu sehen. Pandas seien „Abgesandte der Freundschaft zwischen dem chinesischen und dem amerikanischen Volk“, ließ Xi dann auch bei seinem Treffen mit Biden verlauten. Sie mussten dann allerdings zurück nach China. Warum genau? Böse Zungen stellen hier eine Verbindung her zu den Spionage-Ballons aus China, von denen einer auf Bidens Befehl hin abgeschossen wurde, was zu einer diplomatischen Eiszeit zwischen den beiden Großmächten geführt hat. Musste man den Pandas also tief in die Augen blicken, weil diese zuvor tief in die Augen der Amerikaner geschaut hatten, als gut trainierte Spione? Wäre doch ein Stoff für einen Hollywood-Blockbuster. Oder doch eher für eine TV-Serie?
Das Treffen von Joe Biden und Xi Jinping fand jedenfalls in einer Filmkulisse statt. Wo sie sich jetzt trafen wurde früher der Pilotfilm der Fernsehserie „Dynasty“ („Der Denver-Clan“, die Villa im Vorspann der Serie) gedreht! Und es begann etwas hölzern. „Herr Präsident“, hob Biden drinnen im Herrenhaus an, solange noch Kameras dabei sein durften. „Wir kennen uns schon sehr lange. Wir waren nicht immer einer Meinung. Aber unsere Treffen waren immer offen und ehrlich.“ Es sei „von größter Wichtigkeit, dass wir uns gegenseitig wirklich verstehen, von Leader zu Leader“. Xi sprach zum Einstand vor allem diesen Satz, der nachklang: „Der Planet Erde ist groß genug für beide Länder, um erfolgreich zu sein.“
Was hat das Treffen von Biden mit Xi gebracht?
Der erste Erfolg liegt wohl darin, dass es dieses persönliche Treffen überhaupt gab. Es werden versöhnliche Bilder produziert: Biden und Xi treffen sich, schütteln sich erstmals nach einem Jahr wieder die Hände. Beide Großmächte Seite an Seite. Und beide Seiten haben einen guten Grund für dieses filmreife Szenario: Xi Jinping steht zu Hause unter Druck, weil die heimische Wirtschaft kriselt, und zahlreiche ausländische Investoren das Land verlassen. Xis Bereitschaft zu diesem Treffen zeigt, dass die amerikanischen Sanktionen und Exportkontrollen besonders im Techbereich funktionieren. China braucht die USA, um die eigene Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Die erholt sich nach den Pandemie-Jahren nicht wie erhofft. Xi beschwerte sich bei dem Treffen erneut über Exportkontrollen, Investitionsprüfungen und Strafmaßnahmen durch die USA, die „Chinas legitimen Interessen stark schaden“ würden.
Umgekehrt steht Joe Biden vor einem (wohl für die westliche Welt wegweisenden) Wahlkampf. Donald Trump und die Republikaner sind ganz wild darauf, ihm Schwäche gegenüber China vorzuwerfen. Schon allein deshalb hat Biden kaum Spielraum für Zugeständnisse. Aber es geht um mehr: eine militärische Auseinandersetzung vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen den beiden Atommächten zu verhindern. Nicht mehr und nicht weniger.
Diesbezüglich verkündete Biden bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen, er habe sich mit Xi darauf geeinigt, dass eine direkte Kommunikation auf militärischer Ebene zwischen den beiden Ländern wieder ermöglicht werden solle. Der Schritt sei von „entscheidender Bedeutung“, sagte Biden. Ohne Austausch könne es zu Unfällen und Missverständnissen kommen. Geplant sei nun unter anderem, dass US-Verteidigungsminister Lloyd Austin seinen chinesischen Kollegen treffen werde. Außerdem solle es operative Gespräche hochrangiger militärischer Führungspersonen beider Länder geben.
Das berühmte „rote Telefon“ ist also wieder installiert und offenbar nötig. „Er und ich haben vereinbart, dass jeder von uns den Anruf direkt entgegennehmen kann und sofort gehört wird. Wir sind zurück bei der direkten, offenen und klaren Kommunikation“, sagte Biden dazu. Und Xi Jinping sagte: Für zwei große Länder wie China und die Vereinigten Staaten ist es keine Option, einander den Rücken zuzukehren.“ Es sei „unrealistisch, dass eine Seite die andere umgestaltet, und Konflikt und Konfrontation haben für beide Seiten unerträgliche Folgen.“
Das Ding mit den Chips aus Taiwan
Xi hat deutlich gemacht, dass Taiwan „das größte und potenziell gefährlichste Problem in den Beziehungen zwischen den USA und China ist.“ Biden hat geantwortet, dass die USA Frieden und Stabilität erhalten wollten und an den Status quo glaubten. Und man bitte die Chinesen, den Wahlprozess in Taiwan zu respektieren. „Sehen Sie, Frieden ist schön und gut“, soll Xi erwidert haben, „aber irgendwann müssen wir zu einer allgemeineren Lösung übergehen.“
Dahinter stecken handfeste Interessen. Wie soft geht es nicht so sehr um Ideologie, sondern um Ressourcen. Ein neu erschienenes Buch des amerikanischen Historikers Chris Miller liefert dazu eine detaillierte Analyse. (Chris Miller: „Der Chip-Krieg. Wie die USA und China um die technologische Vorherrschaft auf der Welt kämpfen.“ Aus dem Englischen von Hans-Peter Remmler und Doro Siebecke. Rowohlt-Verlag, Hamburg 2023. 500 Seiten, 30 Euro. E-Book: 27,99 Euro.)
Miller widmet sich dem Computerchip. Jene Dinger, die mittlerweile in fast allen Elektrogeräten stecken vom Smartphone, Fernseher, Kühlschrank, bis zum Auto- und Raketenantrieb. Solchen Computerchips beziehungsweise Halbleitern verdanken wir unsere moderne Welt, wir hängen ab „von Trillionen von Transistoren und einer Handvoll unersetzlicher Firmen“, so Miller, und das Schicksal ganzer Nationen von ihrer Fähigkeit, das Potenzial der Mikroelektronik auszuschöpfen. So beruhe die militärische Vormachtstellung der USA großteils auf dem effizienten Einsatz von Chips in der Rüstungsindustrie. Deren Produktion allerdings kontrolliert nur eine sehr überschaubare Zahl von Firmen. Der kalifornische Tech-Konzern Apple etwa stelle „nicht einen einzigen dieser Chips“ her.
Chips aus Taiwan haben einen Anteil von 37 Prozent an der weltweit jährlich neu produzierten Rechenleistung. Angesichts Xi Jinpings Drohungen einer Invasion könnte die Weltwirtschaft schwer getroffen werden. „Schon eine Teilblockade durch chinesische Truppen hätte verheerende Folgen“, schreibt Miller. Ein einziger Raketenangriff auf die modernste TSMC-Chipfabrik könnte leicht zu Schäden in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar führen.
Noch beherrschten die USA (beim Design) den Markt für Hochleistungs-Siliziumchips, die dem Silicon Valley seinen Namen gaben. „Diese Vormachtstellung ist jedoch bedroht“, warnt der Wirtschaftshistoriker. Um die Halbleiterindustrie aus dem Griff Amerikas zu befreien, investiere China Milliarden Dollar in die Entwicklung der eigenen Chiptechnologie: „Ist diese Strategie erfolgreich, wird Peking die Weltwirtschaft umgestalten und das militärische Gleichgewicht neu justieren können“, so Miller.
US-Präsident Joe Biden schmiedet seit 2022 eine internationale Allianz, um China vom Zugang zur neuesten Chip-Generation abzuschneiden. Gelingt ihm das, ist Pekings Plan der globalen Technologieführerschaft gefährdet.
Vor diesem Hintergrund wirkt ein Dialog zwischen Chinas Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden doppeldeutig:
„Was für ein schönes Auto“, sagte Biden, der seinen Gast nach ihrem Gespräch zum Auto brachte.
„Das ist unsere Hongqi-Limousine (wörtlich übersetzt heißt die Marke „rote Flagge“), made in China. Machen Sie ruhig auf und gucken rein“, antwortet Chinas Präsident Xi.
„Wie der Cadillac, den wir da drüben haben. (…) Wissen Sie, wie das Auto genannt wird? ‚The Beast‘“, sagt darauf hin Joe Biden.
Es scheint, die beiden plaudern wie gute alte Freunde. Gleichzeitig wird aber die Frage aufgeworfen, wer die bessere Technik unter dem Hintern hat. Es ist also ein Kriegswarnung.