Es war mein erstes Mal. Hinter mir lagen zwar schon so einige Verflossene, in weiß, in schwarz, cremefarben, grau und dunkelblau. Aber noch nie zuvor fuhr ich ein Elektro-Auto. Hier folgt also ein Erlebnisbericht des ersten Flirts mit einer womöglich neuen Flamme.
Die erste Überraschung folgt schon direkt beim Starten. Du drehst den Schlüssel rein, aber nichts passiert. Ääh, wie jetzt? Dann wird dir klar, dass das Auto „ready“ ist und nur du das nicht gemerkt hast. Du kannst den Gang in der Automatik reinlegen, „R“ wie rückwärts, und tatsächlich fährt das Ding auch rückwärts los.
Okay, kurz überlegen, so als Fan der Oldtimer und so. Du hast einfach nix gehört, weil es nix zu hören gibt. Vielleicht warst du früher mal stolz, wenn du deinen Achtzylinder gestartet hast und der Motor so ein tiefes Brubbeln von sich gab. Jetzt im E-Auto spricht der Motor nicht mit dir, weil es eigentlich gar keinen Motor gibt.
Und das geht ja direkt weiter, wenn du dann los fährst. Die Power ist sofort da, und zwar stufenlos. Die Beschleunigung ist nicht von schlechten Eltern. Vor allem aber: Sie hat keine Ruckler drin. Egal welche deiner Verflossenen dir alles boten – immer gab es ein Getriebe (in das Sand kommen könnte, werden jetzt die Witzbolde sagen), und zwar bei Schaltwagen wie bei Automatik. Immer war es so, dass bei entsprechender Drehzahl halt dieses kleine Ruckeln kam, wenn du (oder dein Automatikgetriebe) in den nächsten Gang hochgeschaltet hast. Das gibt es beim E-Auto nicht. Es fährt sozusagen online.
Und dann in voller Fahrt kommt die Erkenntnis ganz plötzlich. Du hörst nicht nix. Sondern du hörst vor allem den Fahrtwind. Klar sind da auch die Rollgeräusche der Reifen auf dem Boden, aber bei zügigem Fahren ist es Wind, den du hörst. Es ist ein Gleiten in die Freiheit des Space. Es ist ein Gefühl wie Fliegen ohne Flieger. Es ist toll.
Wenn du aufs Gaspedal drückst, ist sofort die ganze Kraft da, und zwar von Anfang bis Ende. Nur: Was heißt hier eigentlich „Gaspedal“? Es muss ein neues Wort dafür her. Sagen wir: Das „Strompedal“. Denn dir schwant ja, dass alles nicht mehr so ist, wie es war. Mit dem „Zündschlüssel“ löst du ja gar keine „Zündung“ des Verbrennens mithilfe des „Anlassers“ mehr aus. Du hast kein Getriebe mehr, das du durch Schalten oder Kick-down zu irgendetwas bewegen kannst. Und du hast eigentlich ja auch keinen Motor im herkömmlichen Sinne unter deiner „Motorhaube“.
Du hast Strom. Und Strom ist eine Währung, die man gerne auch sparen will. Schon bei allen Haushaltsgeräten geht es immer darum, welche Energieeffizienz sie haben. Strom macht quasi Lust auf seine „Rückgewinnung“. Je perfekter die Technik und die Geräte sind, desto cooler sparen sie Strom bei bester Leistung.
So ist das auch beim E-Auto, das eine Anzeige hat, die auf den ersten Blick wie der „Drehzahlmesser“ all deiner Verflossenen aussieht. Und es scheint auch so, dass beim Druck auf das Gaspedal, pardon: Strompedal, die Zeiger steil nach oben schießen. Doch dann merkst du, dass es etwas Neues mit dieser „Drehzahl“-Anzeige auf sich hat: Sie hat nämlich einen Bereich „Charge“, natürlich grün gekennzeichnet, der dir anzeigt, wenn dein Auto Energie zurück gewinnt, und zwar indem du den Fuß vom Strom nimmst und es weiter rollt, und die darin enthaltene Energie für sich verwertet.
Jetzt seid mir nicht böse, liebste Verflossenen, mit euren reichlich PS unter der Haube, aber bei euch ging es immer um Drehzahl und Höchstgeschwindigkeit. Man musste sich euch immer zuwenden, um euch fahren zu können.
Meine neue Flamme hingegen kommuniziert ganz anders mit mir. Sie fährt ohne jedes Geheul und Geschalte, quasi an einem Stück. Und sie erzählt mir nebenbei auf ihrem „Tacho“, wie man Energie optimal ausnutzt, oft ganz einfach, indem man den Fuß vom Strompedal nimmt und noch nicht einmal bremsen muss, weil sie das dann von selbst macht. Anstatt also die Fahrt-Energie durch eine Brems-Energie zu schmälern, was ja doppelter Verlust ist, gewinnt sie mit ihrem Trick Energie zurück.
Sie macht mir also schöne Augen, die E-Betriebene. Sie sagt mir, dass sie die Zukunft sein wird. Ob es wohl stimmt? Jedenfalls ist sie die leise Verführung. Pssst!