Der Immobilienmarkt hat sich kolossal verändert, Interview mit Oliver Kamenisch

Oliver Kamenisch, Geschäftsführer der Sparkassen-Immobilien Gesellschaft aus Freiburg, im Gespräch über die Veränderungen im vergangenen Jahr und was uns in 2023 erwartet.

Bild: Susanna Hiss

Herr Kamenisch, zunächst ein Blick zurück auf 2022: wie stellte ich der Immobilienmarkt bzgl. Preisentwicklung, Angeboten und Nachfrage dar?

Oliver Kamenisch: Der Immobilienmarkt hat sich nach unseren Beobachtungen in 2022 um 180° Grad gedreht. Anfang 2022 konnte man noch von einem Verkäufermarkt sprechen, das heißt, der Verkäufer hat den Markt bestimmt, da wenig Immobilienangebote einer hohen Nachfrage gegenüberstand. Wenn man als Maklerunternehmen eine Immobilie ins Angebot bekommen hat, war die Nachfrage so groß, dass man die Immobilie kurze Zeit später schon wieder aus dem Internet genommen hat. Der Grund der hohen Nachfrage war der hohe Bedarf nach Wohnraum, aber vor allem auch die äußerst geringen Zinsen.

Durch die stark angestiegene Inflation, den Ausbruch des Ukrainekrieges, die steigenden Zinsen, verbunden mit den zunehmenden Unsicherheiten der Käuferschicht hat die Nachfrage nach Kaufimmobilien in 2022 stark nachgelassen. Nach unseren Beobachtungen lag die Nachfrage nach neuen Immobilienangeboten gegen Ende 2022 deutlich niedriger als noch zum Jahresanfang 2022. Wir schätzen, dass die Nachfrage um gefühlte 70 bis 80 Prozent zurückgegangen ist. Dies wohlgemerkt bei Kaufimmobilien.

Der Bedarf an Wohnraum ist ja aber dennoch weiterhin da!

Oliver Kamenisch: Wenn eine Immobilie nicht mehr finanziert werden kann, da die monatliche Belastung zu hoch wird, dann wechseln eben die Kaufinteressenten in Richtung Mietmarkt, mit der Folge, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen wohl weiterhin zunehmen wird!

Die Zinsen im Bereich von aktuell ca. 4 Prozent sind ja im langfristigen Vergleich nicht sonderlich hoch. Da die Immobilienpreise in den letzten 10 bis15 Jahren sich aber nahezu verdoppelt haben, sind hohe Verkaufspreise mit dem aktuellen Zinsniveau für viele Haushalte einfach nicht mehr darstellbar.

Mit der deutlich zurückgehenden Nachfrage verzeichnen wir gleichzeitig auch eine deutlich zunehmende Vermarktungsdauer. Anfang 2022 haben wir oftmals noch festgestellt, dass aufgerufene Angebotspreise nicht selten sogar von Kaufinteressenten freiwillig überboten wurden. Heute ist es so, dass über die Angebotspreise eher nach unten verhandelt wird. Auch unsere Makler haben vermehrt Preisgespräche mit Verkäufern, um offizielle Preisreduzierungen durchzuführen. 

Die Nachfrage nach Immobilien ist aktuell um 70 bis 80 Prozent zurückgegangen. 

Fallen jetzt die Preise?

Oliver Kamenisch: Dies ist ein normaler ökonomischer Prozess.

Weniger Nachfrage bedeutet auch weniger Druck auf die Angebote mit der Folge, dass die Preise nicht mehr so stark ansteigen wie noch in den letzten 10 bis15 Jahren oder sogar teilweise sinken. 

In unserer Immo-GmbH konnten wir für 2022 feststellen, dass die von uns vermittelten Kaufverträge über Bestandswohnungen um ca. 15 Prozent günstiger verkauft wurden, wie noch in 2021. Selbstverständlich haben wir nicht die gleichen Wohnungen verkauft wie noch in 2021, aber die Entwicklung im Immobilienmarkt deckt sich auch mit unseren eigenen Erfahrungen. 

Wir haben mal eine Auswertung gemacht über Immobilienangebote, Eigentumswohnungen in Freiburg, Baujahr 1950 – 2010. Hier sieht man im Analysechart, dass die Preise jahrelang nur eine Richtung kannten.

Seit 2022 ist aber auffällig, dass auch die Angebotspreise rückläufig sind. Dies soll Immobilieneigentümer nun aber nicht sonderlich verunsichern. 

Wenn man die Preisentwicklung der letzten Jahre anschaut, dann ist die Entwicklung seit 2022 aus unserer Sicht als Korrektur zu bezeichnen. Wer seine Immobilie langfristig besitzt und heute verkaufen möchte, kann im langfristigen Vergleich dennoch einen Verkaufsgewinn erlösen.

Die Finanzierung einer Immobilie ist für viele durch die Zinsentwicklung schwerer geworden. Welche Auswirkungen hat das?

Oliver Kamenisch: Wenn man sich die Situation zu Anfang 2022 anschaut und mit heute vergleicht, so haben sich die Zinsen von ca. 1 oder 1,25  Prozent auf heute mit ca. 4 oder knapp über 4 Prozent nahezu verdreifacht oder vervierfacht. Bei gleichbleibender Tilgung von z.B. 2 Prozent hat dies eine Verdoppelung der monatlichen Belastung zur Folge. Anfang 2022 war die Finanzierung z.B. von einer 4-Zimmer-Wohnung oder einem Reihenhaus für eine Familie durchaus noch darstellbar, da die monatliche Belastung aus der Finanzierung oftmals günstiger war als eine mögliche Miete.

Mit den gestiegenen Zinsen in Verbindung mit den hohen Immobilienpreisen kommen viele Familien aus mittleren Einkommensschichten an Ihre Grenzen.

Selbst eine reduzierte Tilgung von anfänglich 1,5 Prozent bringt da keine nennenswerte Entlastung.

Nach unseren Erfahrungen gibt es weiterhin eine gute Nachfrage nach Immobilien, aber wir stellen fest, dass insbesondere Interessenten mit einer guten Eigenkapitalausstattung zu den Käufern zählen.

Hohe Zinsen, hohe Immobilienpreise, teilweise ein Mangel an Baustoffen und Facharbeitern – wird sich aus Ihrer Sicht der Markt hier bald wieder beruhigen? 

Oliver Kamenisch: Unsere Kollegen aus der Bauträgerabteilung der Sparkasse berichten von einer zunehmenden Beruhigung der Baukostenentwicklung. Sollte sich diese Tendenz verfestigen, so können Bauträger sicherlich besser kalkulieren und das Risiko des jeweiligen Neubauprojektes besser einschätzen. Bauträger müssen schließlich langfristig kalkulieren. Die Immobilien werden z.B. heute zum Festpreis verkauft, die Fertigstellung ist oftmals aber erst später. Da müssen die Bauträger oder Investoren das Risiko von weiterhin steigenden Baukosten gut einschätzen können. Daher haben viele Bauträger den Vertriebsstart von neuen Projekten auf Eis gelegt, zumindest so lange, bis wieder mehr Planungssicherheit besteht.

Gleichzeitig ist nicht davon auszugehen, dass die Zinsen in naher Zukunft sinken werden. Aktuell muss man damit rechnen, dass die EZB die Zinsen nochmals erhöhen wird, um die weiterhin hohe Inflation in den Griff zu bekommen.

Die Situation am Immobilienmarkt wird sich wohl in den nächsten ein bis zwei Jahren nicht grundlegend verändern. 

So lange die Zinsen auf dem aktuellen Niveau verbleiben, wird sich an der schwierigeren Finanzierbarkeit von Immobilien nicht viel ändern. Wenn die Verkäufer ihre Immobilie verkaufen möchten, aber wenig Nachfrage vermelden, so müssen die Angebotspreise entsprechend reduziert oder angepasst werden.

Eine gewisse Beruhigung erwarte ich persönlich, was die Verunsicherung der Kaufinteressenten angeht. Die hohe Inflation verbunden mit den steigenden Energiepreisen hat doch etliche Interessenten vom Kauf abgehalten. Wenn die Inflationsrate nachhaltig sinken und die Endabrechnungen der Energieversorger hoffentlich nicht ganz so hoch ausfallen sollte, so könnte der ein oder andere Marktteilnehmer wieder etwas mutiger werden. 

Welche Projekte stehen in der S-Immo-GmbH an?

Oliver Kamenisch: Was den Vertrieb angeht, so haben wir aktuell noch unser Neubauprojekt „Sonnhalde“ in Waldkirch-Kollnau im Angebot. Ein Bauprojekt, das uns aufgrund seiner Größe sicherlich noch die nächsten zwei Jahre beschäftigen wird. 

Gleichzeitig starten wir in Kürze mit einem Neubauprojekt in Denzlingen. Hier werden in zentraler Lage zwei Wohn- und Geschäftshäuser gebaut. Wir haben dort insgesamt 13 Eigentumswohnungen zum Verkauf im Angebot.

Was die innere Entwicklung der S-Immo angeht, wird uns das Thema Künstliche Intelligenz die nächsten Jahre stark beschäftigen. Insbesondere durch die ChatGPD wird sich auch im Immobilienvertrieb in den nächsten Jahren vieles verändern. Dieser Entwicklung bei der KI können wir uns nicht verschließen. KI bietet viele Chancen. Dennoch wird die persönliche Beratung durch die Kundenberater der S-Immo gewährleistet sein. 

Die S-Immo-GmbH wird unseren Kunden, Verkäufern und Käufern auch weiterhin die persönliche Beratung ermöglichen und gewährleisten.