Es ist wieder passiert. Olaf Scholz hat lässig gelächelt, nachdem er seine erste Fragerunde als Kanzler im Bundestag gemeistert hat. Und wie er so lächelte, fiel ihm bestimmt wieder ein, wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ihm vor gar nicht allzu langer Zeit an den Kopf warf: „Sie nicht nicht der Kanzler von Deutschland. Grinsen Sie nicht so schlumpfig!“ Damals hätte Söder nicht im Traum gedacht, dass Scholz die Bundestagswahl gewinnen könnte. Doch nun ist er im Amt, seit erst knapp zwei Monaten, mit seiner Ampel-Regierung. Natürlich viel zu früh für eine Bewertung, aber erste Eindrücke von der „Ampel“-Regierung gibt es durchaus schon.
Kanzler Olaf Scholz wirkt stets aufgeräumt und trägt immer den Schlips und den ganz feinen Anzug. Nach wie vor ist er mit seinen Worten eher sparsam. Aber er versteht dennoch sein Image zu pflegen, das er sich längst selbst verpasst hat. Das geflügelte Wort, das schon lange vor der gewonnenen Bundestagswahl die Runde machte, hieß: „Wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie auch“, so Scholz damals über Scholz. Als Kanzler hat er diese Sage nun weiter fortgesponnen. Er habe bereits im November die Debatte über eine Impfpflicht in Deutschland angestoßen, sagte Scholz im Bundestag. Weil er sich selbst früh zur Impfpflicht bekannt habe (siehe Seite 8), habe er dieser Debatte eine Richtung gegeben, „die vorher nicht zu erkennen war.“ Und jetzt kommts: „Den Weg zu öffnen für eine Debatte, das ist der richtige Weg für demokratische Leadership“.
Das ist also die gelieferte Führung, die so vielleicht nie bestellt wurde, nun aber halt da ist. Scholz versteht es wunderbar, nur zu dem etwas zu sagen, was seinen Interessen nutzt. Er lässt sich niemals provozieren, zu Themen zu sprechen, die für ihn nicht vorteilhaft sind. Zu denen schweigt er einfach schlumpfig.
Jeder weiß, dass Scholz im November wusste, dass sein Koalitionspartner FDP wohl kaum für eine Impfpflicht zu gewinnen gewesen wäre. Er hatte also keine Regierungsmehrheit für das Projekt. Aber statt nun „Führung“ so zu gestalten, dass er dem Juniorpartner FDP per Richtlinienkompetenz eines Kanzlers Beine gemacht hätte, schlug er einfach die „freie Entscheidung“ des Bundestags vor. Er wusste ja, dass sich die meisten Abgeordneten der Union für eine Impfpflicht aussprechen würden. Das war geschickt von Scholz und hat sogar dazu geführt, dass sich inzwischen auch FDP-Politiker vorstellen können, für die Impfpflicht zu stimmen, ganz ohne Zwang.
Robert Habeck legt los
Robert Habeck hat nur einen guten Monat im Amt gebraucht, bevor er seine Pläne als Superminister für Wirtschaft und Klimaschutz in Deutschland präsentierte. Er tat dies auf seine Art, nämlich als Aufforderung zum Mitmachen anstatt als Klage über die scheinbar unlösbare Aufgabe: „Sehen Sie sich die Zahlen an! Sehen Sie sich an, was wir erreichen müssen. Sie sehen, die Aufagbe ist groß, gigantisch“, so Habeck bei der Präsentation seiner Pläne bei der Bundespressekonferenz.
Robert Habeck macht Alarm, durchaus mit dem üblichen Seitenhieb auf seinen Vorgänger im Amt und die spärliche Bilanz der GroKo unter Merkel. Deutschland könnte seine Klimaschutzziele im Jahr 2030 deutlich verfehlen, zeigt Habeck auf großen Schautafeln. Man hinke um ein Dreifaches hinterher, rechnet Habeck an mehreren Beispielen vor. So habe Deutschland 30 Jahre gebraucht, um auf einen Anteil von 42 Prozent an Erneuerbaren Energien für die Stromversorgung zu kommen. Jetzt habe man noch acht Jahre, um die im Koalitionsvertrag vereinbarten 80 Prozent zu erreichen. „Wir starten nicht auf der Ziellinie, sondern mit einem gehörigen Rückstand“, so Habeck in seiner gern gewählten Bildersprache.
Also eine Mammutaufgabe! Habeck sagt, er könne nicht mit 80 Millionen Menschen sprechen, um sie zu überzeugen, obwohl er das gerne täte. Aber es müsse jedem klar sein, Windräder seien nicht mehr mit dem Argument zu verhindern: „Bitte nicht da. Da gehe ich immer spazieren mit meinem Waldi!“
Robert Habeck zeigt auf, dass er sich für seine großen Ziele in den Kampf begibt. Er sagt, er habe „keinen Bock“, in einer Regierung Minister zu sein, die nichts wage. Er legt sich also auch mit den unionsgeführten Ländern an. Er will Gesetze ändern und so unter anderem auch an die umstrittenen Abstandsregeln für Windräder heran: „Wo Abstandsregeln vorgehalten werden, um Verhinderungsplanung zu betreiben, können die nicht weiter gelten.“ Ein deutlicher Wink in Richtung Bayern. Die dortige 10-H-Regelung ist die schärfste in ganz Deutschland. Sie legt fest, dass ein Windrad grundsätzlich mindestens das Zehnfache seiner Höhe von Wohnhäusern entfernt stehen muss. Markus Söder ließ schonmal grüßen, dass er das nicht einsieht. Quasi: Habeck ist doch nur ein Schlumpf in Bayern. Na ja, also immerhin auch blau, wie die Raute.
Habeck präsentierte dann auch im Bundestag seine Ideen, wie er den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen will und dies gleichzeitig mit einem Schutz der Verbraucher sowie einer Chance für die Wirtschaft einhergehen lassen will. So will er das Land angesichts steigender Energiepreise unabhängiger von Rohstoffimporten machen. Habeck sprach von einem weltweiten „Hunger“ nach den fossilen Energien Gas, Öl und Kohle. Dies treibe die Preise nach oben. Deshalb müssten die erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne deutlich schneller ausgebaut werden. Wichtig sei das Nutzen der Innovationspotenziale der deutschen Wirtschaft. Dafür müsse man aber viel schneller werden bei Planungen und Umsetzung der Vorhaben, etwa bei der Wasserstoff-Erzeugung für die Industrie.
Habeck wäre nicht Habeck, wenn er nicht eingängige Sprachbilder bemühen würde. Bis 2030, also in acht Jahren, müsse Deutschland eine CO2-Minderung von 65 Prozent erreichen, doch die durchschnittliche Genehmigungszeit für ein Windrad betrage sechs bis acht Jahre. „Da muss man jetzt nicht besonders helle sein oder in Mathematik in der Schule aufgepasst haben, um zu merken, dass das nicht funktionieren kann.“
Insgesamt gibt sich Habeck kämpferisch. Er darf mit Widerstand einiger Ministerpräsidenten sowie von Bürgerinitiativen und teilweise auch von Wirtschaftsverbänden rechnen. Er versucht diesen Kampf in eine positive Utopie zu wenden. Er zeigt jedenfalls klar, was er wie machen will. Er selbst würde es wohl so sagen: Er macht ein Angebot für eine innovative Zukunft. Ob er damit durchkommt, ist aber noch lange nicht raus.
Karl Lauterbach wirkt selbstgewisser
Der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den Vorteil auf seiner Seite, dass sein Vorgänger Jens Spahn zuletzt wie ein von seinem Ego getriebener Wankelpolitiker daher kam. Karl Lauterbach wirkt seit seiner Ernennung zum Bundesgesundheitsmnister eher selbstgewisser und fokussierter. Im Interview mit T-online sagte Uli Hoeneß (sicher kein SPD-Wähler) auf die Frage: Was halten Sie von Karl Lauterbach als Gesundheitsminister?
„Solange er nicht im Amt war, hatte ich meine Probleme mit ihm. Ich fand, dass er alles besser weiß. Jetzt bin ich ein totaler Fan von Karl Lauterbach, weil ich das Gefühl habe, dass er von der Sache sehr viel versteht und ein Macher ist. Er macht etwa eine Bestandsaufnahme beim Impfstoff und besorgt, was fehlt. Kaum ist das Medikament Paxlovid gegen schwere Covid-Verläufe akzeptiert, bestellt er eine Million Packungen. Sein Vorgänger Jens Spahn war Ankündigungsweltmeister, hat aber wenig zustandegebracht. Lauterbach dagegen hat eine Vision, er hat eine Idee – und die setzt er um.“
Christian Lindner trickst
Der Bundesrechnungshof hält den vom neuen Finanzminister Christian Lindner vorgelegten Nachtragshaushalt für „verfassungsrechtlich zweifelhaft.“ Lindner will 60 Milliarden Euro umschichten, die wegen der Corona-Krise 2021 als Kredite genehmigt waren, aber nicht aufgenommen wurden. Sie sollen jetzt in den Klimafonds überführt werden. Das ist erstmal nur tricki.
Weil Lindner aber gleichzeitig ankündigt, dass die Corona-Hilfen des Staates nun zügig auslaufen müssten, ist die Umschichtung ärgerlich. Motto: Helfe sich selbst wer kann. Typisch FDP.