Wind ernten und Sonne tanken

In Südbaden kooperieren mehrere Genossenschaften beim Ausbau der Erneuerbaren

Von links: Armin Komenda (Vorstand EWS eG), Ralf Meyer (Geschäftsführer EWS Projekt GmbH), Ato Ruppert (Vorstand BEGS eG), Manfred Steinbach (Vorstand BwBlauen EE eG), Peter Schalajda (Vorstand BwBlauen EE eG), Matthias Lautenbach (Vorstand BwBlauen EE eG), Sebastian Sladek (Vorstand EWS eG). Es fehlt: Florian Müller (Vorstand BEGS eG).

Wer im Schwarzwald ein Windrad bauen will, braucht Geduld. Davon kann die Genossenschaft Bürgerwindrad Blauen Erneuerbare Energien eG ein Liedchen singen. Vor nunmehr elf Jahren entstand aus einem Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, Windkraft im Allgemeinen und Bürgerwindräder auf dem Hochblauen im Speziellen zu fördern, die heutige Genossenschaft. Doch bis heute steht auf dem Blauen, dem markanten Schwarzwaldgipfel im äußersten Südwesten des Landes keine Windenergieanlage. Behördliche und bürokratische Hindernisse sowie Windkraftgegner verhinderten lange die Realisierung. 

Erst als die grün-schwarze Landesregierung mit einer klaren Stärkung auf Seiten der Grünen in ihre zweite Legislaturperiode ging, kam endlich Bewegung in die Sache. Forst BW (Forst Baden-Württemberg), die seit 2020 als Anstalt öffentlichen Rechts Verantwortung für die Bewirtschaftung von über 300.000 Hektar Staatswald trägt, weist nun landeseigene Waldflächen aus, die als Standorte für Windenergieanlagen geeignet erscheinen. Also bewarb sich Bürgerwindrad Blauen Ende 2021 gemeinsam mit der BEGS Bürgerenergie Südbaden eG und der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG als Bietergemeinschaft auf die ausgewiesenen Flächen am Blauen – und erhielt im März dieses Jahres den Zuschlag. Zusammen gründeten die Genossen daraufhin die Kommanditgesellschaft Bürgerwindpark Blauen GmbH & Co. KG, um die Windenergieanlagen auf dem Blauen zu planen und zu betreiben.

„Wir haben mit der Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft die Voraussetzung dafür geschaffen, nun konkret in die Planung des Bürgerwindparks Blauen zu gehen“, freute sich Peter Schalajda, Vorstand der Bürgerwindrad Blauen eG, nach der Vertragsunterzeichnung. Dazu gehen er und seine Mitstreiter mit den Gemeinden ins Gespräch, „damit wir möglichst bald schon die Standorte der Windkraftanlagen bestimmen und ins Genehmigungsverfahren einsteigen können.“

Auch Florian Müller, Vorstand der BEGS Bürgerenergie Südbaden, hofft, dass es nun schnell geht. „Wenn wir in demselben Tempo fortfahren können wie bei der Ausschreibung und Vergabe durch Forst-BW sowie der Unternehmensgründung, dann können wir optimistisch sein, schon sehr bald Windenergie auf dem Blauen produzieren zu können.“ Der Optimismus liegt darin begründet, dass auf Landes- wie Bundesebene der Bau neuer Anlagen nun stärker unterstützt wird. „Wir spüren beim Ausbau der Erneuerbaren Energien den Rückenwind von Bund, Land und Kommunen“, stellt Armin Komenda, Vorstand der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG, fest. „Auf allen Ebenen wächst die Überzeugung, dass wir mit Solar-, Wasser- und Windenergie sowohl dem Klimawandel entgegenwirken als auch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren können.“ Ziel des Konsortiums ist es, im Jahr 2024 einen Antrag auf Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz zu stellen und bei Genehmigungserteilung gemeinsam Bürgerwindräder zu betreiben.

EWS und Bürgerwindrad Blauen haben bereits Erfahrung darin gesammelt, wie der Ausbau der regenerativen Energien im Kollektiv funktioniert. Der „Solarpark am Rhein“ in Rheinfelden-Herten, der Ende 2016 in Betrieb ging, wurde ebenfalls von drei Genossenschaften gemeinsam geplant und gebaut. Dritter Partner hier ist die Bürgerenergie Dreiländereck eG. Auch hier waren zahlreiche Probleme zu lösen, nicht zuletzt, weil der Solarpark auf einer ehemaligen Mülldeponie errichtet wurde. Die Fundamente durften die Schutzfolien nicht zerstören, es darf kein Wasser eindringen in den sensiblen Innenkörper der alten Deponie. Entsprechend aufwändig waren die Genehmigungsverfahren.

Doch Mühe und Geduld haben sich gelohnt. Die Fläche wurde deutlich aufgewertet, wird hier doch reinster Ökostrom produziert, außerdem weiden Schafe zwischen den Solarpanelen und werten Insektenhotels und Eidechsenbiotope den Park auch ökologisch auf. 

Schon damals waren die Vorzüge eines Betriebs durch Bürgerenergiegenossenschaften offensichtlich: Es gab enge Absprachen mit Vertretern der Gemeinde und des Landkreises, denen es ihrerseits wichtig war, mit engagierten Genossenschaften aus der Region zusammenzuarbeiten, um die Herausforderungen gemeinsam angehen zu können. Und die Akzeptanz ist hoch, sind doch Anlieger als Mitglieder in der Genossenschaft aktiv, ebenso wie ortsansässige Handwerker, Gemeindeangestellte und viele andere Bürgerinnen und Bürger. Das Investitionsvolumen des Parks betrug 2,5 Millionen Euro, heute profitieren die Genossenschaftsmitglieder über die jährliche Ausschüttung auch finanziell an der von den EWS betriebenen Anlage. In erster Linie aber geht es den Genoss:innen nicht ums Geld. Viel wichtiger ist es ihnen, dass der Stromertrag  der  Anlage – immerhin etwa drei Millionen Kilowattstunden (kWh) pro Jahr –  den Verbrauch von etwa 1.300 Haushalten deckt und damit jährlich 1.428 Tonnen Kohlendioxid und 1,2 Kilogramm Atommüll einspart.

http://buergerwindrad-blauen.de
(Im Raum Lörrach und rund um den Blauen)

https://www.buerger-energiesuedbaden.de
(BEGS, im Raum Müllheim, Staufen, Sulzburg)

https://be3land.de
(im Dreiländereck, in Rheinfelden und am gesamten Hochrhein)

https://www.buergerenergiedenzlingen.de

https://beg-march.de

https://www.ews-schoenau.de

Die Welt der Energiewende

Kleine Genossenschaften, große Wirkung
Wenn Zahlen nicht lügen, dann könnte man Energiegenossenschaften allenfalls für kleine, wenig bedeutsame Mitspieler in der Welt der Energiewende halten, die inzwischen von Global Playern dominiert wird, wie wir es aus anderen Wirtschaftszweigen kennen: Laut ihrer Bundesgeschäftsstelle haben die 847 Energiegenossenschaften in Deutschland insgesamt 2,5 Milliarden Euro in Erneuerbare Energien investiert. Klingt ganz ordentlich, aber: Allein RWE will in den nächsten zehn Jahren 15 Milliarden Euro in den Ausbau der Erneuerbaren stecken.
Es sind die Zahlen hinter diesen Zahlen, die zeigen, wo die Bedeutung der Bürgerenergie liegt: Der RWE-Konzern erzeugte laut statista.com im Jahr 2020 zwei Drittel seines Stroms aus den fossilen Energieträgern Gas, Braun- und Steinkohle, weitere 14 Prozent aus Kernkraft und nur 20 Prozent aus Erneuerbaren Energien. Energiegenossenschaften dagegen unterhalten keine fossil betriebenen Anlagen, lediglich beispielsweise gasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplung (Blockheizkraftwerke) kommt bei einigen zum Einsatz. Investiert wird fast ausschließlich in regenerative Energieerzeugung aus Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft.
Inzwischen lenken zwar auch die großen Energiekonzerne in Deutschland ihre Produktion auf die Erneuerbaren. Wer so groß ist, denkt (und handelt) dabei auch entsprechend groß. Die Big four der Energiebranche – neben RWE noch EON, EnBW und Vattenfall – investieren vorrangig in große Windparks, oftmals Offshore, also auf dem Meer. Die vielen kleinen Bürgerenergiegenossenschaften füllen dagegen meist die Lücken, investieren in kleine und mittelgroße Anlagen vor Ort. Sie nutzen dabei Standorte, die die großen Investoren gar nicht im Blick haben: Brachflächen am Rande von Verkehrswegen, Hallendächer in Industriegebieten oder exponierte Flächen für die Nutzung der Windkraft, auf denen nicht mehr als eine Handvoll Windenergieanlagen Platz finden.
Womit wir bei dem vielleicht wichtigsten Aspekt wären, der die Energiegenossenschaften von den Großkonzernen unterscheidet. Die Konzerne stehen im Wettstreit auf den europäischen Energiemärkten. Und als börsennotierte Unternehmen sind sie auf der ganzen Welt tätig – und sind im Eigentum von Aktionären aus aller Welt. So hat RWE laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) eine Pflichtwandelanleihe im Nennwert von knapp 2,5 Milliarden Euro ausgegeben, die von der Qatar Holding gezeichnet und in neue Inhaberstückaktien der RWE gewandelt wird. Mit Abschluss der Transaktion im Jahr 2023 wird demnach das Emirat Katar zum größten Aktionär von RWE.
Bei Energiegenossenschaften gilt das Prinzip: Jedes Mitglied hat eine Stimme. Entsprechend könnte ein Großanleger auch durch eine erhebliche Aufstockung seiner Anteile den Einfluss auf die Genossenschaft nicht erhöhen. Folglich gibt es hier auch keine Großanleger. Energiegenossenschaften werden getragen von ihren lokalen und regionalen Mitgliedern. In der Regel werden daher auch die Erzeugungsanlagen in der Region gebaut und betrieben, die regionalen Sparkassen und Banken finanzieren die Projekte, die ortsansässigen Unternehmen errichten sie - und die Mitglieder profitieren auch finanziell.